European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00073.24I.0515.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[2] 2. Es wurde bereits rechtskräftig ausgesprochen, dass die hier zu beurteilenden, bereits im September 2000 in das Firmenbuch eingetragenen verschmelzenden Umwandlungen zweier inländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an denen die Klägerin Geschäftsanteile hielt, auf die Zweitnebenintervenientin (als jeweilige Hauptgesellschafterin) nicht mehr rückabgewickelt werden können, dass die diese Umwandlungen vorbereitenden Gesellschafterbeschlüsse keine „Scheinbeschlüsse“ und gemäß § 2 Abs 3 UmwG iVm § 230 Abs 2 AktG „anfechtungsfest“ sind sowie dass die genannten Bestimmungen als Ausgleich dafür gegebenenfalls Rechtsschutz in Form von Schadenersatzansprüchen und allenfalls eines Prozesskostenanspruchs vorsehen (6 Ob 210/19d).
[3] Die Frage, ob dies anders zu sehen wäre, wenn die Umgründungsbeschlüsse auf einer strafbaren Handlung beruhten, kann schon deshalb dahinstehen, weil (auch) im vorliegenden Fall die Feststellungen der Vorinstanzen keine diesbezüglichen Anhaltspunkte bieten (unten Punkt 4.; vgl 6 Ob 210/19d [ErwGr 4.6.]).
[4] 3. DieKlägerin begehrt Schadenersatz für den „Verlust“ der genannten Geschäftsanteile in Höhe deren aktuellen Werts zuzüglich entgangener Ausschüttungen. Der Beklagte habe kollusiv mit dem Erstnebenintervenienten die Klägerin betrügerisch um ihre Gesellschaftsanteile gebracht, um die Zweitnebenintervenientin zu Lasten der Klägerin zu bereichern, sodass die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 2 ABGB anzuwenden sei. Dem Beklagten lägen überdies auch mehrere Pflichtverletzungen als Machthaber der Klägerin in den die Umwandlungen betreffenden Generalversammlungen zur Last, die zur Rechtswidrigkeit der dort gefassten Beschlüsse geführt hätten. Der Beklagte hätte überdies wegen der Höhe des Abfindungsbetrags bei der Klägerin rückfragen müssen.
[5] 4. Nach den Feststellungen war der Alleingeschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin im Juni 2000 mit dem ihm von seinem Freund, dem Erstnebenintervenienten, vorgeschlagenen Ausscheiden der Klägerin aus den beiden gemeinsamen Gesellschaften durch die Umwandlungen (Punkt 2.) einverstanden und unterfertigte entsprechende Vollmachten zur Vertretung der Klägerin in den diesbezüglichen Generalversammlungen vom 30. 6. 2000 durch den Beklagten. Der Erstnebenintervenient hatte dem Geschäftsführer der Klägerin dazu auch erklärt, dass ihm bzw der Klägerin mit Unterfertigung dieser Urkunden „nichts mehr gehören werde“. Der Geschäftsführer der Klägerin wusste seitdem, dass die Klägerin ab der Beschlussfassung im Rahmen der Generalversammlung am 30. 6. 2000 nicht mehr Gesellschafterin sein wird. Der Beklagte hatte zu keinem Zeitpunkt den Vorsatz, die Klägerin gegen deren Willen oder gegen eine zu geringe Barabfindung aus den Gesellschaften hinauszudrängen. Vielmehr ging er aufgrund der Informationen des Erstnebenintervenienten und der Urkunden davon aus, dass die Umwandlung im Einvernehmen des Erstnebenintervenienten und des Geschäftsführers der Klägerin geschehe.
[6] 5.1. Die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 Satz 1 ABGB) beginnt nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen (RS0083144). Gleichartige Teil‑ oder Folgeschaden, die sich aus einer einzelnen schädigenden Handlung fortlaufend entwickeln, in einem überschaubaren Zusammenhang stehen und schon ursprünglich voraussehbar waren, stellen nach ständiger Rechtsprechung einen einheitlichen Schaden dar, dessen Verjährung bei Kenntnis des Geschädigten von Schädiger und erstem (Teil-)Schaden mit dem Eintritt des Primärschadens beginnt (RS0087613; RS0097976; RS0034618 [insb T8]). Der drohenden Verjährung des Ersatzsanspruchs für Folgeschäden ist mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RS0034618 [T5]; RS0097976 [T3]).
[7] 5.2. Die Beurteilung, ob der Kläger einen einheitlichen Schaden geltend macht und wann die Verjährungsfrist beginnt, kann nur anhand der konkreten Umständendes Einzelfalls beurteilt werden, sodass regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen sind (vgl RS0034618 [T6]; RS0087613 [T5]).
[8] 5.3. Das Berufungsgerichts war der Auffassung, sämtliche der von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen wurzelten im „Verlust“ der Gesellschafterstellung, dessen Auswirkungen ab dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Unternehmen vorhersehbar gewesen seien. Die Klägerin habe aufgrund der Vollmachtserteilung an den Beklagten zur Fassung der Umwandlungsbeschlüsse gegen angemessene Barabfindung in den Generalversammlungen der umzuwandelnden Gesellschaften vom 30. 6. 2000 auch Kenntnis über das behauptete schadensverursachende Verhalten des Beklagten als Machthaber und dessen Auswirkungen gehabt. Darin ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
[9] 5.4. Mit ihrem bloßen Hinweis auf unterbliebene Feststellungen zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Klägerin von der Firmenbucheintragung der Umwandlungen und der Bemessung des Abfindungsbetrags zeigt die Revision keinen Korrekturbedarf auf, weil die Klägerin angesichts der Erteilung der Vollmacht an den Beklagten durch ihren Geschäftsführer und der festgestellten Kenntnis von der Beschlussfassung am 30. 6. 2000 die Obliegenheit zu weiteren Erkundigungen (etwa durch Einholung eines Firmenbuchauszugs) getroffen hätte (vgl RS0034327; RS0034335; RS0113916).
[10] 5.5. Zwar billigt die Rechtsprechung, wenn Ungewissheit darüber besteht, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und hierüber ein Rechtsstreit behängt, dem Geschädigten in der Regel zu, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten (RS0034908 [T9, T18, T22]). Daraus ist für die Klägerin im vorliegenden Fall aber nichts zu gewinnen, weil sie die Beschlussanfechtungsklagen (siehe oben Punkt 2.) erst im Jahr 2017 bzw 2018 eingebracht hat. Auch werden Beginn und Lauf der Verjährungsfrist gegen den Beklagten nicht dadurch beeinflusst, dass die Klägerin bereits mit einer im Dezember 2017 eingebrachten Klage (erfolglos) versuchte (6 Ob 220/21b), auch von den Nebenintervenienten Schadenersatz zu verlangen (vgl RS0034552).
[11] 5.6. Wenn das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund davon ausging, dass die dreijährige Verjährungsfrist bei Einbringung der Klage (erst) am 28. 6. 2019 bereits abgelaufen war, bedarf dies keiner Korrektur. Ob die Generalversammlungbeschlüsse ordnungsgemäß zustande kamen, kann daher dahinstehen.
[12] 6.1. Die Anwendung der 30‑jährigen Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 ABGB bedarf der Behauptung und des Beweises einer oder mehrerer gerichtlich strafbarer Handlungen (RS0034436). Die Tatbestandsvoraussetzungen sind im strafrechtlichen Sinn zu verstehen; auch die subjektive Tatseite muss verwirklicht sein (vgl RS0034398).
[13] 6.2. Das Berufungsgericht war der Ansicht, aus den Feststellungen lasse sich weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht das vorgeworfene strafbare Täuschungsdelikt in Form des Betrugs – und sei es nur als Beitragstäter – ableiten. Damit greife die 30‑jährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 ABGB nicht. Diese Beurteilung bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Die Revision legt auch nicht nachvollziehbar dar, warum auf Grundlage der Feststellungen des Erstgerichts von einem wissentlichen (§ 5 Abs 3 StGB) Befugnismissbrauch im Sinne des § 153 Abs 1, Abs 3 zweiter Fall StGB auszugehen sein sollte.
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