European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00172.24F.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Dieklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin enthalten 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Zwischen den Streitteilen besteht – im Rahmen eines Haushaltsversicherungsvertrags – ein Haftpflichtversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH 2015) zugrunde liegen. Sie lauten auszugsweise:
„ Abschnitt C Haftpflichtversicherung:
[...]
Artikel 11
[...]
Was ist mitversichert? (Sachlicher Umfang des Versicherungsschutzes)
Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens, insbesondere
[...]“
Rechtliche Beurteilung
[2] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[3] 1. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. In Abschnitt C Art 11 ABH 2015 wird eine primäre Risikoumschreibung dahin vorgenommen, dass in der hier vorliegenden Privathaftpflichtversicherung der Risikobereich „Gefahren des täglichen Lebens“ unter Versicherungsschutz gestellt wird (vgl etwa 7 Ob 21/24z).
[4] 2. Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind (RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RS0081276). Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Vorhabens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualität als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall ist nämlich eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RS0081070). Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen. Derartigen Fällen liegt eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zu Grunde (RS0081081).
[5] Die Abgrenzung zwischen demgedeckten Eskalierenden einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 87/23d; 7 Ob 21/24z; 7 Ob 55/24z je mwN).
[6] 3. Die Vorinstanzen vertraten in Anwendung dieser Rechtsprechung, dass keine solche vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens vorliege, wenn der mitversicherte Sohn des Klägers sich in stark alkoholisiertem Zustand in Suizidabsicht vor einen sich auf einer Bundesstraße annähernden LKW wirft, wobei sie dabei die mit diesem Suizidversuch einhergehende massive Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer berücksichtigten (vgl 7 Ob 7/22p). Das ist nicht korrekturbedürftig.
[7] 4. Auf die – im Rahmen der Revision als sekundäre Feststellungsmängel gerügten – unterlassenen Feststellungen zur gesteigerten Selbstmordrate bei Jugendlichen kommt es vor dem Hintergrund dieser Gefährdung fremder Rechtsgüter nicht an. Es liegt auch dann keine Gefahr des täglichen Lebens vor, wenn die Handlung im Zustand voller Berauschung oder einem psychischen Ausnahmezustand verübt wird (vgl etwa 7 Ob 145/17z; 7 Ob 243/18p je mwN), weshalb auch in diesem Zusammenhang keine Feststellungsmängel vorliegen.
[8] 5. Die Revision ist daher insgesamt mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
[9] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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