OGH 5Ob43/24w

OGH5Ob43/24w12.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, Dr. Steger und Dr. Weber als weitere Richter in derRechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, *, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei „G* GesmbH in Liqu., *, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 4.400 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2024, GZ 1 R 142/23v‑25, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Juli 2023, GZ 11 Cg 87/22i‑15, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00043.24W.0412.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „G* GesmbH in Liquidation berichtigt.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Zu I.:

[1] Die Beklagte brachte vor, sie sei aufgelöst und befinde sich nunmehr in Liquidation. Die daraus folgende Änderung ihrer Firmenbezeichnung ist aus dem offenen Firmenbuch ersichtlich. Die Bezeichnung der beklagten Partei ist daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu II.:

[2] Das Berufungsgericht verpflichtete die Beklagte in Abänderung des Ersturteils, es zusätzlich zu der von ihr bereits mit der im Vergleich vom 13. 6. 2023 übernommenen Verpflichtung zu unterlassen, bestimmte (weitere) Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu verwenden oder sich darauf zu berufen, und erteilte dem Kläger die Ermächtigung, den klagestattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens sowie die von der Beklagten mit Vergleich vom 13. 6. 2023 übernommenen Unterlassungsverpflichtungen binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils einmal im redaktionellen Teil der Regionalausgabe für Wien in einer Samstags‑Ausgabe einer bestimmten Zeitung auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen.

[3] Die Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil es auch Klauseln zu beurteilen gehabt habe, die für einen größeren Personenkreis Bedeutung hätten,und zu denen noch keine (explizite) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Verbandsverfahren vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist zurückzuweisen.

[5] 1. Die vom Berufungsgericht für erheblich erachteten Rechtsfragen stellen sich nicht, weil die Beklagte ausdrücklich nur noch die Ermächtigung des Klägers zur Veröffentlichung der Unterlassungsverpflichtungen anficht.

[6] 2. Dazu bringt sie mit Bezug auf die (geschätzten) Kosten der Veröffentlichung – zusammengefasst – vor, sie befinde sich in Abwicklung und habe ihren Betrieb eingestellt. Davor sei sie in einem örtlich und sachlich höchst eingeschränkten Gebiet tätig gewesen und habe lediglich eine vernachlässigbare Anzahl von Kunden gehabt, sei nach außen nicht werbend aufgetreten und habe auch über keine Website verfügt. Daher bestehe kein wie immer geartetes Interesse an einer Veröffentlichung. Strafcharakter dürfe die Veröffentlichung nicht annehmen.

[7] 3. Mit diesen Ausführungen kann die Beklagte keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 2 ZPO aufzeigen.

[8] 3.1. Der Umstand, dass sich die Beklagte in Abwicklung befindet und ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

[9] 3.2. Ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, ist – abgesehen von einer groben Fehlbeurteilung – keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0079820 [T20]). Von einer solchen Fehlbeurteilung kann hier keine Rede sein, weil sich das Berufungsgericht an den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen orientiert hat. Davon abzugehen, bietet das Rechtsmittel der Beklagten keinen Anlass.

[10] 3.3. Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RS0121963). Das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit – und nicht nur die Vertragspartner der Beklagten – das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz- oder sittenwidrig sind (RS0121963 [T6, T7]). Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte mit ihrem Verweis auf die Anzahl ihrer Kunden im Vergleich zur (geschätzten) Gesamtzahl der Wiener Bevölkerung nicht darlegen, warum dem Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Veröffentlichung abzusprechen wäre. Auf den Rechtssatz RS0079584 kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht berufen, weil die dort angeführten Entscheidungen nicht in einem Verbandsprozess ergangen sind. Die mit der Veröffentlichung verbundenen Kosten sind auch keineswegs Ausdruck einer Pönalisierung, sondern Folge des berechtigten Interesses an der Veröffentlichung.

[11] 3.4. In der Regel ist die Urteilsveröffentlichung in einem solchen Umfang zuzusprechen, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, über den wahren Sachverhalt bzw den Gesetzesverstoß aufgeklärt werden (RS0121963 [T9]). Das gilt zwar insbesondere, aber eben nicht nur für jene Verbraucher, deren Verträgen mit der Beklagten noch die inkriminierten Klauseln zugrunde gelegt worden sind (vgl RS0121963 [T6]). Dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb jedenfalls bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz in Wien ausgeübt hat, stellt sie nicht in Abrede. Damit ist die vom Berufungsgericht angeordnete Veröffentlichung im redaktionellen Teil der Regionalausgabe für Wien einer bestimmten Zeitung an einem Samstag auch nicht zu beanstanden. Eine bloße mediale Berichterstattung oder die Bereitstellung einschlägiger Informationen auf einer Website der Verfahrensparteien wird dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung über die Verwendung bestimmter gesetzwidriger Vertragsbestandteile ebenso wenig gerecht (vgl dazu 2 Ob 238/23t [Rz 17] mwN), wie die von der Beklagten angestrebte persönliche Information ihrer Kunden.

[12] 4. Insgesamt kann die Beklagte daher keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen, sodass ihr Rechtsmittel zurückzuweisen ist.

[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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