European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00116.24H.1113.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1.) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB (2.) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 14. Oktober 2023 in I* * A*
1. zumindest fünf Mal mit Gewalt, indem er ihren Oberkörper mehrfach auf das Schlafsofa drückte, ihre Hände festhielt, ihren Mund und ihre Nase zeitgleich zuhielt, sich auf ihren Bauch und ihre Oberschenkel setzte und ihr mehrere Ohrfeigen verabreichte, und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihr ankündigte, sie neuerlich zu schlagen, zur Duldung des Beischlafs genötigt;
2. durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er ihr ankündigte, sie andernfalls umzubringen, zu einer Unterlassung, nämlich davon Abstand zu nehmen, anderen von den unter Punkt 1. geschilderten Taten zu erzählen, zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
[4] Betreffend Punkt 2. des Schuldspruchs behauptet die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) Undeutlichkeit der Feststellungen und zitiert eine Urteilspassage, wonach der Angeklagte dem Opfer sinngemäß mitteilte, „dass sie sich die Übergriffe in der Nacht selbst angetan habe und er umbringen werde“, wenn sie von den Übergriffen jemand anderem – insbesondere der Polizei – erzähle (US 5). Damit bleibe unklar, mit wessen Umbringen er gedroht habe, ob er das Opfer, sich selbst oder auch eine dritte Person gemeint habe.
[5] Mit dieser Argumentation nimmt der Rechtsmittelwerber jedoch nicht – wie aber geboten – Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite wird nämlich deutlich, dass der Angeklagte drohte, das Opfer umzubringen (US 5; vgl auch den Spruch, welcher zur Verdeutlichung herangezogen werden kann; RIS‑Justiz RS0116587).
[6] Die Mängelrüge behauptet zu Punkt 1. Widersprüchlichkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 dritter Fall), argumentiert jedoch bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung, indem sie erklärt, es wäre nicht möglich, auf einer Person sitzend dieser mit einer Hand die Hose herunterzuziehen oder sie umzudrehen.
[7] Ob der Angeklagte auf dem Opfer saß, während er es entkleidete und vaginal penetrierte, ist nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0117499), weshalb der diesbezüglich erhobene Vorwurf fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere geht (vgl im Übrigen US 11).
[8] Die Feststellung, wonach der Angeklagte A* jeweils mit Körperkraft niederdrückte, ließ das Schöffengericht – entgegen der Behauptung der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) – nicht unbegründet. Es stützte sich vielmehr auf die Angaben des als Zeugin vernommenen Opfers (US 11).
[9] Weshalb das festgestellte Niederdrücken des Opfers mit Körperkraft, das Versetzen von Ohrfeigen und das Zuhalten des Mundes nicht dem Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 StGB entsprechen sollte, macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar.
[10] Die Ausführungen der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach die Feststellungen eine abschließende Beurteilung nicht zuließen, ob der Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB „im Wege einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erfüllt“ sei, gehen mit Blick auf die – rechtlich gleichwertige und daher allein bereits den Tatbestand verwirklichende – Begehungsform der Gewalt von vornherein ins Leere (vgl RIS‑Justiz RS0116655, RS0093521).
[11] Die Rüge (Z 9 lit a) zu Punkt 2. des Schuldspruchs verfehlt prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit, indem sie behauptet, das Erstgericht hätte zur Ernstlichkeit der Drohung keine Feststellungen getroffen, weil sie sich nicht am Urteilssachverhalt (US 5 f) orientiert (vgl RIS‑Justiz RS0112523).
[12] Weshalb Feststellungen zur (Rechtsfrage der) Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, bei Punkt 2. des Schuldspruchs erforderlich sein sollten, legt die Beschwerde (Z 9 lit a) nicht dar (vgl RIS‑Justiz RS0092448).
[13] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Punkt 2. des Schuldspruchs ausführt, das Schöffengericht habe nicht festgestellt, „wen der Angeklagte mit dem Umbringen bedrohte“, nimmt sie – prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) – nicht Maß am festgestellten Sachverhalt (US 5 f).
[14] Das gilt auch für das auf die Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB bezogene Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10), wonach nicht festgestellt wurde, dass der Angeklagte dem Opfer mit dem Tod gedroht habe (vgl jedoch neuerlich US 5 f).
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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