OGH 13Os80/24z

OGH13Os80/24z9.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 3, 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm § 130 Abs 1 erster Fall) und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 8 Hv 61/23d des Landesgerichts Eisenstadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 13. Oktober 2023 (ON 145) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Mag. Weber LL.M., und der Verteidigerin Mag. Huemer‑Stolzenburg zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00080.24Z.1009.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 8 Hv 61/23d des Landesgerichts Eisenstadt verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 13. Oktober 2023 (ON 145) § 39 Abs 1 StGB und § 19a Abs 1 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Konfiskationserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Eisenstadt vom 13. Oktober 2023 (ON 145) wurde * R* des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 3, 130 Abs 2 zweiter Fall (zu ergänzen: iVm § 130 Abs 1 erster Fall) und 15 StGB sowie mehrerer Vergehen schuldig erkannt und unter Anwendung der § 28 Abs 1 StGB und § 39 Abs 1 StGB nach § 130 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

[2] Gestützt auf § 19a Abs 1 StGB wurde „das im Eigentum des * R* stehende, zur Begehung der Straftat verwendete, sichergestellte Mobiltelefon der Marke Samsung Galaxy A13“ konfisziert.

[3] Bei der Strafbemessung ging das Erstgericht von einem nach § 39 Abs 1 StGB erweiterten Strafrahmen (US 5 und 20 f) „von 7 ½ Jahren“ Freiheitsstrafe aus (US 21; vgl jedoch die Mindeststrafdrohung des § 130 Abs 2 StGB).

[4] Zu den Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB finden sich im Urteil folgende Sachverhaltsannahmen:

„Der Angeklagte weist insgesamt 12 einschlägige Vorstrafen in Österreich, Deutschland, Tschechien und der Slowakei auf. Konkret wurde er unter anderem mit Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 15.02.2010, rechtskräftig seit 10.05.2010, zu AZ 43 Hv 11/10h, wegen §§ 127, 130 erster Fall, 15, 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Monaten verurteilt. Die Strafe wurde am 25.10.2013 vollzogen. Sodann wurde er mit Urteil des Amtsgerichtes Tiergarten, Deutschland vom 20.07.2017, rechtskräftig seit 12.4.2018, zu AZ 285 Js 1389/17 229 Ds 45/17 wegen § 257, § 263 Abs 3 Nr. 1, § 263a Abs 1, § 27, § 53, § 56 deutsches StGB (Begünstigung und Beihilfe zum Computerbetrug), Datum der letzten Tathandlung: 17.03.2017, zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt. Der Angeklagte verbrachte nach seinen eigenen Angaben zu diesem Verfahren drei Monate in Haft und wurde sodann am Tag der Hauptverhandlung, also dem '20.07.2027', aus der Haft entlassen. Es wurde ihm sohin die bereits verbüßte Untersuchungshaft auf den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe angerechnet. Die Strafe wurde daher am '20.07.2027' vollzogen“ (US 6).

[5] Diese Sachverhaltsannahmen stützte die Einzelrichterin auf die österreichische Strafregisterauskunft ON 131, die ECRIS‑Auskünfte aus Deutschland ON 117.2, der Slowakei ON 37.1 und Tschechien ON 116.2 sowie die Angaben des Angeklagten, welcher selbst zugestanden habe, im angeführten Verfahren des Amtsgerichts Tiergarten drei Monate in Haft verbracht zu haben und am Tag der Hauptverhandlung entlassen worden zu sein (ON 132.3, 3). Daraus zog die Einzelrichterin den Schluss, dass an diesem Tag die Strafe vollzogen und der Angeklagte zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei (US 11).

[6] Hinsichtlich der Konfiskation des Mobiltelefons der Marke Samsung Galaxy A13 ist dem Urteil zu entnehmen, dass der Angeklagte mit diesem, in seinem Eigentum stehenden Mobiltelefon (US 10) zahlreiche Bilder des Diebsguts zum Zweck des Verkaufs der Gegenstände anfertigte und die Bilder „zu einem späteren Zeitpunkt“ wieder löschte (US 9 und US 22).

Rechtliche Beurteilung

[7] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 13. Oktober 2023 (ON 145) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[8] 1. Die rechtsfehlerfreie Annahme gemäß § 39 Abs 1 StGB erweiterter Strafbefugnis (US 5) erfordert Tatsachenfeststellungen, auf deren Grundlage die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB – unter anderem die zumindest teilweise (wenn auch nur durch Anrechnung einer Vorhaft [§ 38 StGB] oder der mit dem Vollzug einer vorbeugenden Maßnahme verbundenen Freiheitsentziehung erfolgte) Verbüßung von zwei wegen auf der gleichen schädlichen Neigung wie die jeweils aktuell abgeurteilten beruhenden Taten ausgesprochenen Freiheitsstrafen – erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0134000). Diese Tatsachenfeststellungen müssen ohne Willkür getroffen, dürfen also nicht mit einem formalen Begründungsmangel behaftet sein (RIS‑Justiz RS0126648, RS0125225 und RS0123668 sowie Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 7 f und 17).

[9] Letzterem wird das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt (ON 145) nicht gerecht, weil die für die Zulässigkeit der Anwendung von § 39 Abs 1 StGB entscheidende tatsächliche Annahme, wonach * R* mit seit 12. April 2018 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 20. Juli 2017 zu AZ 285 Js 1389/17 229 Ds 45/17 zu einer „teilbedingten“ Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden sei (US 6), weder in der auf der US 11 zur Begründung herangezogenen österreichischen Strafregisterauskunft (ON 131) noch in den „ECRIS‑Auskünften“ betreffend Deutschland, die Slowakei und Tschechien (ON 37.1, ON 116.2, ON 117.2) noch in den Angaben des Angeklagten (ON 132.3, 3) Deckung findet.

[10] Nach dem Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Auskünfte aus dem Europäischen Strafregisterinformationssystem (ECRIS [ON 37.1, 11 f und 117.2, 2 f]) wurde * R* mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 20. Juli 2017, AZ 285 Js 1389/17 229 Ds 45/17, nämlich zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, nach Ablauf der Bewährungszeit wurde die Strafe mit Wirkung vom 4. Juli 2022 „erlassen“ (vgl dazu auch ON 173.3, 2).

[11] Die Aussage des Angeklagten, wonach er drei Monate in Haft, „nicht verurteilt“ und nach der Verhandlung entlassen worden sei (ON 132.3, 3), vermag die in Rede stehende Sachverhaltsannahme nach den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen ebenso wenig zu tragen.

[12] Weder der tschechischen Auskunft (ON 116.2) noch der österreichischen Strafregisterauskunft (ON 131) ist eine Verurteilung des * R* durch das Amtsgericht Tiergarten zu entnehmen, womit auch diese Verfahrensergebnisse die Urteilsannahme nicht zu tragen vermögen.

[13] Der dargestellte Mangel der offenbar unzureichenden Begründung (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO, RIS‑Justiz RS0116732 und RS0099413) schlägt auf die davon betroffene Rechtsfrage einer Strafverbüßung durch Vorhaftanrechnung im Sinn des § 39 Abs 1 erster Satz StGB durch, weil eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe als rückfallsbegründende Vorstrafe nur dann in Betracht kommt, wenn die bedingte Nachsicht widerrufen und die Vollziehung der Strafe angeordnet worden ist (dazu RIS-Justiz RS0115052).

[14] 2. Gemäß § 19a Abs 1 StGB sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei der Begehung dieser Straftat verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, zu konfiszieren, wenn sie zur Zeit der Entscheidung erster Instanz im Eigentum des Täters stehen.

[15] Diente der Gegenstand nicht der Tatbegehung selbst, sondern kam er erst nachher zum Einsatz, wurde er nicht zur Tatbegehung verwendet (Salimi, SbgK § 19a Rz 30).

[16] Die von der Einzelrichterin im Urteil konstatierte Verwendung des Mobiltelefons zur Herstellung von Fotos der Diebsbeute zwecks Weiterverkaufs der gestohlenen Gegenstände nach Vollendung der Tat vermag die Annahme eines Einsatzes des Telefons zur Förderung des Tatgeschehens (vgl dazu RIS‑Justiz RS0133668; Salimi, SbgK § 19a Rz 28 ff) somit nicht zu tragen. Insofern entbehrt das Konfiskationserkenntnis einer die Konfiskation nach § 19a StGB tragenden Sachverhaltsgrundlage.

[17] Da nicht auszuschließen ist, dass die – von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigten – Gesetzesverletzungen dem Verurteilten zum Nachteil gereichen (§ 292 letzter Satz StPO), war deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verbinden.

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