OGH 9Ob92/24f

OGH9Ob92/24f23.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner‑Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, gegen die beklagten Parteien 1. Ing. F*, und 2. C*, beide vertreten durch Dr. Robert Fuchs, Rechtsanwalt in St. Valentin, wegen Feststellung (Streitwert: 1.020.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2024, GZ 12 R 35/24s‑30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00092.24F.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagten sind die Neffen des Klägers. Am 19. 2. 2015 schlossen sie mit dem Kläger einen notariell beglaubigten Optionsvertrag betreffend die Liegenschaften EZ 1* sowie EZ 7*, jeweils KG *, ab. Darin wurde ua festgehalten, dass der Kläger voraussichtlich Testamentserbe nach seinem Vater J*, geboren am * 1924, und deshalb voraussichtlich auch grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 7* werde. Der Kläger räumt den Beklagten das alleinige und unentgeltliche Recht ein, die Liegenschaften EZ 1* sowie EZ 7* zu nachstehenden (im Optionsvertrag dargestellten) Bedingungen jeweils zur Hälfte zu erwerben. Der vereinbarte Kaufpreis für die Liegenschaft EZ 1* betrage 126.000 EUR, jener für die Liegenschaft EZ 7* 35.000 EUR.

[2] Mit dem angefochtenen Teilurteil stellte das Berufungsgericht fest, dass der Optionsvertrag betreffend die Liegenschaft EZ 7* unwirksam ist. Der Optionsvertrag betreffend die Liegenschaft EZ 7* sei nach § 879 Abs 2 Z 3 ABGB nichtig. Diese Bestimmung umfasse nicht nur die Veräußerung von Erbschaften und Vermächtnissen, sondern jedes auf Übertragung oder Belastung gerichtete entgeltliche oder unentgeltliche Geschäft. Auch Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände zu Lebzeiten des Erblassers fielen unter § 879 Abs 2 Z 3 ABGB.

[3] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

[4] Die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts betreffend die Liegenschaft EZ 1* hob das Berufungsgericht (ohne Rechtskraftvorbehalt) auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die gegen das Teilurteil gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[6] 1. Gemäß § 879 Abs 2 Z 3 ABGB sind Verträge, wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten Person erhofft, noch bei Lebzeiten derselben veräußert wird, nichtig.

[7] 2. Nach der Rechtsprechung fällt auch ein über einzelne (bestimmte) Sachen des Erblassers zu dessen Lebzeiten geschlossener Vertrag unter § 879 Abs 2 Z 3 ABGB, soll doch einerseits der Spekulation auf den Tod eines Dritten (Erbschleicherei), andererseits der Ausbeutung des Leichtsinns entgegengewirkt werden (5 Ob 146/02k = RS0116997; RS0016774). Als Veräußerung im Sinn des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB ist jedes auf Übertragung oder Belastung gerichtete entgeltliche oder unentgeltliche Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verstehen. Es ist also nicht nur die unmittelbare Verfügung über die dem Erblasser noch gehörigen Sachwerte durch denjenigen, der diese Werte als Erbe oder Legatar erhofft, sondern auch die Übernahme der Verpflichtung einem Dritten gegenüber zur späteren – nach dem Tod des Erblassers auszuführenden – Verfügung über diese Sachwerte als Veräußerungsgeschäft zu beurteilen (RS0016776; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 879 Rz 255). Auch die unentgeltliche Veräußerung ist unzulässig (RS0016860).

[8] 3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, auch die Berechtigung der Beklagten, eine bestimmte Liegenschaft aus einer vom Kläger erhofften Erbschaft mittels Option zu erwerben, sei unzulässig, entspricht den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Nichtigkeitstatbestand des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB.

[9] 4. Auch die in der außerordentlichen Revision zitierten Lehrmeinungen besagen nichts Gegenteiliges. Den Fallbeispielen von Krejci (in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 Rz 341), die die Beklagten auf den vorliegenden Fall angewendet wissen wollen, liegen andere Sachverhalte zugrunde als der hier zu beurteilende. Im Übrigen verweist dieser Autor selbst auf die Entscheidung 5 Ob 146/02k (aaO § 879 Rz 339). Der Verweis auf Ehrenzweig (Schuldrecht2, 165) überzeugte den Obersten Gerichtshof schon in 5 Ob 146/02k nicht.

[10] 5. Die Rechtsansicht der Revisionswerber, der Normzweck des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB solle lediglich vor unsittlichen Spekulationen vor dem Tod einer Person und vor Leichtsinn schützen, weshalb die vorliegende Konstellation, in der alle Beteiligten „eine sinnvolle Überleitung von Familienvermögen einerseits und eine möglichst akzeptable Versorgung des Klägers andererseits konstruktiv“ regeln wollten, nicht erfasst sei, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr verbietet das Gesetz solche Rechtsgeschäfte ohne Rücksicht auf deren Rechtsgrund und Zweckbestimmung schlechthin (vgl Laimer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 879 ABGB Rz 232).

[11] 6. Abgesehen davon, dass das Erstgericht den für die rechtliche Beurteilung des Falls erforderlichen Inhalt des Optionsvertrags festgestellt und damit auch die in der außerordentlichen Revision vermissten Feststellungen getroffen hat, haben sich auch die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren auf den unstrittigen Inhalt des Optionsvertrags gestützt.

[12] 7. Richtig ist zwar, dass das Erstgericht keine ausdrückliche Feststellung zu den Eigentumsverhältnissen der Liegenschaft EZ 7* traf, doch war im Verfahren der Vorinstanzen nie strittig, dass der Vater des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses des Optionsvertrags noch lebte und Eigentümer dieser Liegenschaft war. Das entsprechende vom Kläger bereits in der Klage erstattete Vorbringen haben die Beklagten auch nie bestritten, obwohl das Erstgericht mit den Parteien die mögliche Anwendbarkeit des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB erörterte. Tatsachen, die der Prozessgegner im Sinn der §§ 266, 267 ZPO ausdrücklich oder schlüssig zugestanden hat, bedürfen aber keines Beweises (RS0039941 [T6]). Sie sind der Entscheidung – auch im Rechtsmittelverfahren – ohne weiteres zugrunde zu legen (RS0040101). Die unterbliebene Bestreitung der Beklagten ist daher als Zugeständnis zu werten (vgl RS0039941 [T3, T4]; RS0039927 [T12, T13]).

[13] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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