European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00106.23X.0626.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiete: Finanzstrafsachen, Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
‑ in den Schuldsprüchen I A 1 b und c der K* S* sowie II B und II C der H* S* je wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit b FinStrG idgF,
‑ in den Schuldsprüchen I A 2 der K* S* und II D der H* S* je wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF),
‑ im Schuldspruch I B 1 bis 6 der K* S* wegen mehrerer Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG,
‑ im Schuldspruch I B 7 bis 37 der K* S* wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF) sowie
‑ in den Schuldsprüchen III beider Angeklagter je wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 und § 15 (iVm § 161 Abs 1) StGB,
demgemäß auch in den Strafaussprüchen beider Angeklagter (einschließlich der Vorhaftanrechnung) nach dem FinStrG (einschließlich der Aussprüche der Strafe des Wertersatzes sowie der zu diesen festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen) und nach dem StGB sowie im Adhäsionserkenntnis
aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden des Zollamts Österreich sowie jene der beiden Angeklagten, soweit sich letztgenannte gegen die aufgehobenen Schuldsprüche sowie die Strafaussprüche wenden, werden auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten im Übrigen werden zurückgewiesen.
Die Angeklagten, die Staatsanwaltschaft und das Zollamt Österreich werden mit ihren Berufungen auf die Aufhebung verwiesen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung –
K* S* mehrerer Vergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 11 dritter Fall FinStrG (I A 1 a und I B 1 bis 6), je eines Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit b FinStrG idgF (I A 1 b und c), nach §§ 11 dritter Fall, 13, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF, I A 2) und nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF, I B 7 bis 37) sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 und § 15 StGB (zu ergänzen) iVm § 161 Abs 1 StGB (III) und
H* S* mehrerer Vergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, FinStrG (II A), je eines Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit b FinStrG idgF (II B und C) und nach §§ 11 dritter Fall, 13, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF, II D) sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 und § 15 StGB (zu ergänzen) iVm § 161 Abs 1 StGB (III)
schuldig erkannt.
[2] Danach haben
(I) K* S*
A) vorsätzlich dazu beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG), dass der abgesondert verfolgte M* S* im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Zollamts St. Pölten Krems Wr. Neustadt (1) sowie des (ehemaligen) Finanzamts Neunkirchen Wr. Neustadt (2) als steuerlich verantwortlicher Geschäftsführer (US 17) der AN* GmbH unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Abgaben, und zwar
1) an Mineralölsteuer durch Unterlassen von deren Anmeldung, Selbstberechnung und Selbstabfuhr zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen (a und b) sowie durch Erwirken der Erstattung der Steuer nach § 46 Abs 1 lit a MinStG in der zur Tatzeit geltenden Fassung mittels wahrheitswidriger Vorgabe des Vorliegens der dafür erforderlichen Voraussetzungen (c) bewirkte, nämlich
a) für jeden einzelnen der Kalendermonate September 2010 bis November 2010um (im Ersturteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 3.914.535,92 Euro,
b) für den Februar 2011 um 428,83 Euro und
c) für jeden einzelnen der Kalendermonate September 2012 bis Juni 2013 um (im Ersturteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 6.152.335,97 Euro sowie
2) an Körperschaftsteuer zu bewirken versuchte, nämlichdurch Abgabe von zufolge Nichterfassens von Gewinnen „aufgrund verdeckter Ausschüttungen“ unrichtigen Jahressteuererklärungen
a) für das Jahr 2010 um 38.599 Euro,
b) für das Jahr 2011 um 197.137,64 Euro und
c) für das Jahr 2013 um 167.003,79 Euro,
wobei er falsche Urkunden und Beweismittel sowie Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen (§ 23 BAO) verwendete, und zwar betreffend Zolltarif, Abladeort, Versender und Empfänger inhaltlich unrichtige CMR‑Frachtbriefe, fingierte Geschäfte und Rechnungen sowie gefälschte Zollstempel,
indem sie als Geschäftsführerin der G* GmbH die Produkte der AN* GmbH im europäischen Ausland vertrieb, die Abholung der Ware durch die Abnehmer aus dem Steuerlager in W* organisierte, mit dem abgesondert verfolgten M* S* zusammenarbeitete, ihn im Falle seiner Abwesenheit vertrat und mit ihm betriebliche Informationen austauschte und Kundenkontakte wahrnahm, „wobei sie den Abgabenbetrug zu Punkt I. A)1.b und c mit einem EUR 500.000,00 übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag beging“, und weiters
B) im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Finanzamts Neunkirchen Wr. Neustadt „als Gesellschafterin“ der AN* GmbH vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Kapitalertragsteuer bewirkt, indem sie die ihr zugeflossenen Ausschüttungen und die sich daraus ergebende selbst zu berechnende und abzuführende Kapitalertragsteuer nicht einbehalten und nicht binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abgeführt hat, und zwar für jeden einzelnen der Kalendermonate Juli 2010 bis Dezember 2010 um (im Ersturteil nach Monaten aufgegliedert) insgesamt1.157,98 Euro (1 bis 6) und für jeden einzelnen der Kalendermonate Jänner 2011 bis Juli 2013 um (im Ersturteil nach Monaten aufgegliedert) insgesamt 28.750,12 Euro (7 bis 37), sowie
(II) H* S* vorsätzlich zu den oben unter I A 1 a (A), I A 1 b (B), I A 1 c (C) und I A 2 (D) dargestellten Handlungen des abgesondert verfolgten M* S* beigetragen (§ 11 dritter Fall FinStrG), indem sie den Genannten und K* S* beim Geschäftsbetrieb unterstützte und sie im Falle ihrer Abwesenheit in sämtlichen geschäftlichen Belangen vertrat, die Buchhaltung für die AN* GmbH und die G* GmbH führte und gemeinsam mit K* S* die Abholung der Ware durch die Abnehmer aus dem Steuerlager in W* organisierte, „wobei sie den Abgabenbetrug zu Punkt II. B) und C) mit einem EUR 500.000,00 übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag beging“, weiters
(III) K* S* und H* S* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit den abgesondert verfolgten M* S* und Ing. * R* in W* und B* Bestandteile des Vermögens der AN* GmbH beiseite geschafft oder deren Vermögen sonst verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft oder wenigstens eines von ihnen, nämlich der Republik Österreich, vereitelt oder geschmälert, wobei sie durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführten, und zwar
A) vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2013 durch unangemessen hohe und nicht fremdübliche Mietzinszahlungen von zumindest 988.680 Euro netto an die N* LDA,
B) vom 1. September 2010 bis zum 30. Juni 2013 durch unangemessen hohe und nicht fremdübliche Mietzinszahlungen von zumindest 1.050.328 Euro netto an die M* LDA,
C) vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Mai 2013 durch Zahlung von insgesamt 181.893,54 Euro für fingierte Analysen an die A* GmbH,
D) vom 25. Juni 2010 bis zum 30. Juni 2013 durch Zahlung von insgesamt 257.437,80 Euro an Abwicklungsprovisionen, denen keine oder keine adäquate Leistung gegenüberstand, an die G* GmbH,
E) vom 25. Jänner 2012 bis zum 30. Juni 2012, indem sie für den Ankauf von 23 Stahltanks zu Gunsten der G* GmbH (US 32) einen tatsächlich nicht erforderlichen Mehraufwand von 411.204,25 Euro generierten, wobei es teilweise beim Versuch blieb,
F) im Mai 2012 durch Vorspiegelung der Gewährung eines Darlehens über 1.000.000 Euro seitens der AN* GmbH an die Q* FZE sowie
G) vom 31. Jänner 2012 bis zum 30. Juni 2013 durch Zahlungen für fingierte Werbung in der Gesamthöhe von 388.500 Euro an die G* GmbH (US 31).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5, 9 lit a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten sowie die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Zollamts Österreich.
[4] Weiters bekämpfen die Angeklagten mit gemeinsam ausgeführten Beschwerden den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffensenats vom 1. August 2023 (ON 1116), mit dem ihre Anträge auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (ON 1115) abgewiesen wurden.
[5] In Ansehung des Protokolls über die Hauptverhandlung am 23. Jänner 2023 (ON 940) kritisieren die Beschwerdeführerinnen, dass ihnen am 3. März 2023 eine nur 70 Seiten umfassende Ausfertigung zugestellt worden sei und sie erst am 8. März 2023 eine 103 Seiten umfassende Ausfertigung erhalten hätten, ohne dass ihnenmitgeteilt worden sei, welche der beiden nun „verfahrensgegenständlich“ sei.
[6] Betreffend die Protokolle über die Hauptverhandlung am 28. März 2023 (ON 994) und am 30. März 2023 (ON 996) vermissen sie die Anführung der Namen der Angeklagten, deren Vertreter, der Mitglieder des Schöffengerichts sowie des Schriftführers, betreffend das Protokoll über die Hauptverhandlung am 25. Mai 2023 (ON 1064) die Anführung der G* GmbH als belangten Verband.
[7] Zum Protokoll über die Hauptverhandlung am 22. Mai 2023 (ON 1060) machen die Beschwerdeführerinnen die fehlende und fehlerhafte Anführung des Namens zweier Kunden in der Aussage der Angeklagten K* S* geltend.
Zur amtswegigen Maßnahme:
[8] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – mehrfach nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit (nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) anhaftet, die denAngeklagten zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
I) Zu den Schuldsprüchen nach dem FinStrG:
[9] Betreffend die Verkürzung von Körperschaftsteuer (Schuldsprüche I A 2 und II D) traf das Erstgericht lediglich die nicht näher substantiierten Feststellungen, wonach die Körperschaftsteuer vom abgesondert verfolgten M* S* „entsprechend dem Tatplan der K* S* und H* S* weder erklärt noch entrichtet wurde“ und wonach die beiden Angeklagten wussten, „wofür die unter Punkt III. des Urteilsspruches festgestellten Scheinrechnungen und ‑handlungen dienten und, dass dadurch der Gewinn auch widerrechtlich geschmälert wurde und keine KÖSt erklärt und abgeführt wurde“, und sie dies auch wollten sowie, dass sie „mit dem Wissen und Wollen“ handelten, dass „durch Scheinrechnungen und -handlungen die Körperschaftssteuer im genannten Umfang hinterzogen wurde und sie einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten“ (US 25 f). Diese Urteilskonstatierungen vermögen die rechtliche Beurteilung, dass die beiden Angeklagten ein konkretes, die Ausführung der Tat durch M* S* ermöglichendes, erleichterndes, absicherndes oder in anderer Weise förderndes Verhalten gesetzt hätten (vgl Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 87), nicht zu tragen.
[10] Hinsichtlich der Verkürzung von Kapitalertragsteuer (I B) durch die Angeklagte K* S* sieht das Erstgericht verdeckte Gewinnausschüttung als Grundlage der Abgabepflicht an (vgl US 24 f). Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben (vgl Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16 § 27 Rz 39 f). Verdeckte Gewinnausschüttungen setzen definitionsgemäß eine Vorteilszuwendung einer Körperschaft an eine Person mit Gesellschafterstellung voraus. Anmeldungs- und abgabepflichtig in Bezug auf die Kapitalertragsteuer ist hier der Schuldner der Kapitalerträge (§ 96 Abs 1 Z 1 lit a, Abs 3 erster Satz EStG iVm § 95 Abs 2 Z 1 lit a EStG), also die GmbH. Unmittelbarer Täter im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG ist insoweit daher die zu deren Vertretung berufene Person (Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 32).
[11] Den Urteilsfeststellungen ist jedoch zu keinem der vom Erstgericht als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilten Geldflüsse eine in der Anteilsinhaberschaft wurzelnde Zuwendung an einen Anteilsinhaber zu entnehmen. Vielmehr flossen die Gelder nach den Konstatierungen an (Kapital-)G esellschaften, nämlich die N* LDA (US 27 f), die M* LDA (US 28 ff), die A* GmbH (US 30), die G* GmbH (US 30 ff) und die Q* FZE (US 32 f). Gegebenenfalls subsumtionsrelevante (RIS‑Justiz RS0130507) Anhaltspunkte für die rechtliche Annahme einer in der Anteilsinhaberschaft wurzelnden Zuwendung an Dritte aufgrund ihres Naheverhältnisses zu einem Anteilsinhaber lassen die Feststellungen nicht hinreichend deutlich erkennen.
[12] Ausgehend von der – wie dargelegt nicht feststellungsbasierten – Annahme verdeckter Gewinnausschüttung bleibt im Übrigen unklar, weshalb das Erstgericht zur Schlussfolgerung gelangte, dass K* S* als Gesellschafterin der AN* GmbH Kapitalertragsteuer entsprechend ihrer Beteiligung in der Höhe von 5 % hinterzogen habe (US 25).
[13] Schon die dargestellten Rechtsfehler führten zur Aufhebung der von ihnen betroffenen Schuldsprüche I A 2, I B und II D bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).
[14] § 39 FinStrG normiert eine besondere Art des Zusammenrechnungsgrundsatzes. Im Fall des Zusammentreffens mehrerer (in § 39 Abs 1 oder 2 FinStrG genannter) Finanzvergehen ist daher bei Vorliegen qualifizierender Tatmodalitäten eine Subsumtionseinheit sui generis zu bilden, wobei die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten. Teil dieser Subsumtionseinheit können aber ausschließlich solche Finanzvergehen sein, die unter Einsatz einer qualifizierenden Tatmodalität begangen worden sind (dazu im gegebenen Zusammenhang Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 2 f). Dabei sind immer gleichartige Finanzvergehen – zu einem Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit a oder b FinStrG idgF) des Abgabenbetrugs – zusammenzufassen (RIS‑Justiz RS0130035).
[15] Mehrere Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG sind im Verhältnis zueinander gleichartig, wobei die Art der verkürzten Abgaben (hier teils Mineralölsteuer [I A 1 b und c, II B und II C], teils Körperschaftsteuer [I A 2 und II D] und teils Kapitalertragsteuer [I B 7 bis 37]) insoweit keine Rolle spielt (vgl RIS‑Justiz RS0130035 [insbesondere T2] sowie 13 Os 44/22b [Rz 50 f]).
[16] Die Bildung mehrerer Subsumtionseinheiten nach §§ 33 Abs 1, 39 FinStrG – hier jeweils zu I A 1 b und c, zu I A 2 und zu I B 7 bis 37 in Ansehung vonK* S*sowie zu II B und C und zu II D in Ansehung vonH* S* – ist daher rechtlich verfehlt (Z 10). Um dem Erstgericht im zweiten Rechtsgang rechtsrichtige Subsumtion zu ermöglichen, waren deshalb auch die Schuldsprüche I A 1 b und c sowie II B und C schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 289 StPO).
[17] Aus der Kassation der Schuldsprüche im dargestellten Umfang folgte die Aufhebung der Strafaussprüche beider Angeklagter nach dem FinStrG (einschließlich der Vorhaftanrechnungen, der Aussprüche der Strafe des Wertersatzes und der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen).
[18] Auf diese Entscheidung war das Zollamt Österreich mit seiner allein gegen die Strafaussprüche nach dem FinStrG gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.
II) Zu den Schuldsprüchen nach dem StGB:
[19] Betrügerische Krida nach § 156 Abs 1 StGB begeht, wer – durch demonstrativ aufgezählte Tathandlungen oder sonst (vgl RIS‑Justiz RS0094886, Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 6) – sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines seiner Gläubiger vereitelt oder schmälert.
[20] Geschützt ist das Gläubigerinteresse an der Befriedigung von im Tatzeitpunkt bereits bestehenden Forderungen. Ein Schuldspruch wegen des Verbrechens der (vollendeten) betrügerischen Krida erfordert demnach Konstatierungen dazu, dass (vom Vorsatz umfasst) die Befriedigung zumindest eines der (mehreren) im Tatzeitpunkt bereits vorhandenen Gläubiger vereitelt oder geschmälert wurde (RIS-Justiz RS0133786). Soweit es trotz Gelingens einer Vermögensverringerung nicht zur Gläubigerschädigung kommt, kann strafbarer Versuch vorliegen (RIS‑Justiz RS0115184 [T1, T5 und T8]).
[21] Den Feststellungen zu den Schuldsprüchen III sind jedoch keine wie immer gearteten konkreten Tathandlungen der beiden Angeklagten zu entnehmen, die das Vermögen der AN* GmbH wirklich oder zum Schein verringert hätten.
[22] Vielmehr finden sich lediglich Feststellungen, wonach Handlungen des abgesondert verfolgten M* S* zu den Schuldsprüchen III A, B und F zu einem Entzug des jeweiligen Betrags aus dem Befriedigungsfonds der Gläubiger führten (A [US 28], B [US 30] und F [US 33]) und jene zu den Schuldsprüchen III E das Vermögen der Gesellschaft verringerten (US 32). Selbst insoweit ist im Übrigen ein tatsächlicher Befriedigungsausfall auch nur eines – bereits im Zeitpunkt der Tathandlung vorhandenen – Gläubigers nicht konstatiert. Dass die Befriedigung der Republik Österreich als Gläubigerin vereitelt oder geschmälert wurde, findet sich allein im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO [US 8]), das die Feststellungen nicht zu ersetzen vermag (RIS‑Justiz RS0114639).
[23] Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach die Angeklagten jeweils mit dem Wissen und Wollen handelten, Bestandteile des Vermögens der AN* GmbH beiseite zu schaffen und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger zu vereiteln und einen weit über 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeizuführen (US 26 f), erschöpfen sich in einem substanzlosen Gebrauch der verba legalia und bleiben solcherart ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090).
[24] Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderten die Aufhebung des Urteils in den Schuldsprüchen III (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO) und demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) nach dem StGB und im Adhäsionserkenntnis (Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7).
[25] Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Zu den gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten:
[26] Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerden gegen die von Amts wegen aufgehobenen Schuldsprüche und die Strafaussprüche richten, waren sie auf die Kassation zu verweisen.
[27] Im Übrigen kommt ihnen keine Berechtigung zu.
Der Behandlung der Besetzungsrüge (Z 1) ist voranzustellen:
[28] Soweit hier (noch) von Bedeutung wurde den Beschwerdeführerinnen und weiteren Personen, darunter M* S* und Mag. * P* mit Anklageschrift vom 16. August 2021 (ON 789) als mehrere Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG beurteiltes Verhalten zur Last gelegt, wobei die Staatsanwaltschaft bei M* S* von unmittelbarer Täterschaft (§ 11 erster Fall FinStrG), bei den anderen Angeklagten jeweils von Beitragstäterschaft (§ 11 dritter Fall FinStrG) ausging.
[29] Nach der Trennung der Verfahren gegen die Beschwerdeführerinnen von jenen gegen diese (ursprünglich) Mitangeklagten (ON 944 S 4 und 39) sprach dasselbe Schöffengericht, das in der Folge – nach Abweisung des betreffenden Ablehnungsantrags (ON 1011 S 12) – im (nunmehr) gesondert geführten Verfahren in unveränderter Besetzung das hier angefochtene Urteil über die Beschwerdeführerinnen fällte, Mag. * P* mit Urteil vom 27. Jänner 2023 (ON 944a) von den wider sie erhobenen Vorwürfen frei.
[30] Die Besetzungsrüge behauptet Ausgeschlossenheit des gesamten Schöffensenats nach „§ 43 Abs 1 Z 3 StPO in Verbindung mit § 44 Abs 3 StPO in Verbindung mit Art 6 Abs 1 Z 3 EMRK“, weil dieser schon mitdem Urteil vom 27. Jänner 2023 eine Vorverurteilung der Beschwerdeführerinnen zum Ausdruck gebracht habe.
[31] Nach der Generalklausel des § 43 Abs 1 Z 3 StPO – soweit es die Schöffen betrifft iVm § 46 erster Satz StPO – ist ein Richter oder Schöffe vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn „andere“ Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (siehe dazu eingehend Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 9 ff).
[32] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (jüngst ausführlich 13 Os 91/21p mwN), welche sich diesbezüglich mit jener des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR 16. 2. 2021, 1128/17, Meng/Deutschland, Rn 47 mwN) deckt, ist die Erledigung eines – wie hier – gegen Beteiligte anhängig gewesenen Strafverfahrens per se nicht geeignet, die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des betreffenden Richters in Zweifel zu setzen. Zieht doch nicht schon der Umstand Ausschließung nach sich, dass sich Berufs‑ oder Laienrichter vor der Entscheidung eine Meinung über den Fall gebildet haben, sondern erst die begründet erscheinende Annahme, dass sie auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt seien, von dieser Meinung abzugehen (RIS‑Justiz RS0096733).
[33] Eine solche Annahme könnte im Fall der wie hier vorangegangenen Aburteilung von Beteiligten freilich dann begründet erscheinen, wenn in jenem früheren Urteil mit Bezug auf die – den nunmehrigen Verfahrensgegenstand bildenden – Taten der beiden Angeklagten deren Schuld in einer Vorverurteilung gleichkommender Weise bewertet wurde.
[34] Weshalb die von der Beschwerde kritisierte Urteilsfeststellung, dass die Tochter des M* S*, (die hier angeklagte) K* S*, Geschäftsführerin der in Deutschland ansässigen G* GmbH gewesen sei (ON 944a S 9), eine Vorverurteilung im dargestellten Sinn darstellen sollte, bleibt offen. Denn diese Urteilspassage beschreibtalleindie gesellschaftsrechtliche Stellung der K* S* im Unternehmen ohne jegliche Aussage zu konkreten, allenfalls strafrechtlich relevanten Handlungen zu treffen. Solcherart bildet sie schon im Ansatz keinen Grund, der geeignet wäre, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Vorsitzenden, der beisitzenden Richterin und der Schöffen in Zweifel zu ziehen.
[35] Zur Angeklagten H* S* wird in den von der Beschwerde angeführten Passagen des Urteils vom 27. Jänner 2023 gar kein Bezug hergestellt, weshalb der Einwand ihrer darin zum Ausdruck gebrachten Vorverurteilung unverständlich bleibt.
[36] Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider steht nur das gänzliche Fehlen eines Protokolls über die Hauptverhandlung, nicht aber dessen Inhalt unter Nichtigkeitssanktion (RIS‑Justiz RS0098665 und RS0113211 [T2]).
[37] Soweit die Beschwerdeaus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO kritisiert, das Erstgericht habe nicht über die in der Hauptverhandlung am 5. Dezember 2022 (ON 904a) gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des * W* und der * B* (ON 904a S 62) entschieden, übergeht sie, dass die genannten Anträge von den Beschwerdeführerinnen nach der Aktenlage zurückgezogen wurden (ON 936 S 23 und ON 937 S 6). Insoweit fehlt der Rüge aus Z 4 demnach der gesetzliche Bezugspunkt.
[38] Der erneute Antrag auf Vernehmung des * W* als Zeugen in der Hauptverhandlung am 22. Mai 2023 (ON 1060) zum Beweis dafür, „ob das eine Raffinerie war oder nur bloß zwei Tankwagen“ (ON 1060 S 5 f), wurde entgegen der Beschwerde schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil er weder die Lösung der Schuld- noch jene der Subsumtionsfrage betraf (RIS‑Justiz RS0118319 [insbesondere T1]; vgl im Übrigen ON 1060 S 80).
[39] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden nicht angesprochen) – über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268), wobei überdies zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels konkret auf jene Feststellungen Bezug genommen werden muss, auf die sich dieser beziehen soll (RIS‑Justiz RS0130729).
[40] Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:
[41] Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, somit aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).
[42] Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).
[43] Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS‑Justiz RS0119089).
[44] Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).
[45] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431).
[46] In Bezug auf alle fünf Fehlerkategorien ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).
[47] Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen (vgl RIS‑Justiz RS0124172).
[48] Den dargelegten Anfechtungskriterien wird die nominell Unvollständigkeit, offenbar unzureichende Begründung und Aktenwidrigkeit behauptende Mängelrüge (Z 5 zweiter, vierter und fünfter Fall) nicht im Ansatz gerecht, indem sie ohne jegliche Bezugnahme auf konkret bezeichnete Feststellungen entscheidender Tatsachen im Urteil und die mehr als tausend Ordnungsnummern umfassenden Akten
‑ kritisiert, das Erstgericht habe sich mit einer Vielzahl von in der Beschwerde weitwendig dargestellten und eigenständig gewürdigten Umständen „nicht auseinandergesetzt“,
‑ behauptet, der Angeklagte M* S* habe die Behörden weder getäuscht, noch über die Anwendungsmöglichkeiten des UTÖ im Unklaren gelassen,
‑ umfassende Rechtsausführungen machtund Rechtsprechung des EuGH sowie Fachliteratur anführt und moniert, das Erstgericht habe darauf keine Rücksicht genommen, und
‑ Feststellungen dazu vermisst, „wann die Behörde erstmals befähigt gewesen wäre, wann die Bewilligung hätte widerrufen werden können“ (der Sache nach – ebenfalls nicht an der Prozessordnung orientiert [RIS‑Justiz RS0116565] – Z 9 lit a).
[49] Die Aussage des Zeugen L*, wonach die Bewilligung für das Steuerlager nur deshalb entzogen worden sei, weil die AN* GmbH die Sicherheit nicht mehr erhöht habe (ON 940 S 97 f), steht entgegen der Beschwerdeauffassung nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den Feststellungen zur subjektiven Tatseite der beiden Angeklagten.
[50] Soweit die Mängelrüge „in eventu“ als Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhoben wird, entspricht sie nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902).
[51] Die Rechtsrüge verkennt mit dem Einwand, dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO, US 5 und 9) seien keine konkreten Tathandlungen der Beschwerdeführerinnen zu entnehmen, den in den Urteilsfeststellungen gelegenen Bezugspunkt der geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[52] In diesem Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[53] Damit sind auch deren Beschwerden gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 1. August 2023 (ON 1116) auf Abweisung des Protokollberichtigungsantrags schon deshalb erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerden wesentlichen Umstände bezogen (vgl RIS‑Justiz RS0126057 [T2 und T5]).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO und den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:
[54] (I) Gemäß § 4 Abs 2 FinStrG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre (zur Beschränkung des solcherart anzustellenden Günstigkeitsvergleichs auf finanzstrafgesetzliche Vorschriften siehe RIS‑Justiz RS0086016, RS0086020 [T1] und RS0132285).
[55] Davon ausgehend hat das Erstgericht über die schon aufgezeigte verfehlte Bildung mehrerer Subsumtionseinheiten nach §§ 33 Abs 1, 39 FinStrG zu I A 1 b und c, I A 2 und I B 7 bis 37 in Ansehung von K* S* sowie zu II B und C und II D in Ansehung von H* S* (isoliert betrachtet) jeweils zudem verfehlt das Urteilszeitrecht angewendet:
[56] § 39 Abs 3 lit a FinStrG in der zur Tatzeit geltenden Fassung vor BGBl I 2019/62 sah für das Finanzvergehen des Abgabenbetrugs eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor, neben der fakultativ (vgl Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 25) eine Geldstrafe bis zu einer Million Euro verhängt werden konnte. Die vom Erstgericht zu den Schuldsprüchen I A 2 und I B 7 bis 37 sowie II D zur Anwendung gebrachte Urteilszeitfassung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF sieht hingegen für das Verbrechen des Abgabenbetrugs eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und – neben einer vier Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe – eine fakultative Geldstrafe bis zu 1,5 Millionen Euro vor.
[57] Bei einem strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) von über 500.000 Euro bedrohen sowohl § 39 Abs 3 lit c FinStrG in der zur Tatzeit geltenden Fassung vor BGBl I 2019/62 als auch der vom Erstgericht zu den Schuldsprüchen I A 1 b und c sowie II B und C angewendete § 39 Abs 3 lit b FinStrG in der Urteilszeitfassung BGBl I 2019/62 das Verbrechen des Abgabenbetrugs mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, neben Freiheitsstrafen von höchstens acht Jahren mit fakultativen Geldstrafen bis zu 2,5 Millionen Euro.
[58] Das Urteilszeitrecht ist also jeweils in seiner Gesamtauswirkung für die Angeklagten nicht günstiger als das Tatzeitrecht, weshalb auf Basis der Feststellungen Letzteres anzuwenden gewesen wäre.
[59] (II) Mit Blick auf die Schuldsprüche beider Angeklagter sowohl nach § 39 FinStrG (iVm § 33 Abs 1 FinStrG) als auch nach § 33 (Abs 1) FinStrG wären – wie auch das Zollamt Österreich in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht – aufgrund der Bestimmung des § 21 Abs 2 vierter Satz FinStrG neben den Freiheitsstrafen (§ 39 Abs 3 FinStrG) auch Geldstrafen (§ 33 Abs 5 FinStrG) zu verhängen gewesen (RIS‑Justiz RS0133991, näher Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 4).
[60] (III) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG werden im Bereich der Mineralölsteuer – soweit hier für die Schuldsprüche I A 1 a und b sowie II A und B und die Freisprüche I A und III von Bedeutung (vgl §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 Z 1, Abs 8 MinStG in der zur Tatzeit geltenden Fassung) – durch Unterlassen der Abfuhr der Mineralölsteuer unter Verletzung der korrespondierenden Anmeldungspflichten (vgl dazu § 21 Abs 1 Z 1 erster Halbsatz und Z 5, Abs 4 Z 1 und 4 MinStG in der zur Tatzeit geltenden Fassung) begangen. Nach § 33 Abs 3 lit b FinStrG ist die Abgabenverkürzung bewirkt, wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, (ganz oder teilweise) nicht abgeführt wurden, wobei sich die jeweilige Leistungsfrist aus den Abgabenvorschriften ergibt. Entsteht die Steuerschuld nach § 21 Abs 1 Z 1 oder Z 5 MinStG in der zur Tatzeit geltenden Fassung, hat der Unternehmer die Steuerschuld bis zum 25. eines jeden Kalendermonats (im Dezember bis zum 20.) für den Vormonat beim Zollamt Österreich (bis 31. Dezember 2021 bei dem Zollamt, in dessen Bereich sich der Betrieb des Steuerschuldners befand), anzumelden und zu entrichten (§ 23 Abs 1 und 5 MinStG in der zur Tatzeit geltenden Fassung, siehe zur Verpflichtung der getrennten Ausweisung der angemeldeten Mineralöl-, Kraftstoff- und Heizstoffmengen nach Arten § 23 Abs 3 MinStG in der zur Tatzeit geltenden Fassung). Eine selbständige Tat im materiellen Sinn bildet hier demgemäß das Unterlassen der Abfuhr der Mineralölsteuer unter Verletzung der korrespondierenden Anmeldungspflichten bezogen auf den jeweiligen Monat (zum finanzstrafrechtlichen Tatbegriff eingehend Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 7 ff). Die Freisprüche der K* S* zu I A ii (US 12) sowie der H* S* zu III iVm I A ii (US 15) jeweils in Ansehung der Hinterziehung von Mineralölsteuer für den Monat Februar 2011 durch Unterlassen von deren Anmeldung, Selbstberechnung und Selbstabfuhr zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen sind daher, weil zeitlich deckungsgleich mit den Schuldsprüchen I A 1 b und II B, wenn auch prozessual unbeachtlich (vgl RIS‑Justiz RS0115553 [insbesondere T5 und T11]), rechtlich verfehlt (zum Gegenstand eines Freispruchs hinsichtlich einer selbständigen Tat im Finanzstrafverfahren grundlegend Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 13).
[61] (IV) Freispruch oder Schuldspruch ergehen stets in Hinsicht auf eine Tat, also auf ein unter Anklage gestelltes historisches Geschehen, nicht auf dessen rechtliche Beurteilung. Daher erweisen sich die Freisprüche in Betreff der rechtlichen Nichtannahme der mit dem Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 und § 15 StGB (Schuldsprüche III) idealkonkurrierenden strafbaren Handlung der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (IV B [US 16], sogenannter Subsumtionsfreispruch) als verfehlt (RIS‑Justiz RS0115553).
[62] (V) Nach § 19 Abs 3 FinStrG ist der Wertersatz mit dem Betrag festzulegen, der dem gemeinen Wert der dem Verfall unterliegenden Gegenstände entspricht. Dieser richtet sich im Sinn des § 10 Abs 2 BewG (RIS‑Justiz RS0052939, RS0052947, RS0086277, RS0086284 und RS0086317) nach dem inländischen Detailverkaufspreis, der seinerseits aus dem Einstandspreis, den rechtmäßig zu entrichtenden Abgaben, den Frachtkosten und sonstigen Spesen sowie den Gewinnspannen besteht (RIS‑Justiz RS0086284). Kann dieser Wert nicht ermittelt werden, so ist auf Zahlung eines dem vermutlichen Wert (nicht hingegen der hinterzogenen Steuer [vgl US 61]) entsprechenden Wertbetrags zu erkennen (§ 19 Abs 3 zweiter Satz FinStrG), wobei das Gericht die Grundlagen seiner diesbezüglichen Überlegungen nachvollziehbar darzulegen hat (Lässig in WK2 FinStrG § 19 Rz 8).
[63] (VI) Beitragstäterschaft (hier: § 11 dritter Fall FinStrG) erfordert ein für den Tatablauf kausales Verhalten, das die Ausführung der strafbaren Handlung durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert (RIS‑Justiz RS0090508; vgl auch Lässig in WK2 FinStrG § 11 Rz 1). Für die rechtliche Annahme der Deliktsverwirklichung in dieser Täterschaftsform ist sowohl in objektiver, als auch in subjektiver Hinsicht eine ausreichende Feststellungsbasis im Urteil erforderlich.
[64] Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten, die Staatsanwaltschaft und das Zollamt Österreich auf die Aufhebung zu verweisen.
[65] Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (RIS‑Justiz RS0101558), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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