OGH 4Ob1/24m

OGH4Ob1/24m4.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei *, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei *, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in Wien, wegen 60.994,20 EUR sA (Klage) sowie zuletzt 62.206,50 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 2.800 EUR; Widerklage) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2023, GZ 13 R 18/23x‑98, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00001.24M.0404.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der klagende Werkunternehmer begehrte vom beklagten Werkbesteller den (restlichen) Werklohn, der den Kostenvoranschlag beträchtlich überschritt. Die Ursache für die Überschreitung waren Mehrarbeiten, die durch Umstände in der Bestellersphäre verursacht worden waren. Der Kläger hatte den Beklagten unverzüglich nach der Erkennbarkeit dieser Umstände auf die konkret erforderlichen Mehrarbeiten und auch darauf hingewiesen, dass dadurch Mehrkosten entstünden. Die Höhe der Mehrkosten, die am 3. 10. 2016 (weitgehend) abschätzbar gewesen war, hatte er ihm am 28. 11. 2016 mitgeteilt.

[2] Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und berief sich (auch) auf eine Verletzung der Anzeigepflicht (§ 1170a Abs 2 ABGB). Überdies erhob er eine Widerklage, mit der er vom Unternehmer Schadenersatz wegen mangelhafter Werkleistung begehrte.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte das der Klage stattgebende und die Widerklage abweisende Urteil des Erstgerichts (auch) mit der Begründung, den Kläger habe gar keine Warnpflicht getroffen, weil § 1170a Abs 2 ABGB nicht anwendbar sei, wenn die Kostenüberschreitung auf Umständen in der Bestellersphäre beruhe. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[5] 1. Der Beklagte meint, das Berufungsgericht habe sich von der gefestigten höchstgerichtlichen Rechtsprechung entfernt. Unter Bezugnahme auf RS0021954 argumentiert er, der Oberste Gerichtshof befreie den Werkunternehmer bei einer unvermeidlichen beträchtlichen Überschreitung des Kostenvoranschlags, die auf Umstände zurückzuführen ist, die in der Sphäre des Werkbestellers liegen, nur von der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Mehrkosten, nicht aber von der Anzeigepflicht schlechthin. Die Anzeige müsse in solchen Fällen in angemessener Frist erfolgen.

[6] 2. Dieser Ansicht ist nicht beizutreten: Nach der Rechtsprechung, auf die sich die außerordentliche Revision bezieht, ist die unverzügliche Anzeige einer unvermeidlichen beträchtlichen Überschreitung eines Kostenvoranschlags zur Wahrung des Anspruchs des Werkunternehmers wegen der Mehrarbeiten – unabhängig von der „Verbindlichkeit“ des Kostenvoranschlags – entbehrlich, wenn die Umstände, die zu den Mehrarbeiten führen, in der Sphäre des Bestellers liegen (RS0021954; RS0022089; RS0028222 [T3]). Die Ansicht des Beklagten, die Rechtsprechung verlängere nur die Frist für die Anzeige des Werkunternehmers – von „unverzüglich“ auf „in angemessener Frist“ –, findet in den bezughabenden Entscheidungen keine Deckung: Aus diesen ergibt sich, wie schon das Berufungsgericht betont hat, dass überhaupt keine Anzeigepflicht besteht, wenn die Umstände, die zu den Mehrarbeiten führen, in der Bestellersphäre liegen (vgl 5 Ob 519/85; 9 Ob 66/99t [insbesondere den letzten Satz]; 7 Ob 67/00d; 9 Ob 109/06d [insbesondere den letzten Satz]). Entgegen der Annahme des Beklagten bewegt sich das Berufungsurteil somit im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

[7] 3. Die referierte Rechtsprechung hat zwar in der Literatur nicht ungeteilt Zustimmung gefunden (kritisch zB M. Bydlinski in KBB 7 § 1170a Rz 9; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 Rz 46 [darauf verweisend Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1170a Rz 10]). Die Ansicht des Beklagten, es verlängere sich nur die Frist für die Anzeige des Werkunternehmers nach § 1170a Abs 2 ABGB, wenn die beträchtliche Überschreitung auf Umständen in der Bestellersphäre beruhe, wird aber auch in der Literatur nicht vertreten.

[8] 4. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 502 ZPO nicht vorliegen.

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