OGH 9Ob97/24s

OGH9Ob97/24s21.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A* als Masseverwalter im Insolvenzverfahren der S* GmbH (* des Landesgerichts *), *, vertreten durch Lackner & Hausmann Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch oehner & partner rechtsanwaelte gmbh in Wien, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei H*, vertreten durch Paulitsch Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 1.098.600 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. Juni 2024, GZ 1 R 54/24d‑80, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 9. Februar 2024, GZ 64 Cg 21/21x‑75, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00097.24S.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.950,15 EUR (darin 825,02 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte lehnte den vom Erstgericht bestellten Sachverständigen ab. Der Sachverständige gab dazu eine Stellungnahme ab. Die Klägerin trat dem Ablehnungsantrag entgegen. Am 23. 1. 2024 brachte die Beklagte (ohne Gerichtsauftrag) eine „Äußerung“ ein, in der sie zur Äußerung des Sachverständigen Stellung bezog und ihren Befangenheitsantrag aufrecht hielt.

[2] Das Erstgericht wies die Äußerung der Beklagten zurück (Spruchpunkt 1.) und verwarf den Ablehnungsantrag (Spruchpunkt 2.). Eine Äußerung zur Stellungnahme des Gegners des Ablehnungswerbers sei in der ZPO nicht vorgesehen. Der Ablehnungsantrag sei verspätet und inhaltlich nicht berechtigt.

[3] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den dagegen gerichteten Rekurs der Beklagten zurück. Gegen die Zurückweisung eines vorbereitenden Schriftsatzes sei nach § 257 Abs 4 ZPO ein Rechtsmittel nicht zulässig. Gegen den Beschluss, mit dem die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen werde, sei gemäß § 366 Abs 1 ZPO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, ob der Rechtsmittelausschluss nach § 257 Abs 4 ZPO auch auf die Zurückweisung von Schriftsätzen im Verfahren betreffend die Ablehnung von Sachverständigen anwendbar ist, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[4] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, in Stattgebung des Revisionsrekurses die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, ihre „Äußerung“ vom 23. 1. 2024 zuzulassen. Bei Spruchreife über den Ablehnungsantrag möge der Sachverständige enthoben werden. In eventu wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag an das Erst- oder Rekursgericht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

[6] 1. Nach der generellen Anordnung des § 257 Abs 4 ZPO sind gegen die in dieser Bestimmung vorgesehenen prozessleitenden Anordnungen Rechtsmittel nicht zulässig.

[7] 2.1. Die Revisionsrekurswerberin stützt die Anfechtbarkeit des Zurückweisungsbeschlusses (Spruchpunkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses) darauf, dass es sich bei ihrem Schriftsatz, mit dem es sich zur Stellungnahme des Sachverständigen über den von ihr erhobenen Ablehnungsantrag geäußert habe, ein bestimmender Schriftsatz sei, auf den der Rechtsmittelausschluss des § 257 Abs 4 ZPO nicht anwendbar sei. Dies widerspricht jedoch der herrschenden Rechtsprechung:

[8] 2.2. Richtig ist, dass auf bestimmende Schriftsätze der Rechtsmittelausschluss des § 257 Abs 4 ZPO unanwendbar ist (RS0039828; Kellner in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON § 257 ZPO Rz 8; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack, ZPO‑TaKom § 257 ZPO Rz 4).

[9] 2.3. Nach Rechtsprechung und Lehre zeichnen sich bestimmende Schriftsätze dadurch aus, dass sie prozesserhebliche Sachanträge enthalten und die Grenze der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis im konkreten Fall festlegen (7 Ob 707/88; Kodek in Fasching/Konecny 3 III/1 § 257 ZPO Rz 24). Beispiele sind Klageeinschränkungen und -rücknahme, Klagsausdehnungen oder -änderungen, die Einwendung einer Gegenforderung und Rechtsmittel aber auch Schriftsätze mit den Sachanträgen eines Zwischenverfahrens, wie etwa Verfahrenshilfe oder Ablehnungsanträge (Kellner in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON § 257 ZPO Rz 7).

[10] 2.4. Der Schriftsatz der Revisionsrekurswerberin vom 23. 1. 2024 enthält demgegenüber keine (neuen) Anträge, sondern lediglich eine Replik auf die Äußerung des Sachverständigen vom 22. 12. 2023. Die Revisionsrekurswerberin betont selbst, dass sie damit nur ein ergänzendes Vorbringen zur Stellungnahme des Sachverständigen erstattet und auch keine neuen Befangenheitsgründe behauptet habe. Der streitgegenständliche Schriftsatz ist daher kein bestimmender Schriftsatz, auf den der Rechtsmittelausschluss des § 257 Abs 4 ZPO nicht anwendbar wäre.

[11] 3. Selbst wenn man die Rechtsauffassung der Revisionsrekurswerberin, im Inzidenzverfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen sei analog § 257 ZPO ein vorbereitender Schriftsatz (hier die Replik auf die Äußerung des Sachverständigen; vgl jedoch die Rechtsprechung zu RS0045962 [T9], wonach eine Stellungnahme der Partei zur Äußerung des Richters [§ 22 Abs 2 JN] nicht vorgesehen ist), zulässig, teilte, zeigen die Revisionsrekursausführungen keine geeigneten Gründe auf, weshalb dann nicht auch der Rechtsmittelausschluss des § 257 Abs 4 ZPO zur Anwendung gelangen sollte. Das Argument der Revisionsrekurswerberin, im Falle einer Zurückweisung ihres „vorbereitenden“ Schriftsatzes im Ablehnungsverfahren sei ihr ein Nachholen dieses Vorbringens in einer mündlichen Verhandlung nicht möglich, widerspricht § 356 Abs 1 ZPO, wonach die Gründe der Ablehnung gleichzeitig mit der Ablehnung anzugeben sind. Diese Anordnung entspricht § 22 JN für die Ablehnung von Richtern. Auch im Ablehnungsverfahren gegen einen Sachverständigen ist die Partei im Sinne des § 356 Abs 1 ZPO – unabhängig von einer allfälligen amtswegigen Ermittlungspflicht des Gerichts (vgl § 356 Abs 2 Satz 2 ZPO) – gehalten, schon in ihrem Ablehnungsantrag sämtliche Ablehnungsgründe detailliert und konkret vorzubringen.

[12] 4. Da die Zurückweisung des Rekurses des Beklagten gegen den Beschluss des Rekursgerichts auf Zurückweisung ihrer im Ablehnungsverfahren eingebrachten Äußerung der gesetzlichen Bestimmung des § 257 Abs 4 ZPO entsprach, ist ihr dagegen gerichteter Revisionsrekurs zurückzuweisen.

[13] 5. Da im Ergebnis kein zulässiges Rechtsmittel gegen die Zurückweisung der „Äußerung“ durch das Erstgericht (Spruchpunkt 1.) vorlag, war eine abgesonderte Anfechtung des Beschlusses, mit dem das Erstgericht die Ablehnung des Sachverständigen verworfen hat (Spruchpunkt 2.), nicht möglich (§ 366 Abs 1 ZPO).

[14] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs der Beklagten daher zurückzuweisen (§ 526 Abs 2 Satz 1 ZPO). Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

[15] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Beklagten hingewiesen.

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