European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00099.24A.1105.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I/1) sowie der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (richtig:) vierter Fall StGB (I/2), der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (I/3), der (Anmerkung: nicht in Tateinheit begangenen) gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I/4) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit hier relevant – am 14. August 2023 in H*
(I/1) wissentlich versucht, die Polizisten * S* und * P*, sohin Beamte, dazu zu bestimmen, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Ausschluss nicht verkehrstüchtiger Personen „vom Lenken eines Kfz“ (offenkundig gemeint: von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr) zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des (richtig:) Landes (Art 11 Abs 1 Z 4 B‑VG) als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, (zu ergänzen:) nämlich Atemluft auf ihren Alkoholgehalt zu untersuchen (§ 5 Abs 2 StVO), vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, (zu ergänzen:) dass sie trotz eines auf Alkohol positiven Vortests von Maßnahmen zur Feststellung seiner Alkoholisierung Abstand nehmen, indem er sie durch im Urteil geschilderte Handlungen und Äußerungen (offenkundig gemeint:) falsch einer Misshandlung beschuldigte, die er nur für den Fall der sofortigen Beendigung der Amtshandlung und der Ermöglichung der Weiterfahrt nicht zur Anzeige bringen werde (US 5 ff, 12);
(I/2) S* und P* durch die unter I/1 angeführten Handlungen, sohin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre, an einer Amtshandlung, nämlich der Durchführung eines Tests am geeichten Alkomaten nach § 5 Abs 2 StVO, zu hindern versucht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Da er bei der Anmeldung (ON 32) keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnete, war die Nichtigkeitsbeschwerde schon deshalb bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
[4] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[5] Dieses wird dabei zu beachten haben, dass dem Erstgericht zu I/2 ein nicht geltend gemachter, in der rechtlichen Beurteilung des vom Schuldspruch zu I/1 umfassten Täterverhaltens (auch) als Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs 1 vierter Fall StGB) anstatt als jenes der Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1 StGB) gelegener Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist, der sich allerdings nicht konkret nachteilig für den Beschwerdeführer auswirkte (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 f).
[6] Stillschweigende Subsidiarität liegt vor, wenn sich aus dem Sinnzusammenhang mehrerer Strafvorschriften ergibt, dass eine der scheinbar zusammentreffenden strafbaren Handlungen nur begründet sein soll, wenn nicht eine andere begründet ist (Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu§§ 28–31 Rz 36, 40).
[7] Während Missbrauch der Amtsgewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt gleichermaßen dem Schutz der staatlichen Vollziehung im Bereich der Gerichtsbarkeit und Hoheitsverwaltung dienen (vgl Nordmeyer in WK² StGB Vor § 302 Rz 11 und [zu von § 302 StGB weiters geschützten Rechtsgütern] 12), erfasst Nötigung Individualrechtsgüter der Beamten, die hier zufolge des auf ein staatliches Recht gerichteten Schädigungsvorsatzes (US 6) von § 302 Abs 1 StGB nicht geschützt sind. Ausgehend vom abstrakten Verhältnis dieser strafbaren Handlungen ergibt sich daher, dass Widerstand gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 dritter und vierter Fall StGB (Hindern eines Beamten an einer Amtshandlung durch Gewalt oder gefährliche Drohung) gegenüber Missbrauch der Amtsgewalt nach § (§ 12 zweiter Fall,) 302 Abs 1 StGB stillschweigend subsidiär ist. Hingegen konkurriert letztere strafbare Handlung mit Nötigung nach § 105 Abs 1 (zweiter Fall) StGB (RIS‑Justiz RS0109970; Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 53; Kienapfel/ Schmoller BT III2 § 269 Rz 41; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 269 Rz 31; zum Verhältnis von Nötigung zu Missbrauch der Amtsgewalt Nordmeyer in WK² StGB § 302 Rz 217).
[8] Anderes gilt im Fall von Widerstand gegen die Staatsgewalt, sofern eine Behörde Tatobjekt ist (§ 269 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB, § 269 Abs 2 erster und zweiter Fall StGB). Da in dieser Konstellation Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB ausscheidet und Widerstand gegen die Staatsgewalt spezifisch die Durchsetzung und Freiheit des Staatswillens schützt (vgl Danek/Mann in WK² StGB § 269 Rz 1), liegt echte Konkurrenz im Verhältnis von § 269 Abs 1 und 2 StGB zu § (§ 12 zweiter Fall,) 302 StGB vor (RIS‑Justiz RS0109970 [T1]).
[9] Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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