European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100NC00016.24W.1009.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Weiz vom 9. August 2024, GZ 50 Pu 246/21p‑9, ausgesprochene Teilübertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache (Pu-Akt) an das Bezirksgericht Feldkirch wird nicht genehmigt.
Begründung:
[1] Das Bezirksgericht Weiz übertrug mit Beschluss vom 9. August 2024 die Pflegschaftssache gemäß § 111 JN teilweise (Unterhaltsakt) an das Bezirksgericht Feldkirch, weil sich die Minderjährige nunmehr ständig in dessen Sprengel aufhalte. Das Bezirksgericht Feldkirch lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit Beschluss vom 20. August 2024 wegen des anhängigen Obsorge- und Kontaktrechtsverfahrens ab und stellte den Akt dem Bezirksgericht Weiz zurück. Dieses stellte den Übertragungsbeschluss den Parteien zu und legte den Akt nach Rechtskraft dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Zuständigkeitsübertragung ist nicht zu genehmigen.
[3] 1. Wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder einer sonst schutzberechtigten Person gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Ausschlaggebendes Kriterium für die Zuständigkeitsübertragung nach dieser Gesetzesstelle ist das Kindeswohl (RS0047074). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen das Gericht am Besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RS0047300).
[4] 2. § 111 Abs 1 JN sieht ausdrücklich vor, dass die Pflegschaftssache auch nur zum Teil an ein anderes Gericht übertragen werden kann. Mag es daher wegen der Eigenständigkeit der in einem gemeinschaftlichen Pflegschaftsakt zusammengefassten Verfahren (Ps, Pu, Pg; vgl § 142 AußStrG) grundsätzlich zulässig sein, nur einzelne der gemeinschaftlichen Akten an ein anderes Gericht zu übertragen, wird es im Allgemeinen doch im Interesse des Kindeswohls liegen und zweckmäßig sein, wenn für die Entscheidung über mehrere offene Anträge in diesen Verfahren ein und dasselbe Pflegschaftsgericht zuständig ist (RS0126694).
[5] 3. Im vorliegenden Fall hielt sich die Minderjährige zwar seit Juli 2024 im Sprengel des Bezirksgerichts Feldkirch auf. Allerdings ist nach wie vor das Verfahren hinsichtlich des Ferienkontaktrechts (Kontaktrechtsantrag des Vaters vom 30. Oktober 2023; Rekursentscheidung vom 13. August 2024) anhängig (insofern wurde keine Übertragung beschlossen) und teilte die Mutter dem Vater mit Schreiben vom 12. September 2024 mit, nunmehr mit der Minderjährigen in der Schweiz zu wohnen (bei ON 29 zu 50 Ps 246/21p), weswegen dieser unter anderem die Übertragung der Obsorge auf ihn alleine beantragte. Es steht daher keineswegs fest, dass es im Interesse des Kindes liegt, wenn (nur) die Unterhaltssache von dem Gericht geführt wird, an das die Zuständigkeit der Unterhaltssache übertragen wurde, in dessen Sprengel derzeit offenbar kein stabiler Aufenthaltsort des Kindes liegt. Da somit die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN nicht vorliegen, ist sie nicht zu genehmigen.
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