European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140NS00059.24Y.1021.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Das Hauptverfahren ist – auch hinsichtlich der zu AZ 76 BAZ 491/24g der Staatsanwaltschaft Innsbruck angeklagten Tat – vom Landesgericht Salzburg zu führen.
Gründe:
[1] Mit am 15. Mai 2024 beim Landesgericht Salzburg zu AZ 36 Hv 51/24f eingebrachter Anklageschrift legte die Staatsanwaltschaft Salzburg * K* ein dem Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall, Abs 3, § 148 zweiter Fall StGB subsumiertes Verhalten zur Last (ON 57).
[2] Am 31. Mai 2024 stellte die Vorsitzende des Schöffensenats die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift fest und ordnete die Hauptverhandlung an (ON 1.45).
[3] Die Staatsanwaltschaft Innsbruck brachte am 12. September 2024 einen Strafantrag beim Bezirksgericht Landeck zu AZ 7 U 87/24p ein, in dem sie K* ein vom 1. Juni 2022 bis zum 7. Mai 2024 gesetztes, dem Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB subsumiertes Verhalten zur Last legte.
[4] Am selben Tag überwies der Einzelrichter dieses Gerichts das Verfahren mit „Beschluss“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0129801) „gemäß § 37 Abs 3 iVm Abs 2 StPO“ an das Landesgericht Salzburg zur Verbindung mit dem dort zu AZ 36 Hv 51/24f anhängigen (ON 1.8 im Akt 7 U 87/24p des Bezirksgerichts Landeck).
[5] Die Vorsitzende des Schöffengerichts des Landesgerichts Salzburg retournierte das Verfahren – ebenfalls noch am selben Tag (ON 1.57) – an das Bezirksgericht Landeck (vgl aber § 38 dritter Satz StPO) mit dem Hinweis, dass die Verfahren nicht verbunden würden. K* sei auf Grund eines Europäischen Haftbefehls (ON 30) in der Bundesrepublik Deutschland festgenommen und von dieser (zu ergänzen: am 7. Mai 2024 [ON 44, 7]) an Österreich übergeben worden. Er habe nicht auf den Grundsatz der Spezialität verzichtet (vgl ON 45, 2), weshalb er ohne Zustimmung des Vollstreckungsstaats wegen einer vor der Übergabe begangenen anderen strafbaren Handlung (hier: der Verletzung der Unterhaltspflicht), auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht erstreckt hat, unter anderem weder verfolgt noch verurteilt werden dürfe (§ 31 Abs 1 EU‑JZG).
[6] Nachdem das Bezirksgericht Landeck zunächst bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck angefragt hatte, „ob der Strafantrag bis zur Erledigung eines Nachtragsauslieferungsverfahrens zurückgezogen“ werde, überwies es – nach deren abschlägiger Antwort – das Verfahren am 16. September 2024 neuerlich dem Landesgericht Salzburg „unter Hinweis auf § 38 letzter Satz StPO“ (ON 1.9 im Akt 7 U 87/24p des Bezirksgerichts Landeck).
[7] Daraufhin legte die Vorsitzende des Schöffengerichts die Akten (zunächst verfehlt im Weg des Oberlandesgerichts Linz [ON 1.59; vgl Oshidari, WK-StPO § 38 Rz 13]) dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits vor.
Dieser hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
[8] Nach § 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein (anderes) Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, die Verfahren zu verbinden.
[9] § 37 Abs 3 StPO gilt auch im bezirksgerichtlichen Verfahren. Die damit erforderliche (vgl auch § 4 Abs 2 StPO) Rechtswirksamkeit eines Strafantrags kommt in diesen Verfahren nicht in einem förmlichen Beschluss zum Ausdruck, sondern im Akt der Einleitung des Hauptverfahrens, also in der Anordnung der Hauptverhandlung (§ 450 StPO; Wiederin, WK‑StPO § 4 Rz 65 ff, 73). Darunter ist jedes Verhalten des Gerichts zu verstehen, das die Bejahung der Prozessvoraussetzungen unmissverständlich erkennen lässt. Anordnung der Hauptverhandlung ist somit jede Entscheidung, deren Ergebnis keines nach § 450 erster Satz StPO (beschlussförmiger Ausspruch der sachlichen Unzuständigkeit), § 451 Abs 2 StPO (beschlussförmige Verfahrenseinstellung) oder § 38 StPO (Wahrnehmung eigener Unzuständigkeit nach § 36 Abs 3 und 5; § 37 Abs 1 und 2 StPO [also ohne Berücksichtigung einer erst danach gebotenen Verfahrensverbindung]) ist, also jeder contrarius actus dazu.
[10] Darunter fallen nicht nur dem Gesetzeswortlaut entsprechende Verfügungen auf „Anordnung der Hauptverhandlung“, sondern auch sonstige Prozesshandlungen, etwa die Übermittlung der Akten an ein anderes Gericht zwecks Verfahrensverbindung (RIS‑Justiz RS0132157 [T1]).
[11] Der von der Staatsanwaltschaft Innsbruck beim Bezirksgerichts Landeck zu AZ 7 U 87/24p eingebrachte Strafantrag wurde demnach mit dessen Verfügung vom 12. September 2024, das Verfahren dem Landesgericht Salzburg zur Verbindung mit dem dort zu AZ 36 Hv 51/24f anhängigen zu überweisen, rechtswirksam. Dies unabhängig von der Frage, ob das Bezirksgericht – nach Kenntnisnahme (vgl RIS‑Justiz RS0091400; Bauer, WK-StPO § 451 Rz 5) vom Vorliegen des Verfolgungshindernisses nach § 31 Abs 1 EU-JZG (vgl Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 31 Rz 37 ff) – zur Beschlussfassung nach § 451 Abs 2 StPO verpflichtet gewesen wäre.
[12] Da es sich bei den hier beteiligten Gerichten um solche „verschiedener Ordnung“ handelt, kommt das verbundene Verfahren – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nach § 37 Abs 2 erster Fall StPO dem höherrangigen Landesgericht Salzburg zu.
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