European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00113.24M.1024.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil in der Entscheidung über das Zahlungsbegehren dahin abgeändert, dass es lautet:
„Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 10.071,94 EUR samt 4 % Zinsen aus 14.000 EUR v on 18. 1. 2014 bis 19. 9. 2018 und aus 10.071,94 EUR seit 20. 9. 2018 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Golf Rabbit TDI, FahrgestellNr: W*, zu zahlen.“
Die erstbeklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 481,10 EUR (darin 42,18 EUR USt und 228 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin erwarb am 17. 1. 2014 von der Erstbeklagten einen Gebrauchtwagen der Type PKW Golf Rabbit TDI zum Preis von 14.000 EUR. Das von der Zweitbeklagten hergestellte Fahrzeug war vom sogenannten „Dieselskandal“ betroffen, weshalb am 11. 1. 2017 ein Software‑Update durchgeführt wurde, welches die im Fahrzeug verbaute Abgasrückführung bei einer Umgebungstemperatur von weniger als 15 Grad Celsius und mehr als 33 Grad Celsius reduziert.
[2] Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Kaufvertrags und – unter Anrechnung eines Benützungsentgelts von 3.928,06 EUR – von der Erstbeklagten 10.071,94 EUR zuzüglich 4 % Zinsen aus 14.000 EUR seit 18. 1. 2014 Zug um Zug gegen die Rückstellung des Fahrzeugs.
[3] Die Erstbeklagte wendete ein, dass das Fahrzeug den Zulassungsvorschriften entspreche und sie sich ein allfälliges Fehlverhalten der Zweitbeklagten nicht zurechnen lassen müsse.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der ursprüngliche Mangel des Fahrzeugs durch das Software‑Update behoben worden sei.
[5] Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil, soweit es die Erstbeklagte betrifft, dahin ab, dass der Kaufvertrag aufgehoben und die Erstbeklagte zur Zahlung von 10.071,94 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit 18. 1. 2014 Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs verpflichtet wurde, weil das Fahrzeug nach wie vor nicht den geltenden Zulassungsvorschriften entspreche. Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil sich aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein Anspruch auf Verzinsung des gesamten Kaufpreises ergebe.
[6] Gegen dieses Teilurteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass ihr 4 % Zinsen aus 14.000 EUR von 18. 1. 2014 bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 19. 9. 2018 zugesprochen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[7] Die Erstbeklagte beantragt die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.
[9] 1. Die Aufhebung des Kaufvertrags hat zur Folge, dass die Erstbeklagte der Klägerin den erhaltenen Kaufpreis zurückerstatten muss. Ist eine Geldsumme zurückzuerstatten, so besteht auch ein Anspruch auf Vergütungszinsen (RS0031939; RS0032078). Es handelt sich um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch, der den mit der möglichen Nutzung des Kapitals verbundenen Vorteil ausgleichen soll (4 Ob 46/13p; 7 Ob 10/20a). Nach der Rechtsprechung ist diese Nutzungsmöglichkeit zumindest mit den gesetzlichen Zinsen abzugelten (RS0032078 [T2]).
[10] 2. Der Oberste Gerichtshof hat deshalb bereits ausgesprochen, dass auch der Käufer eines vom sogenannten „Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeugs im Fall der Rückabwicklung Anspruch auf Verzinsung des vollen Kaufpreises hat (10 Ob 2/23a; 8 Ob 21/23f). Entgegen der Rechtsansicht der Erstbeklagten ist damit keine Bevorzugung des Käufers verbunden, weil auch er dem Verkäufer im Gegenzug ein Benützungsentgelt für die Nutzung des Fahrzeugs bezahlen muss, sodass nicht einzusehen wäre, wenn der Verkäufer den mit der Nutzung des Kapitals verbundenen Vorteil für sich behalten dürfte.
[11] 3. Eine solche Bereicherung kann aber nur so lange bestehen, wie der Kaufpreis tatsächlich zur Nutzung zur Verfügung steht und noch nicht zurückgezahlt wurde. Im vorliegenden Fall rechnete die Klägerin mit einem Teil ihrer Klagsforderung gegen das Benützungsentgelt auf, sodass es zu einer teilweisen Tilgung ihres Rückzahlungsanspruchs kam. Die Wirkung der Aufrechnung wird auf den Zeitpunkt zurückbezogen, in welchem sich die Forderungen zuerst aufrechenbar gegenüberstanden (RS0033904). Dass die Erstbeklagte das Benützungsentgelt bereits vor Klagszustellung fällig gestellt hätte, wurde nicht behauptet, sodass es auf die in der Klage enthaltene Aufrechnungserklärung der Klägerin ankommt, die der Erstbeklagten am 19. 9. 2018 zugestellt wurde (10 Ob 2/23a). Für die Zeit danach besteht nur mehr ein Anspruch auf Verzinsung jenes Kaufpreisanteils, der durch die Aufrechnung nicht getilgt wurde.
[12] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Sind nur noch Zinsen Gegenstand des Verfahrens, richtet sich die Bemessungsgrundlage nach § 12 Abs 4 RATG (RS0107153). Die Vertretungskosten waren daher lediglich aufgrund einer Bemessungsgrundlage von 200 EUR zuzusprechen (4 Ob 210/23w; 5 Ob 115/23g). Eine Rechtsmittelschrift ist kein verfahrenseinleitender Schriftsatz, sodass nach § 23a RATG lediglich ein ERV-Zuschlag von 2,60 EUR gebührt (RS0126594).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)