OGH 10Ob3/24z

OGH10Ob3/24z14.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Kindes M*, geboren * 2006, vertreten durch das Land * als Kinder- und Jugendhilfeträger *, wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Bundes gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 16. November 2023, GZ 1 R 317/23x‑71, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 18. September 2023, GZ 2 Pu 273/19t‑63, berichtigt mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 21. September 2023, GZ 2 Pu 273/19t‑65, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00003.24Z.0514.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit sich in den Fällen der §§ 3 und 4 Z 1 UVG aus der Aktenlage ergibt, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht (mehr) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist.

[2] Insbesondere bei eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten ist zu prüfen, in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht herabzusetzen wäre (10 Ob 5/23t = RS0076314 [T1]).

[3] Wird der Unterhaltsbeitrag herabgesetzt oder tritt ein Fall des § 7 Abs 1 UVG ein, ohne dass es zur gänzlichen Versagung der Vorschüsse käme, so hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Vorschüsse entsprechend herabzusetzen (§ 19 Abs 1 UVG).

[4] 1.2. Die Prüfung, ob die im Titel festgesetzte Unterhaltspflicht noch besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist, hat vom materiellen Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Unterhaltspflichtigen auszugehen (RS0042675) und hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (3 Ob 128/05b = RS0076405 [T4]).

[5] 1.3. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein kurzfristiges Ferialeinkommen eines Unterhaltsberechtigten bei der Unterhaltsbemessung im Allgemeinen nicht als Eigeneinkommen zu berücksichtigen (RS0117200; 1 Ob 177/02i; 8 Ob 34/20p). Dies wird damit begründet, dass bei der Festsetzung von Geldunterhalt stets auch darauf Bedacht zu nehmen ist, wie ein „bonus pater familias“ handeln würde (1 Ob 177/02i). Es kommt also darauf an, ob dem Unterhaltsberechtigten unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ein Ferialeinkommen als Taschengeld belassen würde (vgl 1 Ob 177/02i).

[6] Die Frage, ob ein kurzfristiges Ferialeinkommen noch als geringfügig – im Sinn eines üblicherweise dem Kind überlassenen Taschengeldes – zu qualifizieren ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

[7] 2.1. Nach der Entscheidung des Rekursgerichts führt das vom unterhaltsberechtigten Kind während eines zweimonatigen Pflichtpraktikums erzielte Eigeneinkommen im vorliegenden Fall nicht zu einer Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG. Es ging davon aus, dass ein Unterhaltspflichtiger in einer „intakten Familie“ bei Einkommensverhältnissen wie im vorliegenden Fall, die zu einem Geldunterhaltsanspruch über dem Regelbedarfssatz führten, dem unterhaltsberechtigten Kind sein durch das Praktikum erzielte Einkommen ohne Berücksichtigung bei der Unterhaltsbemessung überlassen hätte.

[8] 2.2. Dem hält der Revisionsrekurs des Bundes entgegen, kurzfristige Ferialeinkünfte seien nur dann bei der Unterhaltsbemessung außer Acht zu lassen, wenn sie – umgerechnet auf einen Jahresdurchschnitt – zusammen mit dem Unterhaltsbetrag den Durchschnittsbedarf nicht überstiegen. Hier liege aufgrund des Überschreitens des Durchschnittsbedarfs ein Fall des § 7 Abs 1 Z 1 UVG vor.

[9] 2.3. In der im Revisionsrekurs ins Treffen geführten Literaturstelle (Neumayr in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar5 § 7 UVG Rz 14) wird ausgeführt, Ferialeinkünfte des Unterhaltsberechtigten führten jedenfalls in den Fällen nicht zu einer Verringerung der Geldunterhaltspflicht, in denen die Ferialeinkünfte im Jahresdurchschnitt gerechnet (also auf 12 Monate aufgeteilt) zusammen mit dem ohne Berücksichtigung des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten geschuldeten Unterhaltsbetrag den Durchschnittsbedarf nicht überstiegen. Der vom Bund in seinem Revisionsrekurs gezogene Gegenschluss kann diesen Ausführungen hingegen nicht entnommen werden. Die angeführte Literaturstelle steht der Beurteilung des Rekursgerichts daher nicht entgegen.

[10] 2.4. Entscheidend ist vielmehr – wie ausgeführt – die Frage, ob die Maßfigur eines geldunterhaltspflichtigen „bonus pater familias“ dem Unterhaltsberechtigten sein Ferialeinkommen in den jeweils gegebenen Umständen als Taschengeld belassen würde (vgl 1 Ob 177/02i).

[11] 2.5. Von einem solchen Maßstab ging das Rekursgericht aus, indem es ausführte, angesichts des konkreten, zu einem den Regelbedarf übersteigenden Geldunterhaltsanspruch führenden Einkommens des Antragsgegners hätte ein an der Maßfigur gemessener Geldunterhaltsschuldner das festgestellte Einkommen der Antragstellerin aus einem Pflichtpraktikum – das im Übrigen auch nicht zur Gänze dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zugute kommt (vgl RS0047440; 10 Ob 5/23t [Rz 12] zum UVG) – nicht berücksichtigt.

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