OGH 15Os104/24v

OGH15Os104/24v13.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * H* und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten H* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 22. Mai 2024, GZ 11 Hv 14/24s-66a, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00104.24V.1113.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurück-gewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, wurde mit dem angefochtenen Urteil * H* – abweichend von der auf das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB gerichteten Anklage (ON 45 Punkt I./A./) – des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 18. Jänner 2024 in B* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * Hi* als Mittäter * G* gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie ihn aufforderten, er solle mit ihnen um die Ecke außerhalb des Aufzeichnungsbereichs der Videokameras gehen, weil sie ihn dort schlagen würden, sodann mehrere Faustschläge in seine Richtung andeuteten, im Zuge dessen sie ihn auch leicht berührten und Hi* äußerte „Ich kann boxen, ich brech‘ dir dein Kiefer in einer Sekunde“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Diese wendet ein, das Erstgericht habe den Angeklagten abweichend von der Anklageschrift in überraschender Weise und ohne die Beteiligten des Verfahrens über den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt zu hören und über einen allfälligen Vertagungsantrag zu entscheiden, unter Verletzung des § 262 StPO des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[5] Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 8 StPO iVm § 262 StPO ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Tatbild (die äußere Tatseite) der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) von jenem des Anklagetenors (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) derart verschieden ist, dass sich die jeweils angenommenen Tatbilder nicht überdecken und mit Blick auf die Fairness des Verfahrens zuvor keine dem Schutzzweck des § 262 StPO entsprechende Information des Angeklagten erfolgt ist. Bei Abweichungen von geringerer Relevanz (insb bei weitgehender wechselseitiger Überdeckung der in Rede stehenden Tatbilder) obliegt es hingegen dem Beschwerdeführer, eine Verletzung seiner aus Art 6 Abs 3 lit a oder b MRK garantierten Verteidigungsrechte zu behaupten, weshalb im Rechtsmittel plausibel zu machen ist, dass mit Blick auf den geänderten rechtlichen Gesichtspunkt die Verteidigung eine andere gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0126786, RS0113755 [insb T8]).

[6] Gegenständlich legte die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer zur Last, er hätte am 18. Jänner 2024 in B* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Hi* als Mittäter G* mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, eine Geldbörse mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem sie ihn aufforderten, er solle mit ihnen um die Ecke außerhalb des Aufzeichnungsbereichs der Videokameras gehen, weil sie ihn dort schlagen würden, sodann mehrere Faustschläge in seine Richtung andeuteten, ihm leichtere Schläge und sukzessive festere Faustschläge versetzten und im Zuge dieser Angriffe G* dessen Geldbörse entrissen, abwechselnd durchsuchten und den Inhalt herausnahmen (ON 45 Punkt I./A./).

[7] Die Raubdrohung ist eine gegenüber der gefährlichen Drohung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB durch die Art des angedrohten Übels als auch durch die Imminenz verstärkte Drohung (vgl RIS‑Justiz RS0092909, RS0117568; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 142 Rz 10; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 32, 35; siehe auch [zur Nötigung] RIS‑Justiz RS0113271 [T1]).

[8] Indem das Erstgericht die für die Unterstellung nach § 142 Abs 1 StGB erforderlichen Feststellungen zur Sachwegnahme und zu einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz nicht treffen konnte (US 6), eine in Mittäterschaft mit Hi* begangene gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper gegenüber G* durch die von H* und Hi* an diesen gerichtete Aufforderung hingegen für erwiesen ansah (US 5 f), erfolgte der Schuldspruch wegen des – bei anklagekonformer Verurteilung verdrängten – Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB nicht wegen einer gegenüber der Anklage anderen Tat im materiellen Sinn.

[9] Die in einem solchen Fall gebotene Plausibilisierung einer abweichenden Verteidigung gelingt der Rüge mit Blick auf den konkreten Sachverhalt jedoch nicht, indem sie lediglich behauptet, die Verteidigung des – zur Äußerung einer verbalen Drohung geständigen (US 7), zum Andeuten von Faustschlägen hingegen leugnenden (US 7 f) – Angeklagten H* wäre bei Information über die vorgenommene (zu seinen Gunsten ausschlagende) rechtliche Beurteilung insofern eine andere gewesen, als „die Befragung des Zeugen G* bezüglich der Tatbestandsmerkmale des § 107 StGB wesentlich intensiviert“ und „auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 107 StGB bei Auswertung der im Verfahren vorgespielten und zum Akt genommenen Tatvideos“ abgestellt werden hätte können.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten H* folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte