European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00098.24D.1105.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 14. Juni 2024, GZ 66 Hv 51/24k‑13, verletzt § 17 Abs 1 StPO.
Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:
* K* wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe von August 2020 bis März 2021 in B* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich zirka 4.900 Gramm Kokain („mit einem Reinheitsgehalt von ca. 83 %“) durch eine Vielzahl einzelner kontinuierlich erfolgter Tathandlungen mit Additionsvorsatz im Verkaufsweg an namentlich unbekannte Drogenabnehmer überlassen.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 14. Juni 2024, GZ 66 Hv 51/24k‑13, wurde * K* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt, unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 2. Mai 2022, GZ 18 Hv 15/22k‑50, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 20 Abs 3 StGB ein Geldbetrag von 294.000 Euro für verfallen erklärt.
[2] Nach den Entscheidungsgründen (US 3) hat K* von August 2020 bis März 2021 in B* und andernorts in einer Vielzahl einzelner kontinuierlich erfolgter Tathandlungen zirka 4.900 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von etwa 83 % (ersichtlich gemeint:) Cocain vorschriftswidrig an namentlich unbekannte Drogenabnehmer überlassen. Dabei kam es ihm darauf an, „vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain, durch eine Vielzahl einzelner kontinuierlich erfolgter Tathandlungen und den daran geknüpften Additionseffekt im Verkaufswege anderen zu überlassen“, und hielt er es „von vornherein zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab, jedenfalls das 25‑Fache der Grenzmenge von Kokain Dritten zu verkaufen und zu überlassen“.
[3] Darüber hinaus stellte das Schöffengericht fest (US 2 f), dass K* bereits mit (seit 6. Mai 2022 rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 2. Mai 2022, AZ 18 Hv 15/22k, (unter anderem) wegen des Verbrechens des Suchgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, weil er von 2018 bis 10. Jänner 2022 in B* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich jedenfalls 1.330 Gramm Kokain, durch eine Vielzahl einzelner kontinuierlich erfolgter Tathandlungen mit Additionsvorsatz im Verkaufsweg an namentlich bekannte und unbekannte Drogenabnehmer überlassen hat.
[4] Gegen das zuvor bezeichnete Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 14. Juni 2024 erhoben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft jeweils Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 12, 5 iVm ON 17, ON 14 iVm ON 15), über die das Oberlandesgericht Innsbruck noch nicht entschieden hat.
Rechtliche Beurteilung
[5] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.
[6] Gemäß § 17 Abs 1 StPO ist die neuerliche Verfolgung desselben Verdächtigen wegen derselben Tat nach rechtswirksamer Beendigung eines Strafverfahrens – wie etwa nach rechtskräftiger Verurteilung (vgl Birklbauer, WK‑StPO § 17 Rz 1 ff und 42) – unzulässig (vgl auch Art 4 7. ZPMRK).
[7] Tatobjekt des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG ist „eine die Grenzmenge (§ 28b) übersteigende Menge“, wobei für sich allein die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftquanten bei Vorhandensein eines Vorsatzes, der von vornherein den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfasst (vgl dazu RIS‑Justiz RS0124018), zur Begründung dieser strafbaren Handlung zusammenzufassen sind (vgl RIS‑Justiz RS0131856 [T1]). Liegen diese Voraussetzungen vor, wird das Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG als tatbestandliche Handlungseinheit (vgl dazu RIS‑Justiz RS0122006) begangen (RIS‑Justiz RS0112225; RS0127374).
[8] Die Begründung mehrerer nach § 28a Abs 1 SMG strafbarer Handlungen durch sukzessive Begehung in Form tatbestandsmäßiger Manipulation (hier: Überlassen) je für sich die Grenzmenge nicht übersteigender Suchtgiftquanten kommt seit der Entscheidung eines verstärkten Senats zu AZ 12 Os 21/17f nur mehr dann in Betracht, wenn – insbesondere zufolge Fehlens insgesamt einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage – nicht eine, sondern mehrere tatbestandliche Handlungseinheiten vorliegen. Von diesem Fall abgesehen, kann die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG bei dieser Art der Delinquenz nur durch eine Tat (in Form einer tatbestandlichen Handlungseinheit) verwirklicht werden (RIS‑Justiz RS0131856 [T4]).
[9] Das im Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 14. Juni 2024, GZ 66 Hv 51/24k‑13, konstatierte Überlassen von Suchtgift von August 2020 bis März 2021 betrifft demnach dieselbe (in Form einer tatbestandlichen Handlungseinheit begangene) Tat wie das bereits mit Urteil des genannten Gerichts vom 2. Mai 2022, GZ 18 Hv 15/22k‑50, abgeurteilte Überlassen von Suchtgift von 2018 bis 10. Jänner 2022. Das sukzessive Überlassen von (weiteren) 4.900 Gramm Kokain (über die zuvor abgeurteilte Suchtgiftmenge von 1.330 Gramm Kokain hinaus) stellt somit nur einen Teilaspekt (in Form weiterer Ausführungshandlungen) der bereits abgeurteilten Tat dar.
[10] Indem das Landesgericht Feldkirch den Angeklagten K* somit einer Tat schuldig sprach, derentwegen er bereits rechtskräftig verurteilt worden war, verstieß es gegen den in § 17 Abs 1 StPO normierten Grundsatz des Verbots wiederholter Strafverfolgung (RIS‑Justiz RS0124619; vgl zum Ganzen 14 Os 59/20p = RZ 2021/5, 53; 11 Os 40/24b).
[11] Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten zum Nachteil, sie war daher wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
[12] Durch diese Entscheidung sind die gegen das in Rede stehende Urteil gerichteten Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegenstandslos.
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