European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00095.25X.1015.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (A./I./1./), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A./III./1./ und A./IV./1./), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A./I./2./ und A./III./2./), des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und der bildlichen sexualbezogenen Darstellungen minderjähriger Personen nach „§ 207a Abs 1a, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 3b erster und zweiter Fall StGB“ (B./), sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (A./III./3./), der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl I 2009/40 (A./I./3./, A./II./, A./III./4./ und A./IV./2./), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (C./1./), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (C./2./) sowie der Tierquälerei nach § 222 Abs 3 StGB (D./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in B* und an anderen Orten
A./ in vielfachen Angriffen zum Nachteil teils unmündiger, teils mündiger minderjähriger Personen, und zwar
I./ in Bezug auf den am 2. September 1993 geborenen * D*
1./ zwischen Herbst 2001 und 1. September 2007 dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er an ihm Analverkehr und Oralverkehr vollzog und von ihm an sich Analverkehr vollziehen ließ, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung des Unmündigen zur Folge hatten,
2./ zwischen Herbst 2001 und 1. September 2007 außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er an dem Unmündigen den Handverkehr durchführte,
3./ zwischen Herbst 2001 und Sommer 2009 eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person, nämlich eine wirklichkeitsnahe Abbildung
a./ von zu A./I./1./ und A./I./2./ beschriebenen geschlechtlichen Handlungen an dem zu den einzelnen Tatzeitpunkten teils unmündigen, teils mündigen Minderjährigen,
b./ der Genitalien und Schamgegend des Minderjährigen hergestellt, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten;
II./ in Bezug auf den am 25. März 1992 geborenen * M* zwischen 25. März 2006 und 24. März 2010 eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person, nämlich eine wirklichkeitsnahe Abbildung
a./ einer geschlechtlichen Handlung, nämlich der Selbstbefriedigung,
b./ der Genitalien und Schamgegend des mündigen Minderjährigen hergestellt, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten;
III./ zwischen 30. August 2011 und 15. Jänner 2017 in Bezug auf den am 26. Jänner 2005 geborenen * S*
1./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er an ihm Oralverkehr und Analverkehr vollzog, von ihm an sich vornehmen ließ und ihm einen Gegenstand in den Anus einführte;
2./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen
a) von ihm an sich vornehmen lassen, indem er ihn veranlasste, an ihm den Handverkehr durchzuführen,
b) an ihm vorgenommen, indem er sein Genital einseifte und betastete,
3./ eine Handlung, die geeignet war, dessen sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung als Person unter 16 Jahren zu gefährden, vor dem Unmündigen, vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er in seiner Anwesenheit masturbierte und teils auf ihn ejakulierte;
4./ eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person, nämlich eine wirklichkeitsnahe Abbildung einer geschlechtlichen Handlung an dem Unmündigen, nämlich der zu Punkt A./III./1./ und A./III./2./a./ beschriebenen geschlechtlichen Handlungen, hergestellt;
IV./ in Bezug auf den am 27. Juli 2017 geborenen * Me* zwischen 12. März und 30. November 2023
1./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er an ihm mehrfach Analverkehr und Oralverkehr vollzog,
2./ eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person, nämlich
a./ eine wirklichkeitsnahe Abbildung der zu A./IV./1./ beschriebenen geschlechtlichen Handlung des Analverkehrs an dem Unmündigen hergestellt, und
b./ der Genitalien und Schamgegend des Unmündigen hergestellt, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten;
B./ am 29. Jänner 2024 bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen „in Bezug auf viele Abbildungen oder Darstellungen“ besessen, nämlich hunderte Bild- und Videodateien mit wirklichkeitsnahen Abbildungen geschlechtlicher Handlungen von oder an S*, D*, M*, Me* und vielen weiteren teils unmündigen Personen, teils mündigen Minderjährigen, oder zumindest eines Geschehens, dessen Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelte, dass es sich dabei um eine solche handelte, nämlich
1./ unmündiger Mädchen und Buben beim Vaginal-, Oral-, Anal- und Handverkehr, mithin wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen, teils an unmündigen Personen, teils unmündiger Personen an anderen Personen oder deren wirklichkeitsnahen Abbildungen;
2./ mündiger minderjähriger Mädchen und Buben beim Vaginal-, Oral-, Anal- und Handverkehr, mithin wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen teils an mündigen minderjährigen Personen, teils mündiger minderjähriger Personen an anderen Personen, sowie unmündiger und mündiger minderjähriger Mädchen und Buben, die mit gespreizten Beinen ihre primären Geschlechtsmerkmale präsentieren, mithin wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien und der Schamgegend Minderjähriger, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten,
die er teils nach der Herstellung durch die zu A./I./3./, A./II./, A./III./4./ und A./IV./2./ beschriebenen Straftaten, teils nach Erwerb innehatte;
C./ am 29. Jänner 2024
1./ Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, und zwar an der Durchführung einer gerichtlich bewilligten Durchsuchung seiner Wohnräume, indem er dem einschreitenden Polizeibeamten * B* die Hand in einer Zimmertüre einklemmte, mit der Hand gegen dessen Oberkörper schlug, ihn an der Oberbekleidung packte und eine Stiege hinunterstoßen wollte;
2./ durch die zu C./1./ beschriebene Tat den Polizeibeamten B* während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten am Körper verletzt (Rippenprellung, Quetschung der linken Hand);
D./ zwischen Herbst 2001 (richtig: 1. Oktober 2002) und Jänner 2017 Wirbeltiere mutwillig getötet, indem er grundlos vor seinem Haus mindestens 12 Katzen und im Bereich seines Fischteichs mehrere Fischreiher mit einem Flobertgewehr erschoss.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, „9“ und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) bringt vor, dass sich im zu III./ erfolgten Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO (US 3) die festgestellte Unterbrechung der inkriminierten Übergriffe auf S* aufgrund der am 7. Juni 2015 vom Angeklagten erlittenen Unterschenkelfraktur (US 11) nicht „spiegelt“. Dabei verkennt sie, dass ein Schuldspruch wegen nur pauschal individualisierter gleichartiger Taten unter dem Aspekt des Individualisierungsgebots keinen rechtlichen Bedenken begegnet, zumal daraus allfällig resultierende Zweifel im Fall einer folgenden Verurteilung ohnehin für die Annahme von Tatidentität streiten (RIS-Justiz RS0119552; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 24).
[5] Unter neuerlicher Bezugnahme auf diese Beinverletzung (US 11) zeigt die Mängelrüge (Z 5) keinen Widerspruch des Urteils (Z 5 dritter Fall) auf. Die Entscheidungsgründe lassen klar erkennen, dass der Angeklagte innerhalb des zu III./ inkriminierten (zwischen Ende August 2011 und Mitte Jänner 2017 gelegenen) Tatzeitraums im Juni 2015 eine Unterschenkelfraktur erlitt und sein zuvor gegenüber S* gesetztes Verhalten auch nach seiner Genesung fortsetzte (US 11; vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0098693).
[6] Die weitere Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) bringt vor, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (auch) in Ansehung der Qualifikationnach § 206 Abs 3 erster Fall StGB (US 13; A./I./) wären offenbar unzureichend begründet worden. Damit lässt sie einerseits unberücksichtigt, dass sich die Tatrichter auf die darauf bezogene (diese Qualifikation ausdrücklich einräumende) Einlassung des Angeklagten stützten (US 21, 23). Andererseits betrifft die Frage einer (bedingt) vorsätzlichen Herbeiführung der Erfolgsqualifikation (§ 7 Abs 2 StGB) keine entscheidende Tatsache, weil diesbezüglich Fahrlässigkeit genügt. Die darauf bezogene subjektive Sorgfaltswidrigkeit ist im konkreten Fall – wie der Vollständigkeit halber anzumerken bleibt – bereits durch die Begehung des Grunddelikts mitverwirklicht (RIS‑Justiz RS0089151, RS0089253). Das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass der Angeklagte infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse zur Tatzeit nicht wie jedermann dazu in der Lage gewesen wäre, den durch das im Urteil beschriebene Verhalten eingetretenen Erfolg und den zu ihm führenden Kausalverlauf zu erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0088909), wurde auch gar nicht behauptet.
[7] Soweit die Beschwerde (Z 11 erster Fall iVm Z 5) das Vorliegen einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung iSd § 21 Abs 2 StGB beim Angeklagten bestreitet, und dazu Passagen der Einlassung des Angeklagten sowie der Ausführungen des Sachverständigen U* ins Treffen führt, um daraus andere Schlüsse einzufordern, zeigt sie keine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) auf (vgl RIS-Justiz RS0099431).
[8] Weshalb das festgestellte Zustandsbild des Angeklagten einer „sexuell devianten Störung in Form der Pädosexualität“ (US 6, 8 und 27) keine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung darstellen sollte, lässt die Beschwerde (nominell „Z 9“, dSn Z 11) nicht erkennen (vgl aber [zur Pädophilie] 12 Os 145/24a, 11 Os 94/24v uva). Mit der Behauptung einer „bloßen Paraphilie“ und der Äußerung von Zweifeln an der Schwere der Störung werden nur die getroffenen (pädosexuelle Missbrauchshandlungen und eine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung des Angeklagten beschreibenden) Urteilsfeststellungen bestritten (US 6, 8 ff und 27; vgl Haslwanter in WK2 StGB § 21 Rz 10).
[9] Die Sanktionsrüge (Z 11) vermisst eine hinreichende Konkretisierung der Prognosetat. Das Erstgericht nahm an, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei, der Angeklagte werde in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer sexuell devianten Störung in Form der Pädosexualität, mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere in Form von schweren Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im pädosexuellen Bereich, wie etwa schweren sexuellen Missbrauch von Unmündigen, begehen (US 3, 6, 8 und 27). Dass diese Prognose – auf der Basis der aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen (Person und Zustand des Rechtsbrechers sowie Art der Taten) gebildeten Feststellungsgrundlage – willkürlich erfolgt wäre (vgl RIS-Justiz RS0113980 [T7]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 718 f), wird in der Beschwerde nicht dargelegt.
[10] Auch mit den Hinweisen auf die vom Schöffengericht verhängte (12‑jährige) Haftstrafe, die Therapiewilligkeit bekundende, zur Sache geständige Verantwortung sowie die Unbescholtenheit des Angeklagten wird nur ein Berufungsvorbringen erstattet.
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[12] Dieses wird dabei zu beachten haben (vgl RIS‑Justiz RS0118870), dass dem Angeklagten zu A./I./1./ nur ein einziges nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB qualifiziertes Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und damit real konkurrierend eine unbestimmte Anzahl von Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB anzulasten ist, weil die auf ein und demselben Taterfolg (hier einer schweren Körperverletzung des D*; US 9 f, 13) beruhende Erfolgsqualifikation (§ 7 Abs 2 StGB) nur bei einer der Taten zuzurechnen ist (RIS-Justiz RS0120828).
[13] Da das quantitative Tatbestandsmerkmal „viele“ in § 207a Abs 1a und Abs 3b StGB eine exakte zahlenmäßige Abgrenzung nicht zulässt, kann das Verbrechen nach § 207a Abs 1a oder ein nach Abs 3b StGB strafbares Verhalten nicht mehrfach in Idealkonkurrenz verwirklicht werden (11 Os 150/24d [Rz 10 f]).
[14] Solcherart wurde – was der Urteilsspruch aber nicht erkennen lässt – durch den dem Schuldspruch B./ zugrundeliegenden Besitz hunderter Bild- und Videodateien am 29. Jänner 2024 (nur) ein Verbrechen des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen minderjähriger Personen nach § 207a Abs 3 zweiter Satz, Abs 3b zweiter Fall StGB (1./) und ein Vergehen des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen minderjähriger Personen nach § 207a Abs 3 erster Satz, Abs 3b erster Fall StGB (2./) verwirklicht.
[15] Da diese Subsumtionsfehler ohne Einfluss auf den Strafrahmen blieben,bestand für eine amtswegige Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StGB kein Anlass (RIS-Justiz RS0099767).
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StGB.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
