European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00182.24V.1106.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Festgehalten wird, dass der vormalige Fünftantragsgegner während des erstinstanzlichen Verfahrens verstorben ist und seine Verlassenschaft mittlerweile mit rechtskräftigem Einantwortungsbeschluss zur Gänze dem Viertantragsgegner eingeantwortet worden ist. Dieser tritt als Gesamtrechtsnachfolger an dessen Stelle (RS0012287), sodass das Verfahren nur mehr gegen vier Antragsgegner geführt wird.
[2] 2.1. Die Bestimmungen des Notwegegesetzes sind nach ständiger Rechtsprechung restriktiv handzuhaben (RS0070966; zuletzt 6 Ob 77/24b). Die Nachlässigkeit der Parteien soll nicht gefördert und lediglich der schuldlose und schutzwürdige Erwerber geschützt werden (vgl RS0071074).
[3] Schon eine Fehleinschätzung des Wegebedarfs durch den Eigentümer des notleidenden Grundes indiziert gewöhnlich eine auffallende Sorglosigkeit im Sinn dieser Bestimmung (RS0071074 [T1, T2]; RS0071038), es sei denn, dass ein tatsächlich eingetretener Wegebedarf in seiner Art, seinem Ausmaß und seiner Intensität bei einer früheren vertraglichen Gestaltung der die notleidenden Liegenschaften treffenden Rechtsbeziehungen nicht leicht vorhersehbar war (RS0071130 [T6]; 3 Ob 50/22g [Rz 27]).
[4] Ob beim Erwerb einer Liegenschaft ohne ausreichende Anbindung an das öffentliche Wegenetz oder aber auch später (vgl 6 Ob 77/24b [Rz 5]) eine auffallende Sorglosigkeit des Erwerbers im Sinne des § 2 Abs 2 NWG vorliegt, die das Begehren auf Einräumung eines Notwegs unzulässig macht, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl RS0071136 [T2, T5, T7]).
[5] 2.2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, es sei den Antragstellern der ihnen obliegende (vgl RS0071130 [T9]) Nachweis des Fehlens groben Verschuldens im vorliegenden Fall nicht gelungen, bedarf keiner Korrektur.
[6] Die Antragsteller kritisieren das Rekursgericht in zwei Punkten. Sie seien nicht als sorglos anzusehen, weil ihnen zum Einen von einem Notar und von einem „Mitarbeiter des Bauamtes“ der zuständigen Gemeinde mitgeteilt worden sei, dass die Zufahrt ausreichend sei. Zum Anderen meinen sie, eine mögliche spätere Selbstvorsorge (durch Erwerb eines weiteren Grundstücks) sei mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden und daher unzumutbar gewesen.
[7] 2.3. Zu ihnen angeblich vor dem Erwerb erteilten Informationen und den Auskünften durch den Notar und seitens eines Mitarbeiters der Gemeinde geht der Revisionsrekurs damit aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
[8] Zwar bestand eine Dienstbarkeit als Wegeverbindung zu dem den Antragstellern gehörenden Grundstück, jedoch wurde diesem bei einem späteren Erwerbsvorgang eine weitere Teilfläche zugeschrieben, auf die sich die Dienstbarkeit nicht bezogen hatte.
[9] Den Antragsstellern war damals (festgestelltermaßen) auch bewusst gewesen, dass die rechtliche Situation betreffend die Zufahrt (hinsichtlich der zu erwerbenden, von einem anderen Grundstück abgeschriebenen Teilfläche von ca 450 m², zu der bei Einleitung des Verfahrens Bebauungsabsicht bestand) einer Abklärung und Sicherstellung bedurfte. Es hatte sie der Notar in einem „Vorab‑Gespräch“ ausdrücklich darauf angesprochen, dass die Zufahrtssituation in Bezug auf die zu einem den Antragstellern schon gehörigem Grundstück hinzukommenden Teilflächen „abgeklärt werden muss“. In einem späteren Gespräch mit dem Notar erteilte nicht – wie die Antragsteller unrichtig unterstellen – dieser ihnen eine Auskunft oder Informationen über das Bestehen einer Zufahrt, sondern es war vielmehr die Zweitantragstellerin, die dem Notar gegenüber darstellte, es sei die Zufahrt auch für das „vergrößerte“ Grundstück gesichert und ausreichend.
[10] Es steht auch nicht – wie behauptet – fest, dass „ein Mitarbeiter des Bauamtes der Gemeinde“ mitgeteilt hätte, es sei die Wegeverbindung (in dem nun verstandenen Sinne: auf der später zugeschriebenen Fläche oder für einen Bau darauf in rechtlicher Hinsicht) ausreichend. Die Zweitantragstellerin, die sich zur Gemeinde begeben hatte, führte zwar dort ein Gespräch mit „irgendeiner, nicht näher feststellbaren Person“, deren Wirkungskreis und Tätigkeit „bei/in der Gemeinde“ völlig offen bleiben habe müssen, „wobei es sich aber nicht um eine 'bekannte' Persönlichkeit der Gemeinde“ handelte. Es ging in dem Gespräch nach den Feststellungen „nicht um die anstehende/geplante Grundstücksteilung, sondern rein um die Zufahrtssituation“. Es steht zudem nicht fest, „was“ die Zweitantragstellerin genau erklärte und bei ihrem Gesprächspartner nachfragte, insbesondere, ob sie dabei überhaupt und gegebenenfalls wie auf die bestandene Dienstbarkeit in irgendeiner Form Bezug nahm oder ob sie sich einfach nur erkundigte, ob die Zufahrtsstraße rein baulich ausreichend sei. Ihr Gesprächspartner teilte ihr „sodann“ mit, dass die Zufahrt ausreichend sei, wobei nicht (einmal) feststeht, ob mit dieser Äußerung „in irgendeiner Form auf das Dienstbarkeitsrecht“ „Bezug genommen worden ist, gegenbenfalls inwiefern“.
[11] Entfernt sich aber das Rechtsmittel vom festgestellten Sachverhalt, wird die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043312; RS0043603). Aus dem tatsächlich festgestellten Sachverhalt lässt sich der – von den Antragstellern daraus abgeleitete – Schluss, es sei seitens der Gemeinde die Auskunft über das Bestehen einer ausreichenden Wegeanbindung für den Fall einer Zuschreibung einer weiteren Fläche an das bestehende Grundstück erteilt worden, nicht ziehen und auch nicht die darauf gestützte Ansicht, es sei ihnen der Nachweis des Fehlens von grobem Verschulden anlässlich ihres Erwerbs gelungen.
[12] 3. Ausgehend davon muss auf die weitere Begründung für die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Einräumung eines Notwegs (nämlich das Versäumnis einer späteren Wegeversorgung durch den möglichen Erwerb eines angrenzenden Grundstücks) nicht mehr eingegangen werden.
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