OGH 3Ob191/24w

OGH3Ob191/24w28.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Provisorialsache der gefährdeten Partei Dr. E*, vertreten durch Forsthuber Rechtsanwälte OG in Baden, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei E* GmbH, *, vertreten durch Beurle Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Linz, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 5. September 2024, GZ 3 R 101/24f‑10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 31. Juli 2024, GZ 204 C 381/24x‑2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00191.24W.1028.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Exekutionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die gefährdete Partei (im Folgenden: der Antragsteller) ist (Strom‑)Netzkunde der Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden: Antragsgegnerin), die Netzbetreiberin am Wohnort des Antragstellers ist. Zwischen den Parteien besteht ein aufrechter Netzzugangsvertrag. Der Antragsteller hat auf der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft drei (analoge) Stromzähler mit einer Eichung bis zumindest Dezember 2026.

[2] Mit Schreiben vom 15. Juli 2024 („Letztmalige Aufforderung zum Zählertausch“) wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass es aufgrund der flächendeckenden Umstellung auf digitale Mess- und Abrechnungssysteme notwendig sei, seinen alten Stromzähler auszutauschen. Da er sich bisher nicht gemeldet habe, möge er innerhalb der nächsten 14 Tage einen Termin für den Zählertausch vereinbaren, um den Betrieb seiner Anlage auch weiterhin unter den geltenden gesetzlichen Bedingungen sicherzustellen. Sofern er keine tägliche Datenübertragung oder Fernschaltung wolle, könne er bei Vorliegen der vertraglichen Voraussetzungen die Opt‑Out‑Konfiguration des Stromzählers wählen. Abschließend heißt es in diesem Schreiben:

„Achtung:

Sollten Sie uns den Zutritt zur Messeinrichtung für den Zählertausch weiterhin nicht gewähren, sehen wir uns gezwungen, folgende Schritte einzuleiten:

- Trennung der Anlage vom Verteilnetz sowie

- die Verrechnung der dadurch entstehenden Mehrkosten.“

[3] Mit Schreiben vom 26. Juli 2024 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, er wünsche den Einbau eines den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Geräts, über ein solches verfüge die Antragsgegnerin jedoch nicht. Die Stromaufzeichnung durch ihre Geräte sei nämlich fehleranfällig – sie weiche im Sommer um etwa 20 % und im Winter um rund 40 % von dem ab, was mit einem mechanischen Zähler aufgezeichnet werde – und ihre Geräte verstießen gegen § 1 Abs 6 IME-VO, weil dem Endverbraucher die in der DSGVO vorgesehenen Informationsrechte vorenthalten würden. Die Geräte nutzten auch ohne gesetzliche oder vertragliche Grundlage das haushaltseigene Stromnetz des Endverbrauchers.

[4] Am selben Tag richtete der Antragsteller an die Regulierungskommission bei der Energie‑Control Austria (im Folgenden: E‑Control) einen Antrag auf Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens wegen der von der Antragsgegnerin angedrohten Stromabschaltung.

[5] Dem Netzzugangsvertrag zwischen den Streitteilen liegen die Allgemeinen Bedingungen der Antragsgegnerin für den Zugang zu ihrem Verteilernetz (im Folgenden: AB‑VN) zugrunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„X. Messung und Messeinrichtungen

[…] 2. 2. Die erforderlichen Mess-, Steuer- und Datenübertragungseinrichtungen (im Folgenden: Messeinrichtungen) werden vom Netzbetreiber nach den technischen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Netzkunden hinsichtlich Art, Zahl, Ort und Größe festgelegt, eingebaut, überwacht, entfernt und erneuert, soweit nichts anderes vereinbart oder in den jeweils geltenden Systemnutzungstarifen vorgesehen oder in den geltenden technischen Regeln festgelegt wurde.

3. Die Verpflichtung zum Einbau von intelligenten Messgeräten („Smart Meter“) ist dem Netzbetreiber gemäß § 83 Abs 1 ElWOG in Zusammenhang mit der Intelligente Messgeräte‑Einführungsverordnung (IME‑VO) vorgeschrieben. Die Entscheidung, ob konventionelle Messeinrichtungen oder intelligente Messeinrichtungen („Smart Meter“) eingesetzt werden, obliegt dem Netzbetreiber unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (insb § 83 Abs 1 ElWOG und IME‑VO). Insbesondere legt der Netzbetreiber fest, ob und gegebenenfalls wann und in welchem Gebiet er intelligente Messgeräte einsetzt. Der Netzbetreiber hat den Netzkunden schriftlich und zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgerätes und die damit verbundenen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz sowie Bereitstellung und Übermittlung der Informationen gemäß §§ 81a bis 84a ElWOG zu informieren. […]

5. Will der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellen, hat er diesen Wunsch dem Netzbetreiber zeitgerecht mitzuteilen. Dieser hat daraufhin dem Netzkunden die hiefür geltenden Spezifikationen bekannt zu geben. Der Netzbetreiber gibt dabei die Zählertechnologie vor. Befindet sich der Netzkunde in einem Bereich, in welchem bereits intelligente Messgeräte zum Einsatz kommen, so hat er entsprechend der Intelligente Messgeräte-Anforderungsverordnung (IMA-VO 2011) und den Vorgaben des Netzbetreibers ein mit dem System des Netzbetreibers vollkompatibles Messgerät beizustellen.

[…]

XXVI. Aussetzung der Vertragsabwicklung, Abschaltung

1. Jeder Vertragspartner darf seine Verpflichtungen aus dem Netzzugangsvertrag einschließlich der Allgemeinen Verteilernetzbedingungen dann aussetzen und insbesondere die Netzdienstleistungen unterbrechen, wenn der andere Vertragspartner die Bestimmungen des Vertrages verletzt und nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung vorliegt. Falls dies zur Unterbrechung der Netzdienstleistung technisch erforderlich ist, ist der Netzkunde auf Aufforderung durch den Netzbetreiber verpflichtet, den Zugang zur Messeinrichtung zu ermöglichen und/oder die Messeinrichtung herauszugeben.

2. Als Zuwiderhandlungen, die eine sofortige Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigen, gelten:

a. Abweichungen des Netzbenutzers von vereinbarten Fahrplänen, soweit hierdurch die Aufgabenerfüllung eines Netzbetreibers wesentlich beeinträchtigt wird;

b. unbefugte Inanspruchnahme von Netzdienstleistungen durch den Netzbenutzer;

c. unzulässige Einwirkungen auf das Netz oder sonstige Einrichtungen eines Vertragspartners (insbesondere Manipulation von Messeinrichtungen);

d. sicherheitstechnische Mängel der Anlagen eines Vertragspartners bei unmittelbar drohender Gefahr;

e. Netzparallelbetrieb einer Erzeugungsanlage ohne Zustimmung des Netzbetreibers.

3. Alle übrigen Zuwiderhandlungen wie zB Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung) berechtigen den Netzbetreiber nur dann zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung), wenn dem eine zweimalige Mahnung inklusive jeweils mindestens zweiwöchiger Nachfristsetzung vorangegangen ist. Die zweite Mahnung hat auch eine Information über die Folge einer Abschaltung des Netzzuganges nach Verstreichen der zweiwöchigen Nachfrist sowie über die damit einhergehenden voraussichtlichen Kosten einer allfälligen Abschaltung zu enthalten. Bei jeder Mahnung hat der Netzbetreiber auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Beratungsstelle des bestehenden Energielieferanten, soweit diese gemäß § 82 Abs 7 ElWOG einzurichten ist, hinzuweisen. Die letzte Mahnung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen (qualifiziertes Mahnverfahren). Der Netzbetreiber hat den Versorger zeitgerecht über die Aussetzung zu informieren.

4. Abschaltungen von Anlagen von Haushaltskunden und Kleinunternehmen wegen Zahlungsverzuges dürfen nicht am letzten Arbeitstag vor Wochenenden oder gesetzlichen Feiertagen erfolgen.“

[6] Der Antragsteller begehrt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit der Antragsgegnerin verboten werde, „ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Gewährung des Netzzugangs zu unterlassen, konkret in Form der Androhung oder Umsetzung der Stromabschaltung (zB durch Ausbau des/der verbauten Messgeräte(s) an der Liegenschaft […], soweit damit die Zustimmung der gefährdeten Partei zum Austausch/Ausbau/Einbau eines Messgerätes zur Stromaufzeichnung bewirkt werden soll, dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution“.

[7] Der Antragsteller wehre sich nicht gegen den Einbau eines Smart Meter schlechthin, verlange jedoch ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Gerät, über das die Antragsgegnerin nicht verfüge.

[8] Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin ab. Dem Antragsteller stehe der zu sichernde Anspruch auf Netzzugang unter Bedingungen, die den zwischen den Streitteilen geltenden AB‑VN widersprächen, nicht zu.

[9] Das Rekursgericht wies die von der Antragsgegnerin (nach Zustellung des Rekurses des Antragstellers durch das Erstgericht) erstattete Rekursbeantwortung als unzulässig zurück und gab dem Rekurs des Antragstellers dahin teilweise Folge, dass es zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung des Netzzugangs auf Basis des mit der Antragsgegnerin geschlossenen Netzzugangsvertrags für die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft der Antragsgegnerin verbot, hinsichtlich dieser Liegenschaft mit der Trennung vom Netz oder der Stromabschaltung zu drohen oder diese umzusetzen, soweit damit die Zustimmung des Antragstellers zum Austausch/Ausbau/Einbau eines intelligenten Geräts zur Stromaufzeichnung („Smart Meter“) bewirkt werden solle; das Mehrbegehren wies es – vom Antragsteller unbekämpft – ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass diese einstweilige Verfügung bis zur Beendigung des vom Antragsteller bei der Regulierungskommission der E-Control eingeleiteten Streitschlichtungsverfahrens bzw – falls innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids Klage eingebracht werde – bis zur rechtskräftigen Beendigung des über diese Klage eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens gelte.

[10] Es liege hier keine Streitigkeit iSd § 22 Abs 1, sondern vielmehr eine iSd § 22 Abs 2 Z 1 ElWOG 2010 vor. Da der Antragsteller den im Gesetz vorgesehenen Schlichtungsantrag gestellt habe, sei der Rechtsweg für den Provisorialantrag zulässig, weil der zu sichernde Anspruch bloß derzeit noch nicht klagbar sei. Das Sicherungsbegehren ziele unzweifelhaft auf die vertragliche Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung des Netzzugangs auf Basis des bestehenden Vertrags ab. Gegenstand des Sicherungsantrags sei daher der aus dem Netzzugangsvertrag resultierende Anspruch auf Zugang zu dem von der Antragsgegnerin betriebenen Stromnetz. Dass dieser Vertrag bestehe, habe der Antragsteller bescheinigt. Was die Gefährdung iSd § 381 Z 2 EO anlange, sei es offenkundig, dass eine Stromabschaltung für jeden Haushalt schwerwiegende Konsequenzen mit längerfristigen Schäden habe. Eine darüber hinausgehende Behauptungs‑ und Bescheinigungslast treffe den Antragsteller nicht. Insbesondere sei mangels konkreter Einwendungen nicht zu prüfen, ob der bescheinigte Anspruch aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Antragstellers untergegangen sei. Die beantragte einstweilige Verfügung sei daher zu erlassen. Dabei sei allerdings dem Begehren eine deutlichere Fassung zu geben. Überdies sei der offensichtliche Formulierungsfehler im Antrag, wonach die Verfügung erst „binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution“ wirksam werden solle, zu berichtigen, weil dies dem gesamten Vorbringen des Antragstellers widerspräche und die einstweilige Verfügung unwirksam machen würde, weshalb diese – offensichtlich irrtümlich unreflektiert vom Geldleistungsbegehren übernommene – Passage ohne Verstoß gegen § 405 ZPO wegzulassen sei.

[11] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ den Revisionsrekurs zur Frage zu, ob der Anspruch eines Netzzugangsberechtigten auf Gewährung des Netzzugangs im Fall, dass – bei aufrechtem Netzzugangsvertrag – die Trennung vom Netz oder die Stromabschaltung lediglich angedroht werde, unter § 22 Abs 1 oder Abs 2 Z 1 ElWOG falle und ob daher einstweilige Verfügungen zur Sicherung dieses Anspruchs zulässig seien.

Rechtliche Beurteilung

[12] Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, mit dem sie primär die Zurückweisung des Provisorialantrags, hilfsweise die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt und wiederum hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit des Rechtswegs für den Provisorialantrag:

1.1. § 22 ElWOG 2010 lautet wie folgt:

§ 22 (1) In Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet – sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes gemäß Kartellgesetz 2005 vorliegt – die Regulierungsbehörde.

(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen

1. Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen,

2. dem unabhängigen Netzbetreiber gemäß § 25 und dem Eigentümer des Übertragungsnetzes gemäß § 27,

3. dem vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmen und dem Übertragungsnetzbetreiber gemäß § 28

4. sowie in Angelegenheiten der Abrechnung der Ausgleichsenergie

entscheiden die Gerichte. Eine Klage eines Netzzugangsberechtigten gemäß Z 1 sowie eine Klage gemäß Z 2 bis 4 kann erst nach Zustellung des Bescheides der Regulierungsbehörde im Streitschlichtungsverfahren innerhalb der in § 12 Abs. 4 E‑ControlG vorgesehenen Frist eingebracht werden. Falls ein Verfahren gemäß Z 1 bei der Regulierungsbehörde anhängig ist, kann bis zu dessen Abschluss in gleicher Sache kein Gerichtsverfahren anhängig gemacht werden. […]

[13] 1.2. Die „übrigen Streitigkeiten“ iSd [jetzt:] § 22 Abs 2 ElWOG 2010 sind zivilrechtliche Streitigkeiten insbesondere aus dem Vertragsverhältnis zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern etwa über die Höhe oder die Rückforderung überhöhter Systemnutzungstarife, die Auslegung der Allgemeinen Bedingungen oder wenn ein Netzzugang vom Netzbetreiber weiter verweigert wird (RS0125513). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nicht bloß, dass ein Vertrag zwischen einem Netzbetreiber und einem Netzzugangsberechtigten als Anspruchsgrundlage herangezogen wird, sondern dass der Anspruch auch im Zusammenhang mit der Netznutzung durch den Netzzugangsberechtigten steht (6 Ob 163/21w = RS0125513 [T2]).

[14] 1.3. In den Fällen des § 22 Abs 2 ElWOG 2010 besteht zwar grundsätzlich eine Zuständigkeit der (ordentlichen) Gerichte, allerdings ist zunächst zwingend ein Schlichtungsverfahren einzuleiten. Eine Schlichtungsklausel unterscheidet sich von einer Schiedsklausel dadurch, dass die Schlichtungsstelle nicht dazu berufen ist, anstelle des staatlichen Gerichts zu entscheiden, sondern lediglich zur Aufgabe hat, vor Anrufung des staatlichen Gerichts einen Rechtsstreit durch Herbeiführung einer Einigung zwischen den Streitteilen zu vermeiden. Bei Scheitern einer Einigung ist die Anrufung der ordentlichen Gerichte nicht ausgeschlossen (1 Ob 300/00z = RS0045292 [T3]). Welche Streitigkeiten von einer Schlichtungsklausel umfasst sind, ist nach ihrem Inhalt zu ermitteln (vgl RS0018023 zu Schiedsvereinbarungen; 4 Ob 203/12z [Pkt 1.2.]).

[15] 1.4. Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Streitigkeit um eine solche iSd  22 Abs 2 Z 1 ElWOG 2010 handelt und kein Fall des § 22 Abs 1 ElWOG 2010 vorliegt. Entscheidend ist nämlich, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Netzzugang nicht von vornherein verweigert (hat), sondern ihm bei aufrechtem Netzzugangsvertrag („nur“) mit dessen Entzug droht.

[16] 1.5. Es wurde bereits judiziert, dass der Umstand, dass der zu sichernde Anspruch zwar derzeit wegen eines zunächst zwingend durchzuführenden außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens (noch) nicht klagbar ist, aber nach Durchführung dieses Schlichtungsverfahrens vor Gericht durchgesetzt werden kann, der Bejahung eines Sicherungsbedürfnisses nicht entgegensteht (vgl 4 Ob 203/12z = RS0004795 [T5]). Daran ist festzuhalten.

[17] 2. Die von der Antragsgegnerin gerügte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, die in der Zurückweisung der Rekursbeantwortung begründet sein soll, liegt nicht vor. Das Rekursgericht hat die Rekursbeantwortung der Antragsgegnerin vielmehr völlig zu Recht zurückgewiesen, weil das Rekursverfahren ungeachtet der Zustellung des Rekurses an die Antragsgegnerin gemäß § 402 Abs 2 EO einseitig war.

3. Zum behaupteten Verstoß des Rekursgerichts gegen § 405 ZPO:

[18] 3.1. Die Antragsgegnerin wendet sich in diesem Zusammenhang ausschließlich gegen die Weglassung der im Provisorialantrag enthaltenen Wortfolge „binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution“ durch das Rekursgericht.

[19] 3.2. Nach der – zufolge § 78 und § 402 Abs 4 EO auch im Provisorialverfahren anwendbaren – Vorschrift des § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das Gericht darf allerdings nach ständiger Rechtsprechung dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung geben, wenn sich letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RS0039357). Das Klagebegehren ist nämlich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung vom Kläger gemeint ist; das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Begehren richtig zu fassen (RS0037440). Maßgeblich ist, welchen Ausspruch des Gerichts der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt (RS0041165 [T3]). Das Gericht ist insoweit in der Regel zur Verdeutlichung (nicht nur berechtigt, sondern sogar) verpflichtet; dies muss etwa dort gelten, wo der von der klagenden Partei formulierte Wortlaut ein Feststellungsbegehren etwa mangels „Feststellungsfähigkeit“ iSd § 228 ZPO von vornherein unzulässig machen würde (RS0041165 [T5]).

[20] 3.3. Dem Rekursgericht ist dahin beizupflichten, dass ein an die Antragstellerin gerichtetes, jedoch erst „binnen 14 Tagen“ zu befolgendes Verbot, die Stromabschaltung an der Liegenschaft des Antragstellers anzudrohen oder umzusetzen, dem vom Antragsteller angestrebten Rechtsschutz diametral zuwiderliefe, weil es der Antragsgegnerin die Möglichkeit eröffnete, die Liegenschaft des Antragstellers in den ersten 14 Tagen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung sanktionslos vom Stromnetz zu trennen. Das Rekursgericht durfte deshalb diese – vom Vorbringen des Antragstellers nicht gedeckte und im gegebenen Zusammenhang zweifellos sinnlose – Wortfolge ohne Verstoß gegen § 405 ZPO entfallen lassen.

4. Zur Rechtsrüge:

[21] 4.1. Die Antragsgegnerin macht geltend, der Antragsteller habe nach den dem Netzzugangsvertrag zugrunde liegenden AB‑VN keinen Anspruch darauf, das Messgerät auszuwählen; vielmehr dürfe die Antragsgegnerin die in ihrem Eigentum stehenden und bei ihren Kunden verwendeten Messgeräte allein auswählen. Daraus folge, dass mit der beantragten einstweiligen Verfügung etwas begehrt werde und gesichert werden solle, worauf der Antragsteller keinen Anspruch habe.

[22] 4.2. Dem ist zu erwidern, dass Gegenstand des Provisorialverfahrens nicht ist, ob die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller aufgrund der AB‑VN (insbesondere deren Punkt X.) materiell-rechtlich einen Anspruch darauf hat, einen Smart Meter einzubauen (und dafür Zugang zum Objekt zu erhalten); vielmehr geht es darum, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, diesen Anspruch durch (Drohung mit) Trennung vom Netz oder Stromabschaltung durchzusetzen, mit anderen Worten ob ein Anwendungsfall von Punkt XXVI. der AB‑VN vorliegt.

[23] 4.3. Entscheidend ist somit, ob die Weigerung des Antragstellers, der Antragsgegnerin den für den geplanten Zählertausch unabdingbaren Zutritt zu seinem Objekt zu gewähren, eine Vertragsverletzung iSv Punkt XXVI. Z 1 AB‑VN darstellt, die die Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigt. Die Antragsgegnerin behauptet zu Recht gar nicht, dass die Weigerung des Antragstellers den in Punkt XXVI. Z 2 AB‑VN angeführten Zuwiderhandlungen gleichkomme, die eine sofortige Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigen, sondern beruft sich im Ergebnis auf Punkt XXVI. Z 3 AB‑VN.

[24] 4.4. Punkt XXVI. Z 3 AB‑VN nennt als Zuwiderhandlung, die den Netzbetreiber nur nach vorheriger zweimaliger Mahnung zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung) berechtigt, exemplarisch die Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen des Netzkunden (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung). Hintergrund dieser Regelung ist zweifellos, dass der Netzbetreiber nicht gehalten sein soll, einem Netzkunden, der seine fälligen Zahlungsverpflichtungen trotz qualifizierter Mahnung nicht erfüllt, weiterhin Strom zu liefern. Einem solchen Sachverhalt ist allerdings die hier vorliegende bloße Weigerung des Antragstellers, der Antragsgegnerin Zugang zu seinem Objekt zu gewähren, damit diese die Stromzähler austauschen kann, qualitativ nicht gleichzuhalten. Die Weigerung des Antragstellers rechtfertigt es daher nicht, dass die Antragsgegnerin, statt gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ihr Recht auf Austausch des Zählers faktisch im Wege der Selbsthilfe – durch Androhung der Stromabschaltung – durchzusetzen versucht.

[25] 4.5. Das Rekursgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung deshalb zu Recht erlassen.

[26] 5. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Revisionsrekurses auf §§ 40, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO und hinsichtlich der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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