OGH 7Ob34/24m

OGH7Ob34/24m22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen unddie Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* S*, vertreten durch die Schmidberger-Kassmannhuber‑Schwager Rechtsanwalts-Partnerschaft in Steyr, gegen die beklagte Partei G* AG, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgerichtvom 16. November 2023, GZ 2 R 119/23k‑15, womit das Urteil des des Bezirksgerichts Steyr vom 24. August 2023, GZ 14 C 234/23x‑11, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00034.24M.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin enthalten 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

[1] Am 22. Oktober 2012 unterfertigten der Kläger sowie ein Versicherungsagent der Beklagten in der Wohnung des Klägers einen Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Der Kläger las den Antrag nicht gemeinsam mit dem Versicherungsvertreter durch, sondern dieser erklärte dem Kläger das Finanzprodukt mündlich. Der Kläger war an einer 18‑jährigen Laufzeit nicht interessiert, weil ihm diese zu lange war, teilte dem Versicherungsagenten mit, dass er den Vertrag nur abschließen würde, wenn er bei vorzeitiger Beendigung der Versicherungslaufzeit jedenfalls zumindest die einbezahlte Prämie in voller Höhe zurückerhalte. Diesererklärte dem Kläger, dass er die Lebensversicherung nach einer Mindestfrist von 10 Jahren kündigen könnte und dabei die einbezahlten Prämien mit Ausnahme einer Verwaltungsgebühr von 500 EUR wieder zurückerhalte.

[2] Im schriftlichen Antrag auf Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung befindet sich folgender Punkt 4:

„Vorzeitige Kündigung des Vertrages (Rückkauf)

Wird der Vertrag vor Ende der Laufzeit – nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindefrist von 10 Jahren – gekündigt (rückgekauft), erhalten Sie je nach abgelaufenem Versicherungsjahr den Rückkaufswert (Punkt 5, Spalte 4) ausbezahlt. Bitte beachten Sie, dass die Kündigung oder Prämienfreistellung Ihres Vertrages mit Nachteilen verbunden ist. Der Rückkaufswert (Punkt 5, Spalte 4) bzw. das Fondsvermögen (Punkt 5, Spalte 5) liegt besonders in den ersten Jahren deutlich unter der Summe der einbezahlten Prämien. Dies ist unter anderem wegen der Deckung der Abschlusskosten der Fall. Die Werte errechnen sich aus den einbezahlten Prämien abzüglich der Prämienanteile für Kosten und versichertes Risiko nach versicherungsmathematischen Grundsätzen. Im Falle der vorzeitigen Kündigung nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindefrist ist die Hälfte der staatlichen Förderung zurückzuzahlen. Zusätzlich werden in jedem Fall die effektiven Kapitalerträge mit 25 % Kapitalertragsteuer (KESt) nachversteuert.“

[3] Mit Datum vom 5. November 2012 polizzierte die Beklagte den Versicherungsvertrag entsprechend dem schriftlichen Antrag.

[4] Die fondsgebundene Lebensversicherung unterliegt den staatlichen Förderungsbestimmungen der §§ 108g bis 108i EStG. Im Versicherungsvertrag sind die Auszahlungsbeträge bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrags als Rückkaufswerte aufgelistet. In dieser Tabelle ist im 12. Versicherungsjahr ein Rückkaufswert von 24.412,15 EUR ausgewiesen.

[5] Im Versicherungsvertrag ist festgehalten, dass die Erstprämie 197,11 EUR und die monatliche Prämie ab 1. Dezember 2012 ebenfalls 197,11 EUR beträgt. Der Kläger bezahlte bis 1. April 2023 insgesamt 28.954,32 EUR an (monatlichen) Prämien. Der Rückkaufswert zum 1. April 2023 würde 24.016,68 EUR betragen (vgl dazu RS0121557 [T3, T8]).

[6] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm im Falle der Auflösung des Versicherungsvertrags von der Beklagten eine Leistung zumindest in Höhe der vom Kläger bis zum Auflösungszeitpunkt eingezahlten Prämien, abzüglich einer vereinbarten Bearbeitungsgebühr von 500 EUR, zustehe. Da er an einer 18‑jährigen Laufzeit nicht interessiert gewesen sei, habe er dem Vertreter der Beklagten ausdrücklich erklärt, den Vertrag nur abschließen zu wollen, wenn er nach 10 Jahren zumindest die einbezahlten Prämien in voller Höhe zurückerhalte. Dies habe der Versicherungsagentzugesichert. Diese Zusage sei der Beklagten zuzurechnen und auch Vertragsinhalt geworden. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, weil die Beklagte die einvernehmliche Auflösung des Vertrags gegen Rückzahlung der Prämien abgelehnt habe.

[7] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Wenn der Kläger zur Beendigung des Versicherungsvertrags berechtigt sei, sei ein Feststellungsinteresse nicht erkennbar. Im Übrigen seidie behauptete Zusage nicht erfolgt. Sollte dem Kläger tatsächlich eine solche Mitteilung gemacht worden sein, hätte er nicht darauf vertrauen dürfen, weil sie sich weder im schriftlichen Antrag noch in der Polizze befinde. Der Mitarbeiter der Beklagten habe als bloßer Versicherungsvermittler keine Abschlussvollmacht gehabt. Das Vertrauen des Klägers auf eine angebliche Abschlussvollmacht des Versicherungsvermittlers binde die Beklagte weder rechtsgeschäftlich noch schadenersatzrechtlich.

[8] Das Erstgericht gab der Klage statt, weil die Beklagte an die Zusicherung ihres Versicherungsagenten gebunden sei.

[9] Das Berufungsgerichtgab dem Rechtsmittel der Beklagten Folge, änderte die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung ab und ließ die Revision nachträglich zu. Die Erklärung des Klägers, den Vertrag nur abschließen zu wollen, wenn er die bei vorzeitiger Beendigung einbezahlte Prämie zurückerhalte, lasse den erforderlichen Bindungswillen noch nicht erkennen, zumal aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers diese Erklärung nur als noch den Vertragsverhandlungen zugehörig anzusehen gewesen sei und der Kläger damit noch nicht zum Ausdruck gebracht habe, endgültig an diese Vereinbarung gebunden sein zu wollen. Der Wortlaut der Erklärung des Klägers lasse allenfalls darauf schließen, dass er die Kapitalgarantie zur Bedingung des Versicherungsvertrags machen habe wollen, aber nicht zum Inhalt seines dann noch schriftlich ausgefüllten Versicherungsantrags. Ein wirksames Angebot habe der Kläger erst durch Unterfertigung des Versicherungsantrags gelegt. Die von der Beklagten erhobene Beweisrüge und geltend gemachte Aktenwidrigkeit zu den festgestellten Äußerungen der Streitteile in der Wohnung des Klägers behandelte das Berufungsgericht aufgrund der dargestellten Rechtsansicht nicht.

[10] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

[13] 1. Jede Feststellungsklage erfordert nach § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts. Regelmäßig verneint wird das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger seinen Anspruch zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RS0038817). Ein Feststellungsbegehren ist somit unzulässig, wenn das Leistungsbegehren alles das bietet, was mit der Feststellungsklage angestrebt wird (RS0039021 [T5, T7]), wenn also mit dem Leistungsbegehren das strittige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt wird (RS0039021 [T15]). Die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt daher nach ständiger Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (RS0038849, RS0039021). Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen eines rechtlichen Interesses, wenn dieses nicht offensichtlich oder erwiesen ist, liegt bei der die Feststellung begehrenden Partei (RS0039058 [T2]). Der Mangel des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (RS0039123) und führt zur Abweisung der Klage (RS0039201; vgl auch RS0039177).

[14] 2. Der Kläger hat das Recht, den Lebensversicherungsvertrag nach Ablauf von 10 Jahren zum Ende der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen (§ 165 Abs 1 VersVG iVm §§ 108g Abs 1 Z 2 und 108i Abs 1 EStG; vgl auch RS0127200). Gemäß § 9 VersVG beträgt die Versicherungsperiode ein Jahr, falls die Prämie nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist. Ist die Zahlung der Prämie – wie hier – ohne einen weiteren Hinweis monatlich vorgesehen, so ist eine monatliche Versicherungsperiode vereinbart (Riedler in Fenyves/Perner/Riedler [2021] § 9 VersVG Rz 4; Johannsen/Koch in Bruck/Möller, VVG10 § 12 Rn 4). Im Fall der Kündigungwürde dem Kläger nach der – nur zugunsten des Versicherungsnehmers zwingenden (§ 178 Abs 2 VersVG) – gesetzlichen Regelung des § 176 Abs 1 VersVG der Rückkaufswert zustehen (Perner, Privatversicherungsrecht Rz 7.177; Konwitschka in Fenyves/Perner/Riedler [2023] § 165 VersVG Rz 2, § 176 VersVG Rz 19).

[15] 3. Der Kläger behauptet in diesem Verfahren eine von § 176 Abs 1 VersVG abweichende Vereinbarung, wonach er bei der von ihm angestrebten vorzeitigen Auflösung nicht bloß Anspruch auf den Rückkaufswert, sondern (zumindest) auf Rückzahlung der von ihm bisher geleisteten Prämien habe. Diesen Anspruch hätte der Kläger aber bereits jetzt mit Leistungsklage geltend machen können, hat er doch das Recht, den Vertrag gemäß § 165 Abs 1 VersVG monatlich zu kündigen. Er hätte auch ohne Weiteres die bis zur Kündigung bezahlten Prämien beziffern können. Dass und warum er einen über die eingezahlten Prämien hinausgehenden Anspruch gegen die Beklagte hätte, hat der Kläger nicht behauptet. Somit bietet ein Leistungsbegehren schon zum jetzigen Zeitpunkt all das, was der Kläger mit der Feststellungsklage anstrebt, das strittige Rechtsverhältnis würde durch die Leistungsklage endgültig bereinigt. Auch für eine zukünftige Anspruchstellung ist er auf ein Feststellungsbegehren nicht angewiesen.

[16] 4. Der Feststellungsklage fehlt es daher am rechtlichen Interesse, sodass die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis zu bestätigen ist. Eine Aufhebung zur Eröterung war nicht notwendig, weil die Beklagte das mangelnde Feststellungsinteresse eingewendet hat (vgl RS0037300 [T41]).

[17] 5. Die Revision ist somit erfolglos.

[18] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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