European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00075.24F.0919.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die „außerordentliche Revision“ der klagenden und widerbeklagten Partei wird als unzulässig, die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die beklagten und widerklagenden Parteien (idF: „Beklagten“) beauftragten die klagende und widerbeklagte Partei (idF:„Klägerin“) mit der Errichtung eines Hauses. Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das als Bauträger konzessioniert ist und die Abwicklung von Bauprojekten durchführt. Mit den Bauarbeiten hat sie die Nebenintervenientin beauftragt.
[2] Die Klägerin begehrte von den Beklagten den Klagsbetrag von 148.030,14 EUR sA an Werklohn aus der ihrer Ansicht nach fälligen 6. Teilrechnung vom 10. 4. 2020. In eventu stützte sie das Klagebegehren auf Bereicherung und hinsichtlich eines Teilbetrags von 10.000 EUR auf Schadenersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung der Beklagten.
[3] Die Beklagten bestritten die Fälligkeit der 6. Teilrechnung, behaupteten, den Werkvertrag berechtigt aufgelöst zu haben und erhoben weitere – im Revisionsverfahren nicht relevante – Einwendungen gegen die Berechtigung des Klagsanspruchs. Darüber hinaus erhoben sie mehrere Gegenforderungen: Rückzahlung einer erlegten Barkaution von 50.000 EUR; Rückforderung einer zu Unrecht geleisteten Baukosten-Preiserhöhung von 18.000 EUR incl USt; Sanierungsaufwand wegen bestehender Mängel von 582.679,63 EUR.
[4] In ihrer Widerklage begehrten die Beklagten die Zahlung von 85.000 EUR, und zwar den Betrag von 50.000 EUR an Schadenersatz und Bereicherung aufgrund einer von ihnen geleisteten, von der Klägerin aber nicht zurückgezahlten Barkaution sowie einen Betrag von 35.000 EUR. Zum letztgenannten Betrag brachten die Beklagten zunächst vor, dass ihnen dieser Betrag als Schadenersatz aus folgenden Gründen zustehe: Mängelbehebungskosten; überhöht bezahlte, weil nicht ordnungsgemäß ausgeführte Leistungen aufgrund des sittenwidrigen Zahlungsplans (dieser Schaden werde vorerst mit 35.000 EUR beziffert, sei aber noch von einem Sachverständigen zu ermitteln); arglistiges Verleiten zum Vertragsabschluss; Minderwert des Hauses zu einem echten Architektenhaus am Immobilienmarkt; ungenügende Bauführung. Eine nähere Aufschlüsselung des Klagsbetrags erfolgte nicht. In der Folge stützten die Beklagten den Klagsbetrag auf Bereicherung „aufgrund der Nichtverrechnung der von den [Beklagten] geleisteten Anzahlung und der Überbezahlung der Leistungen der [klagenden] Partei gemäß dem sittenwidrigen Zahlungsplan“. In weiterer Folge brachten sie vor, die Klägerin hätte aus den Titeln des Schadenersatzes und der Bereicherung zumindest 52.250 EUR zurückzuzahlen. Wenn – laut gerichtlichem Sachverständigen – 47 % der Gesamtauftragssumme von 825.000 EUR von der Klägerin an Leistung erbracht worden seien, ergebe dies einen Betrag von 387.750 EUR. Die Beklagten hätten aber bereits 440.000 EUR (inkl der behaupteten Barzahlung von 50.000 EUR) gezahlt, sodass eine Überzahlung von 52.250 EUR vorliege. Schließlich bezifferten die Beklagten die Neuerstellung der nicht verwendbaren Pläne, die Neuerrichtung der Baustelle, die Beseitigung der Mängel, die Mehrkosten für die Errichtung der Garage, des Flugdaches, Pools und sonstiger Außenanlagen, sowie weiterer nicht fertig gestellter Rohbauarbeiten vorbehaltlich einer Ausmittlung durch einen Sachverständigen vorerst mit 32.750 EUR. Eine Aufschlüsselung erfolgte nicht.
[5] Die Klägerin und die Nebenintervenientin bestritten die Gegenforderungen und wandten mehrfach die Unschlüssigkeit des Widerklagebegehrens ein.
[6] Das Erstgericht erkannte im führenden Verfahren (Spruchpunkt I.) die Klagsforderung als mit 109.074,84 EUR zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend an und gab dem Klagebegehren mit 109.074,84 sA statt. Das Mehrbegehren von 38.955,30 EUR sA wies es ab. Im verbundenen Verfahren über die Widerklage (Spruchpunkt II.) wies das Erstgericht das Klagebegehren der Beklagten (Widerkläger) ab.
[7] Die Abweisung des Widerklagebegehrens (und das Nichtzurechtbestehen der Gegenforderung im führenden Verfahren) begründete es damit, dass die Beklagten nicht nachweisen hätten können (das Erstgericht traf in diesem Zusammenhang eine negative Feststellung), dass sie eine Barkaution von 50.000 EUR an die Klägerin geleistet hätten. Die Preiserhöhung von 18.000 EUR brutto sei ohne Bezugnahme auf bestimmte erhöhte Angebote vereinbart worden, sodass die Beklagten keinen Anspruch auf eine Rückzahlung derselben hätten. Die geltend gemachten und eingewandten Schadenersatzforderungen seien schon deshalb nicht berechtigt, weil die Beklagten unberechtigt vom Werkvertrag zurückgetreten seien und somit der Klägerin keine Gelegenheit gegeben hätten, die behaupteten Mängel zu verbessern.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung beider Parteien gegen die Entscheidung im führenden Verfahren Folge, hob das Ersturteil in dessen Spruchpunkt I. zur Gänze auf und trug dem Erstgericht insofern die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihres Widerklagebegehrens (Spruchpunkt II. des Ersturteils) gab es nicht Folge.
[9] In seiner Entscheidung über die Widerklage teilte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass die Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung einer Barkaution von 50.000 EUR hätten. Der – in der Berufung nur mehr auf Schadenersatz gestützte – Klagsbetrag von 35.000 EUR sei nicht berechtigt, weil die Beklagten diesen als Pauschalbetrag geltend gemachten Schadenersatzbetrag nie aufgeschlüsselt hätten. Da die Prozessgegner im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach die Unschlüssigkeit des Widerklagebegehrens eingewendet hätten, habe es auch keiner richterlichen Anleitung gemäß § 182a ZPO bedurft.
[10] Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.
[11] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhoben beide Parteien eine außerordentliche Revision. Die Klägerin bekämpft die „Abweisung“ des Mehrbegehrens im führenden Verfahren und beantragt, der Klage zur Gänze stattzugeben. Die Beklagten bekämpfen die Bestätigung der Abweisung des Widerklagebegehrens und streben in diesem Umfang eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen an.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur „außerordentlichen Revision“ der Klägerin:
[12] Hat das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen, ist nur dann ein Rekurs (und keine Revision) zulässig, wenn es dabei ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (§ 519 Abs 1 Satz 2 ZPO). Hat das Berufungsgericht – wie hier – keinen Rechtskraftvorbehalt gesetzt, ist die aufhebende Entscheidung des Berufungsgerichts unanfechtbar (RS0043880).
[13] Die unzulässige „außerordentliche Revision“ der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
II. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:
[14] 1. Die Beklagten begründen die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels damit, dass dem Berufungsgericht insofern eine Fehlbeurteilung unterlaufen sei, als es nicht erkannt habe, dass dem Widerklagebegehren keine Schadenersatzansprüche aus Gewährleistung zugrunde lägen, sondern ein aus der Auflösung des Werkvertrags resultierender schadenersatzrechtlicher Differenzanspruch, der jene Schäden decken sollte, die sie in ihrem Vorbringen aufgelistet und den sie mit 35.000 EUR beziffert haben. Entgegen der ständigen Judikatur habe das Berufungsgericht bei angenommener Unschlüssigkeit der Klage keine Erörterung des Schadenersatzanspruchs verlangt.
[15] 2. Mit diesen Ausführungen zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[16] 3. Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist und auf welchen Rechtstitel ein Anspruch gestützt wird, kommt regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828 [T3, T24, T27]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11, T31]). Dies ist hier nicht der Fall, weil das – großteils unkonkretisiert – gebliebene Vorbringen der Beklagten verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulässt.
[17] 4. Abgesehen davon zielen die Revisionsausführungen darauf ab, dass ein pauschaler Schadenersatz zur Abdeckung ganz unterschiedlicher Schäden begehrt wird. Nach der Rechtsprechung ist vom Kläger aber klarzustellen, welche der einzelnen Schadenspositionen und in welchem Umfang der geltend gemachte Pauschalbetrag erfasst. Ohne Aufschlüsselung ist es nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung zu bestimmen und die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen endgültig abgesprochen wurde (vgl 4 Ob 168/12b Pkt 1.2.; RS0031014 [T9, T31]).
[18] 5.1. Die Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht fällt nicht unter den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (wie hier in der außerordentlichen Revision der Beklagten geltend gemacht), sondern unter jenen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RS0037095 [T11]). Die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittelgrundes schadet hier aber nicht, weil die Rechtsmittelausführungen den Beschwerdegrund deutlich erkennen lassen (vgl RS0041851). Eine erfolgreiche Geltendmachung der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als Folge eines Verstoßes gegen die §§ 182, 182a ZPO setzt aber voraus, dass die Partei die Relevanz des Mangels darlegt und das Unterlassene nachholt (RS0037095 [T19]). Dies ist in der außerordentlichen Revision aber unterblieben.
[19] 5.2. Im Übrigen ist es zwar richtig, dass den Parteien grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden muss, ein unschlüssiges Begehren schlüssig zu stellen (RS0037300 [T29, T36]). Nach der Rechtsprechung bedarf es jedoch dann keiner richterlichen Anleitung zur Schlüssigstellung und Erstattung eines weiteren Vorbringens, wenn der Prozessgegner auf die Unschlüssigkeit der Klage bereits hingewiesen hat (7 Ob 22/23w Rz 19 mwN; RS0122365 [T5, T8]). Angesichts solcher – hier von der Klägerin und der Nebenintervenientin erhobener – Einwendungen hätten die Beklagten ihren Prozessstandpunkt selbst überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen ziehen müssen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (1 Ob 188/23p Rz 14).
[20] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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