OGH 8Ob110/24w

OGH8Ob110/24w24.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann-Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am * verstorbenen I*, vertreten durch den erbserklärten Erben Ing. G*, vertreten durch die Forsthuber & Partner Rechtsanwälte (OG) in Baden bei Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F*, und 2. M*, beide vertreten durch die Pitzal/Cerny/Partner Rechtsanwälte OG in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien Mag. S*, vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Parteien und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 2024, GZ 39 R 41/24d‑29.2, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00110.24W.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Verstorbene war in einem Pflegeheim untergebracht und verfügte über eine Eigentumswohnung, die stets vermietet war. Der Nebenintervenient war der Erwachsenenvertreter der Verstorbenen und schloss in dieser Funktion am 6. 4. 2021 mit den Beklagten einen unbefristeten Hauptmietvertrag über diese Wohnung. Die Beklagten führten daraufhin umfangreiche Sanierungsarbeiten durch. Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieses Mietvertrags ist nicht erfolgt.

[2] Das Erstgericht wies die auf Feststellung der Unwirksamkeit dieses Mietvertrags gerichtete Klage der Verlassenschaft ab, weil der Abschluss des Mietvertrags eine Maßnahme des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs gewesen sei.

[3] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass die Unwirksamkeit des Mietvertrags festgestellt wurde. Die Vermietung mache eine lukrative Verwertung des Objekts auf unbestimmte Zeit unmöglich und überschreite schon deshalb die Grenzen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentlichen Revisionen der Beklagten sowie des Nebenintervenienten sind nicht zulässig.

[5] 1. Soweit die Revisionswerber geltend machen, dass der Klägerin das Feststellungsinteresse fehle, weil sie ein Räumungsbegehren erheben hätte können, sind sie auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu verweisen, wonach es bei sogenannten materiell-rechtlichen Feststellungsklagen keines rechtlichen Interesses iSd § 228 ZPO bedarf (RS0038877). Dazu zählen insbesondere Klagen, die auf die Feststellung der Ungültigkeit oder Nichtigkeit eines Vertrags gerichtet sind (RS0014650; RS0014764 [T1]). Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrags mangels einer gerichtlichen Genehmigung ist daher selbst dann zulässig, wenn auch eine Leistungsklage möglich wäre (8 Ob 95/65; 5 Ob 508/89; 2 Ob 52/16k).

[6] 2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Abschluss eines unbefristeten und den mietrechtlichen Kündigungsbeschränkungen unterliegenden Mietvertrags über ein Einfamilienhaus keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, weil damit die wirtschaftliche Möglichkeit einer Verwertung der Liegenschaft stark eingeschränkt wird (RS0048161). Dass das Berufungsgericht diesen Grundsatz auf die unbefristete Vermietung der gegenständlichen Wohnung übertragen hat, ist nicht zu beanstanden. Auch wenn unbefristet vermietete Wohnungen nicht schlechthin unverkäuflich sind, ist der Interessentenkreis doch deutlich kleiner, was den Verkauf schwieriger macht. Selbst wenn die unbefristete Vermietung der Wohnung im Interesse der Verstorbenen gelegen gewesen wäre, wie dies vom Nebenintervenienten behauptet wird, ist damit für die Revisionswerber nichts gewonnen. Eine Vertretungshandlung des Erwachsenenvertreters, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, bleibt nämlich bis zur Genehmigung des Gerichts nach § 258 Abs 4 ABGB jedenfalls rechtsunwirksam (RS0048220).

[7] 3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist damit von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt, sodass die Rechtsmittel mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen waren.

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