OGH 7Ob57/24v

OGH7Ob57/24v22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* J*, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L* E*, vertreten durch Dr. Markus Fidler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2023, GZ 38 R 42/23t‑78, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00057.24V.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der von der Klägerin angezogene Kündigungsgrund der beabsichtigten Bebauung nach § 6 Abs 2 lit b (iVm § 12) KlGG des gepachteten Kleingartens wäre nach dem im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluss des Senats 7 Ob 104/19y zu bejahen, wenn die beabsichtigte Bebauung nach dem geltenden Wiener Landesrecht, insbesondere der Bauordnung für Wien und dem WKlG 1996, einem Kleingärtner nicht möglich wäre. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass der Kündigungsgrund nicht verwirklicht ist, wenn entweder das geplante Bauvorhaben im WKlG selbst Deckung findet, oder zwar „nur“ die Wr BauO das geplante Bauvorhaben ermöglicht, dieses aber für Kleingärten in der Region nicht untypisch ist. Ist die Bebauung nicht vom WKlG gedeckt, sondern von der Wr BauO, und ist es nicht typisch für Kleingärten in der Region, so ist der Kündigungsgrund zu bejahen (RS0132945 [T3] = RS0063685 [T3] = 8 Ob 2/23m).

[2] 2. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Frage, ob die beabsichtigte Bebauung für Kleingärten in der Region nicht untypisch ist, um eine Rechtsfrage handelt, findet Deckung in der zitierten Rechtsprechung. Wenn der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Typizität nicht ausreicht, liegt ein sekundärer Feststellungsmangel vor (vgl 8 Ob 2/23m). Schon deshalbist die von der Revision behauptete Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO mangels ausreichender Feststellungsgrundlage zu verwerfen.

[3] 3. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[4] 4. Die Klägerin macht in ihrer Revision geltend, das Berufungsgericht habe für die Frage der typischen Bebauung auf die Flächenwidmung abgestellt, hätte aber richtigerweise allein auf die tatsächlich bestehende Bebauung abstellen müssen. Damit zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[5] Ob (auch) die Flächenwidmung für die Frage der Typizität der Bebauung relevant ist, kann nämlich im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil schon aus den erstgerichtlichen Feststellungen zur tatsächlichen Umgebungsbebauung vertretbar der Schluss gezogen werden kann, dass das geplante und bewillige Bauvorhaben für die betreffende Region in Wien nicht untypisch ist.

[6] Es steht fest, dass ein unterkellertes einstöckiges Wohngebäude mit ausgebautem Dachgeschoß, beinhaltend eine Wohnung errichtet werden soll. Weiters, dass sich die Umgebungsbebauung als typische Gartensiedlungs- und Kleingartenbebauung erweist, wobei fast alle Häuser ein Erdgeschoss, teilweise mit Obergeschoß und ein Satteldach haben. In einer Entfernung von ca 100 m befindet sich Bebauung, die den Einschlag eines Gartensiedlungsgebiets zeigt, in anderen Teilen jedoch wie eine Art Reihenhaus‑ oder Einfamilienhausbebauung aussieht. Einige Gebäude sind teilweise unterkellert, weisen eine relativ große bebaute Fläche und zumindest ein ausgebautes Mansardengeschoß auf.

[7] Schon angesichts dieser Feststellungen bedarf die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die im vorliegenden Fall beabsichtigte Bebauung sei für Kleingärten in der Region nicht untypisch, keiner Korrektur.

[8] 5.1. Die Errichtung eines Gebäudes auf einem Kleingartengrundstück ist solange unschädlich, als dadurch nicht die Nutzung des Kleingartens im Sinn des § 1 Abs 1 KlGG verhindert wird, also ein ausreichender Garten verbleibt oder die Errichtung von Baulichkeiten den Bestimmungen des (Unter-)Pachtvertrags widerspricht (6 Ob 17/10h mwN).

[9] Aus den unstrittigen Einreichplänen ergibt sich ohnehin, dass durch das Bauvorhaben eine ausreichend unverbaute GesamtflächeiSd § 1 Abs 1 KlGG verbleibt (vgl RS0121557 [T2]), sodass sich ein Eingehen auf die diesbezüglichen Argumente der Revisionswerberin erübrigt.

[10] 5.2. Nach § 4 Abs 1 WKlG 1996 ist die vorübergehende kleingärtnerische Nutzung nur im Bauland oder Verkehrsband und nur über Antrag des Magistrats auf Beschluss des Bauausschusses der örtlich zuständigen Bezirksvertretung zulässig. Dieser Beschluss ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen. Die Revisionswerberin bestreitet nicht, dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Wenn sie meint, dass eine solche vorübergehende kleingärtnerische Nutzung einer vertraglichen Regelung zugänglich wäre, so ist ihr entgegenzuhalten, dass dies im Ergebnis zu einer privatautonomen Anwendung des WKlG 1996 führen würde. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn – wie hier – das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656).

[11] 5.3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts bedarf daher auch diesbezüglich keiner Korrektur und liegt der von der Klägerin geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel nicht vor.

[12] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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