European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00060.24A.0905.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen der unbefugten Bildaufnahmen nach § 120a Abs 2 StGB (II./) sowie im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I./) sowie jeweils mehrerer Vergehen der unbefugten Bildaufnahmen nach § 120a Abs 2 StGB (II./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vom 31. Mai 2022 bis zum 23. Juli 2023 in W*
I./ außer den Fällen des § 201 StGB * M* mittels Videotelefonie durch gefährliche Drohung zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen genötigt, nämlich
1./ durch die Äußerung, er werde jemanden beauftragen, ihre Schwester zu sexuellen Handlungen zu missbrauchen, wenn sie seinen Aufforderungen, sich selbst zu befriedigen und einen Finger in ihren Anus einzuführen, nicht nachkomme, sohin durch gefährliche Drohung mit der Verletzung einer Sympathieperson am Körper und an der Freiheit, dazu, sich selbst zu befriedigen und einen Finger in ihren Anus einzuführen;
2./ durch die Äußerung, er werde Fotos, die sie bei der Selbstbefriedigung zeigen, „in Facebook posten“, wenn sie seinen Aufforderungen, sich selbst zu befriedigen und einen Finger in ihren Anus einzuführen, nicht nachkomme, sohin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, dazu, sich selbst zu befriedigen und einen Finger in ihren Anus einzuführen;
3./ durch die Äußerung, alle ihre Freunde von Kabul bis Österreich und ihre Familie werden die Fotos, die sie bei der Selbstbefriedigung zeigen, in „Facebook“ sehen, wenn sie seinen Aufforderungen, ihre Brust abzuschlecken, nicht nachkomme, sohin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, dazu, ihre eigene Brust abzuschlecken;
II./ absichtlich Bildaufnahmen der Genitalien und der Schamgegend von * M*, die sich in einer Wohnstätte befand, ohne deren Einwilligung hergestellt und diese Bildaufnahmen ohne Einwilligung der Genannten
1./ in zwei Angriffen auf der sozialen Plattform „Facebook“ veröffentlicht,
2./ in zumindest drei Angriffen einem Dritten zugänglich gemacht, indem er sie an deren Bruder * A* sendete;
III./ andere vorsätzlich mit zumindest einer Verletzung an ihrem oder am Körper einer Sympathieperson gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, nämlich
1./ * M* durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihren Bruder umbringen oder umbringen lassen,
2./ * M* durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihre Schwester vergewaltigen oder jemanden hierfür bezahlen,
3./ * A* durch die sinngemäße Äußerung, dass er ein großes Messer zu Hause habe und dieses auch benützen würde, er müsse aufpassen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Der Kritik der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht hinreichend mit den als glaubwürdig beurteilten Angaben des Zeugen A* (vgl US 8 f) auseinandergesetzt. Dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend war es nicht verpflichtet, den vollständigen Inhalt dieser Aussage im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht (RIS‑Justiz RS0098377 [insbesondere T24]).
[5] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen zu den Angaben der Zeugen * A* und * M* beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Vielmehr wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II./ (nominell auch Z 5 erster Fall) vermisst „Feststellungen zur Wissenskomponente“. Sie leitet jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb solche über die Konstatierungen, wonach es dem Beschwerdeführer darauf ankam, die inkriminierten Bilder gegen den Willen der Abgebildeten herzustellen, während sich diese in ihren Wohnräumlichkeiten befand (US 5), für die rechtsrichtige Subsumtion nach § 120a Abs 1 StGB erforderlich sein sollten.
[7] Im Übrigen ist zur Annahme einer Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) eine – über die begriffslogisch notwendigerweise damit verbundene (und demzufolge mit ihrer Feststellung subintelligierte) Vorstellung des Täters vom gewollten Tatumstand hinausgehende – spezifische Ausprägung des intellektuellen Vorsatzelements im StGB nicht vorgesehen (RIS‑Justiz RS0089297).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[9] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil im Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen der unbefugten Bildaufnahmen nach § 120a Abs 2 StGB (II./) ein dem Angeklagten zum Nachteil gereichender Rechtsfehler (Z 9 lit a) anhaftet, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[10] Den Tatbestand des § 120a Abs 1 StGB erfüllt, wer absichtlich eine Bildaufnahme der Genitalien, der Schamgegend, des Gesäßes, der weiblichen Brust oder der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person, die diese Bereiche gegen Anblick geschützt hat oder sich in einer Wohnstätte oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, ohne deren Einwilligung herstellt. Abs 2 des § 120a StGB stellt das Zugänglich-Machen oder die Veröffentlichung einer Bildaufnahme im Sinn des Abs 1 der Bestimmung unter Strafe.
[11] Nach den Feststellungen hat der Angeklagte von ihm angefertigte Screenshots der von * M* via Videotelefonie in Echtzeit selbst von ihren Genitalien und ihrer Schamgegend hergestellten (abgenötigten und solcherart widerrechtlich verschafften) Bildaufnahmen (US 4) an deren Bruder weitergeleitet und auf „Facebook“ veröffentlicht (US 5). Das solcherart konstatierte Anfertigen von Bildaufnahmen von – jeweils bereits vorhandenen – Bildaufnahmen (vgl zum Begriff Thiele/Wagner SbgK § 120a Rz 30) der in § 120a Abs 1 StGB angeführten Körperteile erfüllt jedoch den Tatbestand der genannten Norm nicht. Damit kommt auch die Subsumtion nach Abs 2 leg cit nicht in Betracht (vgl dazu grundsätzlich Lewisch/Reindl-Krauskopf in WK² StGB § 120a Rz 11; aA zu sogenannten „Selfies“Thiele/Wagner SbgK § 120a Rz 32).
[12] Eine ausreichende Feststellungsbasis für die rechtliche Beurteilung, ob die vom Schuldspruch II./ umfassten Tathandlungen den Tatbestand des Vergehens der Datenverarbeitung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht nach § 63 zweiter Fall DSG verwirklichen (siehe zum Konkurrenzverhältnis Lewisch/Reindl-Krauskopf in WK² StGB § 120a Rz 12), enthält das angefochtene Urteil nicht.
[13] Dies erforderte die Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Tenor ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung und die Verweisung des Verfahrens in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm 285e StPO).
[14] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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