OGH 6Ob219/24k

OGH6Ob219/24k17.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Dr. Ingrid Neyer, Rechtsanwältin in Feldkirch, wider die beklagte Partei i+* GmbH, *, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Lerch Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, wegen 37.251,10 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2024, GZ 2 R 121/24x‑85, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00219.24K.0117.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Fragen der Vertragsauslegung kommen nach ständiger Rechtsprechung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, es sei denn es müsste im Interesse der Rechtssicherheit eine dem Berufungsgericht unterlaufene grobe Fehlbeurteilung wahrgenommen werden (RS0112106; RS0042936; RS0042776). Eine solche Fehlbeurteilung kann die Klägerin zur Verneinung der Zusage eines barrierefreien ebenen Gartens anhand des tatsächlich festgestellten Sachverhalts nicht aufzeigen, ergaben sich doch schon aus den vor dem Verkauf übermittelten Unterlagen ein Gefälle des Eigengartens und auch ein (erhebliches) Abfallen des Geländes zum Nachbargrundstück hin. Der Bauträgervertrag enthielt – außer der Angabe einer Fläche von 25 m² – keine Spezifikation bezüglich der Gestaltung des Gartens.

[2] 2. Ebenso wenig bedarf die Beurteilung, die Beklagte habe einen Irrtum der Klägerin über die nicht gegebene völlige Ebenheit des Gartens nicht veranlasst und ihr sei insoweit auch keine Verletzung einer Aufklärungspflicht vorzuwerfen, einer Korrektur im Einzelfall, hatte doch abseits des erkennbaren Geländeabfalls in der Projektvisualisierung die Beklagte im Exposé, der Bau- und Ausstattungsbeschreibung und auch im Bauträgervertrag festgehalten, dass Darstellungen symbolisch seien und sich verändern könnten, also keine verbindliche Vorlage für die tatsächliche Ausführung darstellten.

[3] 3. Von der Klägerin begehrte Mängelbehebungskosten (für eine Zaunerrichtung an der Abböschung zum Nachbargrundstück hin) wurden von den Vorinstanzen der Klägerin in der begehrten Höhe zugesprochen. Wird mit diesen Mitteln der Zaun errichtet, ist der vom Berufungsgericht angenommenen Sturz‑ und Stolpergefahr begegnet, womit dieser Mangel dann nicht mehr bestünde. Einen Mangel hinsichtlich einer – gerade nicht gegebenen – Zusage eines ebenen und bündigen Anschlusses des Eigengartens zum Nachbargrundstück haben beide Vorinstanzen vertretbar verneint.

[4] 4. Zur Kritik der Klägerin hinsichtlich des – ihrer Ansicht nach – zu geringen Zuspruchs für die in einem Teil des Eigengartens vorliegende zu geringe Vegetationstragschicht (unter dem Teil, unter dem sich die Tiefgarage befindet), die die Vorinstanzen als Fehlen einer gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft angesehen haben, ist auszuführen:

[5] 4.1. Das Erstgericht hat bei Festsetzung der Preisminderung für diesen Mangel § 273 ZPO angewendet. Ob diese Bestimmung anzuwenden ist, ist eine Frage rein verfahrensrechtlicher Natur, die mit Mängelrüge bekämpft werden muss (RS0040282; zuletzt 5 Ob 149/24h). Zwar monierte die Berufung der Klägerin, es wäre nach der relativen Berechnungsmethode vorzugehen gewesen, also der objektive Wert der mangelhaften Einheit dem Wert der mangelfreien Einheit gegenüberzustellen, und es sei ein „Obergutachten“ sowie ein „Liegenschaftsbewertungs‑ und Vermessungsgutachten“ einzuholen, als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens. Jedoch hat das Berufungsgericht das Vorliegen einer Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens zur Frage der Einholung eines weiteren Gutachtens verneint, womit diese Frage nicht revisibel ist (RS0040364 [T3, T7]; RS0040282 [insb T6]). Die Revision räumt zwar ein, dass verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht revisibel sind, rekurriert dann aber doch auf eine Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens als gegen zwingende Denkgesetze, Erfahrungssätze sowie das Liegenschaftsbewertungsgesetz verstoßend und führt erneut aus, es hätte ein Gutachten über den Wert der mangelfreien Wohnung samt Garten im Vergleich zum Wert der mit Mängeln behafteten Wohnung samt Garten eingeholt werden müssen (wobei sie auch dazu von weiteren verneinten Mängeln ausgeht). Damit versucht die Revision – was ihr aber verwehrt ist – die (grundsätzliche) Anwendung von § 273 ZPO durch das Erstgericht in dritter Instanz erneut anzugreifen.

[6] 4.2. Mit Rechtsrüge in der Revision ist (nur mehr) überprüfbar, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist (RS0111576; RS0040341). Der vom Richter nach seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis und den Ergebnissen des gesamten Verfahrens nach bestem Wissen und Gewissen vorzunehmenden Schätzung kommt allerdings – es sei denn, es lägen gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens vor (RS0007104) – grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0040494). Wenn das Erstgericht als Grundlage für die Bemessung der Höhe nach § 273 Abs 1 ZPO auf die voraussichtlichen Kosten einer Bewässerungsanlage mit Sensor und die jährlichen Wassermehrkosten zurückgriff, vermag die Revision mit ihren Ausführungen keinen groben Ermessensfehler anlässlich der Bestätigung der festgesetzten Höhe des Betrags für die Preisminderung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.

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