European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00227.23K.1106.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,40 EUR (darin enthalten 313,90 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
[2] Der Kläger schloss mit der Beklagten, einem privaten Bildungsinstitut, einen Vertrag mit dem Ziel, den Titel „Doctor of Business Administration“ (DBA) an einer britischen Universität zu erwerben. Das Doktoratsstudienprogramm beruht auf einer Kooperationsvereinbarung der Beklagten mit der Universität, die Fernstudien ausschließlich über externe Kooperationspartner anbietet. Der Kläger bezahlte eine Studiengebühr von insgesamt 23.484 EUR an die Beklagte, von der diese einen Teil als „Lizenzgebühr“ an die Universität abführte. Das Studium des Klägers gliederte sich in zwei Phasen. In Phase 1 war – neben der Absolvierung von Seminaren und Kursen zum wissenschaftlichen Arbeiten – die Erstellung eines Exposés (einer Vorarbeit zur darauf aufbauenden Dissertation) samt Präsentation und Defensio vorgesehen. Die Studierenden erstellten das Exposé unter Betreuung ihres von der Beklagten beigestellten „Advisors“. Die Beurteilung des Exposés oblag ausschließlich der Universität, an der sie auch immatrikuliert waren. Nach positivem Abschluss von Phase 1 enthielt Phase 2 die Erstellung und Defensio einer Dissertation. Das vom Kläger verfasste Exposé wurde von der Universität zur Überarbeitung unter Erteilung konkret angeführter Auflagen zurückgestellt. Nach Überarbeitung und neuerlicher Einreichung entschied die Universität, das Exposè endgültig als nicht bestanden zu beurteilen, sodass der Kläger exmatrikuliert wurde. Ein Rechtsbehelf („Appeal“) des Klägers bei der Universität gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.
[3] Der Kläger begehrt die Rückerstattung der gesamten Studiengebühr, weil die Kommission der Universität sein Exposé zu Unrecht abgelehnt und ihn in der Folge zu Unrecht exmatrikuliert habe. Für dieses Fehlverhalten hafte die Beklagte, weil sie sich der Universität als Erfüllungsgehilfin zur Durchführung des Studiums bediene. Im Übrigen hafte die Beklagte für die unzureichende Betreuung durch den von ihr beigestellten „Advisor“, der den Kläger nicht auf allfällige wissenschaftliche Mängel hingewiesen habe.
[4] Die Beklagte wendete ein, sie habe ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Die Universität übe die akademische Entscheidungsgewalt samt Beurteilung des Exposés alleine aus, weshalb die Beklagte für deren Verhalten nicht einzustehen habe. Der „Advisor“ habe kein Fehlverhalten gesetzt. Aufgrund der Exmatrikulation und auch aufgrund der Studienzeit des Klägers von sechs Semestern sei die Beklagte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) berechtigt, die gesamte Studiengebühr einzubehalten.
[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. In Bezug auf die Erarbeitung des Exposés schulde die Beklagte ausschließlich Betreuungsleistungen, sodass eine Haftung für das Verhalten der Universität ausscheide. Eine solche könne auch nicht auf die Betreuungsleistungen des „Advisors“ gestützt werden, weil diesem kein Fehlverhalten zur Last zu legen sei.
[6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Haftung für Betreuungsleistungen für Studierende sowie für die über eine bloße Vermittlung von Fernstudiengängen hinausgehende Tätigkeit keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[8] 1. Der Inhalt der im gegenständlichen Ausbildungsvertrag vereinbarten Pflichten der Beklagten ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (vgl 7 Ob 129/03a; 8 Ob 76/03s; 3 Ob 127/03b; 6 Ob 159/01b). Da ein übereinstimmender Parteiwille nicht feststeht, sind die Vereinbarungen nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen (RS0017811). Es wurde weder behauptet noch festgestellt, dass es im Zusammenhang mit der Anmeldung des Klägers zum Studienprogramm mündliche Erörterungen oder Besprechungen gegeben hätte. Somit ist für die Vertragsauslegung der Inhalt der den Streitteilen zugegangenen Urkunden maßgeblich (vgl 6 Ob 159/01b).
[9] Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (RS0112106 [insb T3]; RS0042936 [insb T17]; vgl RS0042776).
[10] 2. Dem Kläger lagen nach den Feststellungen bei der Anmeldung zum Studienprogramm das „Handbuch für Studierende“ und die „Promotionsordnung“ vor, die er von der Beklagten erhalten hatte. Er las diese Urkunden ebenso durch wie die dem Anmeldeformular (Beil ./A) beigefügten AGB der Beklagten. Die Echtheit dieser Urkunden ist unstrittig, sodass sie der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können (RS0121557 [T3]).
[11] Die Beklagte war nicht zur Verleihung von akademischen Graden berechtigt. Bereits im Anmeldeformular wurde auf die Kooperation der Beklagten mit der Universität hingewiesen, die im Handbuch für Studierende ausführlich beschrieben wurde. In Beil ./1 wurde (unter anderem) dargelegt, dass der akademische Grad von der Universität verliehen wird, an der der Kläger auch als Student immatrikuliert sein werde. Das Studienprogramm unterlag danach den Qualitätsrichtlinien der Universität. In der Promotionsordnung war festgehalten, dass die Verantwortung für alle Aspekte der wissenschaftlichen Forschungs-studiengänge (auch des DBA) zum Zuständigkeitsbereich der Universität gehört und diese auch für die Verleihung von Forschungsabschlüssen (wie des DBA) verantwortlich ist. Ihr oblag nach der Promotionsordnung die Beurteilung des Exposés (nach den „Regulations“ der Universität) und die damit verbundene Zulassung zur Studienphase 2 sowie die Beurteilung der Dissertation. Ebenso war angeführt, dass die Entscheidungen der Universität mit den an der Universität bestehenden (und näher beschriebenen) Rechtsbehelfen zu bekämpfen sind.
[12] 3. Das Berufungsgericht war im Ergebnis der Ansicht, die vertragliche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger umfasse nicht die wissenschaftliche Richtigkeit der Beurteilung des Exposés des Klägers durch die Universitätsgremien. Die Beklagte habe daher nicht für ein allfälliges diesbezügliches Fehlverhalten der Universität bei dieser Beurteilung einzustehen. Darin ist angesichts des dargelegten Inhalts der relevanten Vertragsurkunden, nach denen die Beurteilung des Exposés der Universität obliegen und diese dafür auch verantwortlich sein sollte, keine aufzugreifende Fehlbeurteilung ihres objektiven Erklärungswerts zu erblicken.
[13] Mit dem Hinweis auf die in Punkt 11. der AGB zum Leistungsumfang der Beklagten angeführte „Korrektur von Prüfungen“ zeigt die Revision keine auffallende Fehlbeurteilung auf. Denn im Handbuch für Studierende sowie der Promotionsordnung ist detailliert angeführt, welche Prüfungen von der Beklagten korrigiert und beurteilt werden sollen (jene zu den Seminaren und Kursen) und wie (im Gegensatz dazu) die Beurteilung der wissenschaftlichen Arbeiten, hier des Exposés und der Dissertation, erfolgen soll. Weshalb dem Kläger angesichts dessen diese Unterscheidungen nicht klar sein mussten, vermag die Revision nicht darzulegen.
[14] 4. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die Beklagte die Beistellung eines „Advisors“ für den Kläger schuldete, der über Fachkenntnisse auf seinem Forschungsgebiet verfügte und den Kläger bei der Erarbeitung des Exposés betreute.
[15] Die Revision stützt die behauptete Vertragsverletzung der Beklagten wegen mangelnder Betreuungsleistungen insbesondere darauf, dass sich der „Advisor“ nicht selbst mit der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur für die Arbeit des Klägers beschäftigt habe. Außerdem hätte er nicht hinnehmen dürfen, dass sich der Kläger mit der Literatur unzureichend auseinandersetze.
[16] Das Berufungsgericht war der Ansicht, nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Streitteilen sei die Tätigkeit des „Advisors“, wie im Handbuch für Studierende festgehalten, ausschließlich als Hilfestellungen einzustufen, die nicht die Eigenleistung der Studierenden ersetzen solle. Der „Advisor“ habe nach den Feststellungen darauf gedrungen, dass der Kläger noch Zusätze bzw Ergänzungen seines Exposé vornehme, was vom Kläger aber nicht ausreichend umgesetzt worden sei. Ein Fehlverhalten des „Advisors“ habe nicht vorgelegen.
[17] Auch darin ist keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Im Besonderen übergeht die Revision den (auch festgestellten) Inhalt des Handbuchs für Studierende über die Aufgaben des „Advisors“, wonach sich der Studierende darüber im Klaren sein muss, dass von ihm erwartet wird, dass er selbständig arbeitet und bei der Literatur-Recherche und der Umsetzung seines Forschungsprojekts in erheblichem Umfang eigenständig vorgeht.
[18] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)