European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080NC00003.24V.0319.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache wird anstelle des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien das Landesgericht Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht bestimmt.
Die klagende Partei hat ihre Kosten des Verfahrens über den Delegierungsantrag selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der Beklagte war bei der Klägerin als Angestellter im Außendienst beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde mit Ablauf des 31. 3. 2023 einvernehmlich beendet.
[2] Die Klägerin begehrt 1.094,06 EUR als aushaftenden Saldo des Vermittlerkontos des Beklagten. Dieser Betrag errechne sich durch Gegenüberstellung der verdienten Provision und der während des Vermittlerverhältnisses von der Klägerin an den Beklagten geleisteten Provisionsakonti sowie weiters aus Provisionsrückrechnungen, die aus Vertragsstorni resultierten. An Personalbeweisenbeantragt sie die Parteienvernehmung des Beklagten sowie die Vernehmung ihres „Regionalleiters Exklusivvertrieb West“, wobei als ladungsfähige Adresse eine Niederlassung der Klägerin in einer Nachbargemeinde von Innsbruck genannt ist.
[3] Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der behauptete negative Provisionssaldo sei mangels überprüfbarer Abrechnung durch die Klägerin nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe er die Provisionen gutgläubig verbraucht.
[4] Gleichzeitig mit seinem Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl beantragt er die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht. Neben dem von der Klägerin angeführten Regionalleiter komme ein weiterer Zeuge, der an derselben Adresse zu laden sei, in Frage. Da alle Beweispersonen in Tirol wohnhaft seien, sei die Delegierung zweckmäßig. Die Beendigung des Dienstverhältnisses und die dabei getroffenen Regelungen seien Gegenstand eines Rechtsstreits beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht, in dem auch ein Rechnungslegungsanspruch betreffend die Folgeprovisionen geltend gemacht werde.
[5] Die Klägerin trat dem Delegierungsantrag mit dem Argument entgegen, die Delegierung würde zu einer nicht gerechtfertigten Aushebelung des von ihr in Anspruch genommenen Wahlgerichtsstands nach § 4 Abs 1 Z 1 lit b ASGG führen. Der von ihr selbst namhaft gemachte Zeuge sei in ganz Österreich, sohin auch in Wien, tätig, weshalb für ihn eine Delegierung an das Landesgericht Innsbruck keine Erleichterung bringe. Die längere Fahrtdauer des Beklagten zum Arbeits und Sozialgericht Wien, das von Innsbruck ohne Umstände mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden könne, rechtfertige die Delegierung nicht.
[6] Das Erstgericht führte in seiner Stellungnahme aus, die Delegierung an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht könnte zweckmäßig sein.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Delegierungsantrag des Beklagten ist berechtigt.
[8] Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung darf nur den Ausnahmefall darstellen und soll nicht zu einer Durchbrechung der an sich maßgeblichen gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen. Gegen den Willen der anderen Partei kann die Delegierung daher nur dann ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589 ua).
[9] Eine Delegierung ist nur dann zweckmäßig, wenn die Rechtssache bei einem anderen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RS0046333; RS0053169). Für die Zweckmäßigkeit der Delegierung ist deshalb vor allem der Wohnsitz der Parteien und der namhaft gemachten Zeugen maßgeblich (RS0046540). Ein Delegierungsantrag kann aber auch dann begründet sein, wenn die Ansprüche, welche mit verschiedenen Klagen bei verschiedenen Gerichten geltend gemacht werden, untereinander im Zusammenhang stehen (RS0046528 [T20]), und insbesondere dann, wenn durch Verbindung von zwei Prozessen eine doppelte Beweisaufnahme vermieden und eine nicht unerhebliche Kostenersparnis erzielt werden kann (RS0046528 [T12]).
[10] Sämtliche bisher beantragten Beweispersonen haben ihre ladungsfähige Adresse im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck. Dass nach den Behauptungen der Klägerin der von ihr beantragte Regionalleiter Exklusivvertrieb West in ganz Österreich tätig ist, ist unerheblich, weil dem Gericht vor der Ladung des Zeugen nicht bekannt sein wird, wann dieser in Wien aufhältig sein wird. Die Erreichbarkeit des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Tirol aus ist ebenso irrelevant, steht es doch außer Zweifel, dass das Landesgericht Innsbruck von den Tiroler Ladungsadressen der Beweispersonen wesentlich leichter, kostengünstiger und schneller aufgesucht werden kann als das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien.
[11] Die Vernehmung des vom Beklagten genannten Zeugen wurde bisher von keiner der Parteien beantragt, weshalb der zwischen den Parteien strittigen Frage, ob dieser an der Tiroler oder an der Wiener Adresse der Klägerin zu laden wäre, keine Bedeutung zukommt (RS0046589 [T15]; 8 Nc 20/17h).
[12] Für die Zweckmäßigkeit der Delegierung spricht außerdem das anhängige Verfahren zwischen den Parteien vor dem Landesgericht Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht, in dem für den 22. 3. 2024 die vorbereitende Tagsatzung anberaumt ist. Unstrittig ist, dass diesem Prozess die als Beilage ./1 vorgelegte Klage zugrunde liegt. Demnach macht im genannten Rechtsstreit der (hier) Beklagte neben der Rückforderung eines im Zuge der Vertragsbeendigung geleisteten Betrags von 20.000 EUR sA auch einen Rechnungslegungs‑ und den daraus resultierenden Folgeprovisionsanspruch geltend. Da somit in beiden Verfahren die Abrechnung der Klägerin fraglich ist, ist deren Behauptungunzutreffend, dass Provisionsrückrechnungen und Vertragsstorni im Rechtsstreit vor dem Landesgericht Innsbruck nicht gegenständlich wären.
[13] Die Zweckmäßigkeit der Delegierung ist für alle Parteien zu bejahen.
[14] Dem Antrag ist daher stattzugeben.
[15] Kosten des Delegierungsverfahrens wurden nur von der Klägerin im Schriftsatz vom 16. 2. 2024 verzeichnet. Der im Zwischenstreit um die Delegierung unterlegene Delegationsgegner hat jedoch die von ihm verzeichneten Kosten seiner (ablehnenden) Äußerung selbst zu tragen (RS0036025 [T2]).
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