European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00038.24X.0709.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht stellte im Zeitraum 1. November 2000 bis 31. Juli 2017 65 Monate als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV und im Zeitraum 1. August 2017 bis 31. Oktober 2020 weitere 39 Monate als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV fest. Die Begehren, in der Zeit von Jänner 2010 bis Oktober 2020 zusätzliche Schwerarbeitszeiten festzustellen und ihm (darauf aufbauend) eine Schwerarbeitspension in gesetzlicher Höhe zu zahlen, wies es ab.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Der qualifiziert vertretene Kläger habe sich im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich darauf gestützt, Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV erworben zu haben. Dass im maßgeblichen Zeitraum auch Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV vorlägen, habe der Kläger dagegen nicht behauptet. Obwohl die beklagte Pensionsversicherungsanstalt von sich aus 39 Monate als Schwerarbeitszeiten gemäß § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV anerkannt habe, habe er auch kein in diese Richtung weisendes Vorbringen erstattet. Wenn er daher erstmals in der Berufung Vorbringen in Bezug auf § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV erstatte, verstoße das gegen das Neuerungsverbot.
Rechtliche Beurteilung
[3] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[4] 1. Die Beurteilung, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, und auf welchen Rechtstitel ein Anspruch gestützt wird, sind Fragen des Einzelfalls (RS0042828; RS0113563). Darauf aufbauend geht auch der Beantwortung der Frage, ob eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, in ihrer Bedeutung nicht über den konkreten Fall hinaus (RS0042828 [T35]; RS0044273 [T61]). Sofern keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegt, kommt allen diesen Fragen keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu.
[5] 2. Nach der ständigen Rechtsprechung ist das Gericht gemäß § 87 Abs 1 ASGG zur amtswegigen Prüfung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen verpflichtet, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Akteninhalt Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben (RS0086455; RS0042477 [T6, T10]). Sind die Parteien schon in erster Instanz qualifiziert vertreten, wird diese Pflicht allerdings durch das Parteivorbringen begrenzt (RS0109126; RS0086455 [T6]; RS0042477 [T8, T14]). Im Rechtsmittelverfahren gilt ausnahmslos das Neuerungsverbot (RS0042049).
[6] 3. Der Kläger meint, das Berufungsgericht habe die von ihm vorgebrachte und auch festgestellte Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass er im maßgeblichen Zeitraum (2010 bis 2020) stets gleichartige Tätigkeiten ausgeübt habe. Das sowie der Umstand, dass er mit der Beklagten erklärtermaßen Ruhen des Verfahrens vereinbart habe, um den Ausgang des von ihm eingeleiteten Meldeprüfungsverfahrens bei der BUAK abzuwarten, hätte das Erstgericht zum Anlass nehmen müssen, amtswegig zu prüfen, ob nicht nur zwischen August 2017 und Oktober 2020, sondern auch schon davor (Jänner 2010 bis Juli 2017) Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV vorliegen. Damit überzeugt er nicht:
[7] Nachdem der Kläger zunächst konkrete Monate des hier relevanten Zeitraums Jänner 2010 bis Juli 2017 ausdrücklich als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 der SchwerarbeitsV genannt hatte, brachte er unter Bezugnahme auf das erstattete berufskundliche Gutachten in der Folge (wiederum explizit) vor, in diesem Zeitraum seien alle Monate als Schwerarbeitsmonate iSd § 1 Abs 1 Z 4 der SchwerarbeitsV zu werten, in denen er an mindestens 15 Tagen mindestens zwölf Stunden gearbeitet habe. Zuletzt – nach Fortsetzung des (wegen des von ihm eingeleiteten Meldeprüfungsverfahrens bei der BUAK) unterbrochenen Verfahrens – gab er bekannt, auch nach Ergänzung des berufskundlichen Gutachtens keine weiteren Schwerarbeitsmonate bezeichnen zu können.
[8] Wenn das Berufungsgericht angesichts dieses Vorbringens davon ausgeht, dass sich damit weder der Kläger auf Tätigkeiten gestützt hat, für die Zuschläge nach §§ 21, 21a BUAG zu leisten waren (§ 1 Abs 2 SchwerarbeitsV), noch daraus (konkrete) Anhaltspunkte für eine amtswegige Prüfung dieser Voraussetzungen ergeben, bedarf das keiner Korrektur im Einzelfall.
[9] 4. Dass auf Grundlage der festgestellten Schwerarbeitszeiten ein Anspruch auf Schwerarbeitspension (Stichtag: 1. November 2020) nicht besteht (§ 4 Abs 3 Z 1 APG; § 607 Abs 14 ASVG), bestreitet der Kläger nicht.
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