European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00019.24D.0911.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Finanzstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* jeweils eines Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I) und des Abgabenbetrugs nach §[§ 33 Abs 1,] 39 Abs 1 lit a FinStrG (iVm mit der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2019/62; II) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vom 28. Februar 2009 bis zum 26. September 2019 zu den strafbaren Handlungen des Geschäftsführers der e* GmbH (im Folgenden e*), der im Bereich des (ehemaligen) Finanzamts St. Pölten Lilienfeld unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten jeweils durch Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung Verkürzungen an Körperschaftsteuer, nämlich
(I) für das Jahr 2009 um 24.154,75 Euro und
(II) für die Jahre 2010 bis 2019 unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich sogenannter Scheinrechnungen, eines Einzelunternehmens über 2.226.730,86 Euro, denen tatsächlich nur Leistungen im Gesamtwert von 260.828,36 Euro zugrunde lagen, um (im angefochtenen Urteil nach Veranlagungsjahren aufgegliedert) zusammen 467.320,88 Euro
bewirkte, dadurch beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG), dass er als für die Prüfung und die Freigabe von Eingangsrechnungen verantwortlicher Angestellter der e* in zahlreichen Angriffen die auf (inhaltlich unrichtigen) Rechnungen des betreffenden Einzelunternehmens angegebenen Beträge zur Auszahlung oder Überweisung freigab.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Den Urteilsfeststellungen zufolge gab der Beschwerdeführer die auf „Scheinrechnungen“ ersichtlichen Beträge zur Auszahlung frei, sodass diese bei der e* aufwandswirksam verbucht und in der jeweiligen Jahressteuererklärung gewinnmindernd veranschlagt wurden, wodurch die Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2019 mit bereits in Rechtskraft erwachsenen (Erst‑)Bescheiden der Abgabenbehörde um zusammen 491.475,63 Euro zu niedrig festgesetzt worden ist (US 5 f).
[5] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ihre Argumentation nicht auf der Basis dieser Konstatierungen, sondern aus der Behauptung entwickelt, eine Abgabenverkürzung sei mangels rechtskräftiger Bescheide nicht bewirkt worden, verfehlt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[6] Überdies legt sie (teils nominell aus Z 9 lit b StPO) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb
- der durch die – im Umfang von 1.965.902,50 Euro ohne zugrundeliegende Gegenleistung erfolgte (US 5) – Auszahlung der Rechnungsbeträge bewirkte Schaden der e* als die Körperschaftsteuer reduzierende Betriebsausgabe abzugsfähig sein (vgl demgegenüber Kirchmayr/Bodis/Hammerl in Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12 Rz 268 und 644),
- der Zeitpunkt der Aufnahme der (aus den ungerechtfertigten Auszahlungen der Rechnungsbeträge resultierenden) Forderungen der e* gegen den Beschwerdeführer in die Bilanz der Gesellschaft subsumtionsrelevant sein und
- eine (hypothetisch behauptete) „Doppelbesteuerung“ den Schuldspruch mit Nichtigkeit belasten
sollte.
[7] Mit dem Einwand eines „nicht vorwerfbare[n] Rechtsirrtum[s] im Sinne des § 9 StGB“ infolge mangelnder Vertrautheit des Beschwerdeführers mit der „Problematik der Körperschaftssteuer“ bestreitet die weitere Rüge (Z 9 lit b) – der Sache nach – bloß die Feststellungen (US 6) zum subjektiven Handlungselement (vgl RIS‑Justiz RS0132727). Solcherart hält sie – erneut prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) – nicht am Urteilssachverhalt (vgl auch US 14) fest.
[8] Gleiches gilt für die Behauptung strafbefreiender Selbstanzeige (§ 29 FinStrG), die zum einen die Feststellungen zur Unvollständigkeit der Selbstanzeige (US 7 f) bezweifelt und zum anderen außer Acht lässt, dass das Erstgericht auch von mangelnder Rechtzeitigkeit infolge bereits gesetzter Verfolgungshandlungen sowie (dem Anzeiger bekannter) Entdeckung der Tat ausging (US 14). Allfällige Mängel der Selbstanzeige gehen im Übrigen – ohne dass insoweit ein Verschulden Voraussetzung wäre – zu Lasten des Täters (RIS‑Justiz RS0106202).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, die auch zutreffend auf einen (dem Angeklagten ausschließlich zum Vorteil gereichenden) Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) im Schuldspruch II hinweist – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[10] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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