European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00120.24X.0910.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger wurde bei unter Anleitung des Erstbeklagten, einem vom Eigentümer des Waldes mit Holzbringungsarbeiten beauftragten Unternehmer, durchgeführten Forstarbeiten schwer verletzt. Bei den Arbeiten war unter anderem ein vom Erstbeklagten gehaltener und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherter Traktor im Einsatz.
[2] Die Vorinstanzen wiesen das Schadenersatzbegehren des Klägers übereinstimmend ab.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht auf:
[4] 1. Ob der Kläger beim Unfall in den für ihn fremden Betrieb des Erstbeklagten eingegliedert war und daher das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG zur Anwendung kommt, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls und begründet daher in aller Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 97/24i Rz 4 mwN). Eine im Rahmen der Behandlung einer außerordentlichen Revision aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt der Kläger aus folgenden Gründen nicht auf:
[5] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung gilt das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG auch bei Unfällen, die durch § 176 Abs 1 Z 6 ASVG Arbeitsunfällen gleichgestellt sind (zuletzt 2 Ob 205/23w Rz 5 mwN). Dies trifft auf solche Unfälle zu, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit des Verletzten ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt. Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit ist wesentlich, dass es sich um eine ernstliche, dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche, wirtschaftlich als Arbeit zu wertende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, und durch die ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird (2 Ob 33/21y Rz 15 mwN). Entscheidend ist damit das Tätigwerden des Verletzten in der Sphäre (im Aufgabenbereich) des Unternehmers (2 Ob 205/23w Rz 7 mwN).
[6] Auf die Beweggründe des Tätigwerdens kommt es hingegen nicht an. Der Eingliederung in den fremden Betrieb steht auch nicht entgegen, dass die Mithilfe nicht aufgrund einer Aufforderung des Unternehmers, sondern freiwillig und aus bloßer Gefälligkeit erfolgte. Wesentlich ist bei der Verrichtung des Gefälligkeitsdienstes nur, dass die Tätigkeit ihrer Art nach einer abhängigen Beschäftigung entspricht und dass sie nicht zum eigenen betrieblichen Aufgabenbereich des Verletzten gehört (RS0083555 [insb auch T19]). Nicht erforderlich ist, dass es sich um eine dauernde Tätigkeit handelt, auch eine kurzfristige und vorübergehende Eingliederung in den Betrieb kann ausreichen (2 Ob 33/21y Rz 16 mwN).
[7] 1.2. Auf dieser Grundlage ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Kläger wäre in den Betrieb des Erstbeklagten eingegliedert gewesen, nicht korrekturbedürftig. Dass der Kläger ohne Entlohnung im Rahmen der Nachbarschaftshilfe auf Ersuchen des Waldeigentümers tätig wurde, steht der Annahme seiner Eingliederung in den Betrieb des Erstbeklagten vor dem Hintergrund der soeben dargestellten Rechtsprechung nicht entgegen.
[8] Sekundäre Feststellungsmängel liegen in diesem Zusammenhang nicht vor, weil das Erstgericht für die rechtliche Beurteilung ausreichende Feststellungen getroffen hat (Rz 31 bis 37 des Ersturteils). Nach diesen war der Kläger dem Erstbeklagten weisungsgebunden, gab der Erstbeklagte die jeweils notwendigen Arbeitsschritte vor und übernahm der Kläger als vom Eigentümer des Waldes beigestellter Helfer Arbeiten, die anderenfalls vom Erstbeklagten angestellte Personen übernehmen hätten müssen.
[9] 2. Die Vorinstanzen haben die Anwendbarkeit des § 333 Abs 3 ASVG mit der wesentlichen Begründung verneint, dass der Traktor als ortsgebundene Kraftquelle im Einsatz gewesen sei. Auch in diesem Zusammenhang zeigt der Kläger keine wahrzunehmende Fehlbeurteilung auf:
[10] 2.1. Gemäß § 333 Abs 3 ASVG ist das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG nicht anzuwenden, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Der Dienstgeber haftet nur bis zur Höhe der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme, es sei denn, dass der Versicherungsfall durch den Dienstgeber vorsätzlich verursacht worden ist.
[11] Die Ausnahmeregelung des § 333 Abs 3 ASVG setzt voraus, dass der zu ersetzende Schaden von einer Haftpflichtversicherung – worunter die obligatorische Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zu verstehen ist – gedeckt ist (RS0085140 [insb auch T5]).
[12] 2.2. An einer solchen tatsächlichen Deckung (2 Ob 215/17g Punkt 8. mwN) fehlt es, wenn sich ein Sachverhalt verwirklicht, für dessen Eintreten der Haftpflichtversicherer – wie im vorliegenden Fall – zulässiger Weise (§ 4 Abs 1 Z 4 KHVG in der hier anzuwendenden Fassung vor dem KraftVerÄG 2023) – seine Haftung ausgeschlossen hat.
[13] Der Ausschluss des Versicherungsschutzes bei Verwendung eines Fahrzeugs „als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken“ erfasst sämtliche auf „gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen“ beruhende Anspruchsgrundlagen, worunter sowohl jene des EKHG als auch die Schadenersatznormen des ABGB zu verstehen sind. Hintergrund dieses Haftungsausschlusses ist das Abweichen vom eigentlichen Zweck des Fahrzeugs. Maßgebend ist dabei nicht nur die vorübergehende Aufhebung der Fahrbarkeit, sondern vor allem die Betätigung der Motorkraft des Fahrzeugs für einen Arbeitsvorgang außerhalb desselben, der mit den für das Kraftfahrzeug typischen Funktionen nicht im Zusammenhang steht (2 Ob 236/18x Punkte 1.3. und 2.2. mwN).
[14] 2.3. Einen Einsatz des Traktors als ortsgebundene Kraftquelle hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage in nicht korrekturbedürftiger Weise bejaht, wenn es in vertretbarer Auslegung der erstinstanzlichen Feststellungen von faktischer Aufhebung der Fahrbarkeit des Traktors und Betätigung der Motorkraft für den außerhalb des Fahrzeugs gelegenen und mit den für das Kraftfahrzeug typischen Funktionen nicht im Zusammenhang stehenden Betrieb eines Mastseilgeräts ausgegangen ist.
[15] 3. Insgesamt war die außerordentliche Revision damit zurückzuweisen.
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