OGH 7Ob25/24p

OGH7Ob25/24p6.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* S*, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei A* SE, *, vertreten durch Mag. Martin Paar und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.686,87 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 27. September 2023, GZ 22 R 147/23h‑32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 31. März 2023, GZ 39 C 297/22b‑25 (nunmehr: GZ 42 C 366/23y‑25), bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00025.24P.0306.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Versicherungsvertragsrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger hat bei der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ARB 2003) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:

Artikel 6

Welche Leistungen erbringt der Versicherer?

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, übernimmt der Versicherer im Falle seiner Leistungspflicht die ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Deckungsanspruches entstehenden Kosten gemäß Punkt 6., soweit sie für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig sind.

[...]

3. Notwendig sind die Kosten, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckentsprechend und nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht. [...]“

[2] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Kosten seiner Rechtsvertreter, die dem Kläger in einem von ihm geführten Schadenersatzprozess für drei Schriftsätze sowie in einem weiteren Prozess für eine Replik und dem dazu erhobenen Kostenrekurs, dem nicht Folge gegeben wurde, nicht zugesprochen wurden, vom beklagten Rechtsschutzversicherer auf der Grundlage von Art 6.3. ARB 2003 zu ersetzen sind. Dies wurde von den Vorinstanzen vornehmlich mangels zweckentsprechender Maßnahmen der Rechtsverfolgung verneint.

[3] Das Berufungsgericht erklärte die Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO doch für zulässig, weil aus der im ersten Rechtsgang ergangenen „Entscheidung 7 Ob 86/22f nicht eindeutig hervorgeht, ob Art 6.3. der ARB 2003 so [zu] verstehen ist, dass die Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers wie bei § 41 ZPO auf jene Kosten beschränkt ist, die der Partei als im Sinn des § 41 Abs 1 ZPO notwendige Kosten vom Verfahrensgegner zu ersetzen wären, oder ob die Leistungspflicht der Rechtsschutzversicherung darüber hinausgeht und (nur) im Rahmen einer ex‑ante‑Prüfung im Einzelfall zu beurteilen ist, ob Schriftsätze zweckentsprechend, nicht mutwillig waren und eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestand und die 'Notwendigkeit' nur nach diesen Kriterien zu prüfen ist“.

Rechtliche Beurteilung

[4] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[5] 1. Gemäß Art 6.1. ARB 2003 übernimmt die Beklagte die hier zu beurteilenden Rechtsanwaltskosten nur, soweit sie zur Wahrung der rechtlichen Interessen des klagenden Versicherungsnehmers notwendig waren. Notwendig sind gemäß Art 6.3. ARB 2003 die Kosten, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckentsprechend und nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

[6] Bei der Prüfung, ob die Verfahrenskosten gemäß Art 6.3. ARB 2003 als notwendig anzusehen sind, können die zu den §§ 41 ff ZPO entwickelten Grundsätze herangezogen werden (7 Ob 86/22f [Rz 27] mwN). Als zweckentsprechend gilt jede – verfahrensrechtlich zulässige – Aktion, die zum prozessualen Ziel der Partei führen kann; die Prozesshandlung muss nach objektiver Beurteilung eine Förderung des Prozesserfolgs erwarten lassen (vgl RS0036038). Notwendig ist jede Aktion, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erreicht werden kann (vgl RS0035774 [T2]). Eine Partei kann daher, wenn kostensparende Verfahrenshandlungen zum gleichen sachlichen und formellen Ergebnis geführt hätten, nur jene Kosten beanspruchen, die diesen gleichen Zweck mit dem geringeren Aufwand erreicht hätten (vgl RS0035774 [T3]). Beide Beurteilungen hängen von den jeweiligen objektiven Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 86/22f [Rz 27]); sie sind immer ex ante vorzunehmen (RS0036038; 7 Ob 208/22x [Rz 75] mwN).

[7] 2. Gegen die nicht zu beanstandende Beurteilung der Vorinstanzen, die entsprechend Art 6.3. ARB 2003 die Notwendigkeit der Kosten für die vier Schriftsätze und den Kostenrekurs verneinten, hält der Kläger keine beachtenswerten Argumente entgegen:

[8] 2.1. Wenn der Kläger damit argumentiert, dass nach einem Teil der Rechtsprechung ein Schriftsatz, der weder nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig noch vom Gericht aufgetragen worden sei, nach TP 2 RATG zu honorieren sei (vgl RS0121828), trifft das – wie vorliegend – jedenfalls nicht auf Schriftsätze zu, die nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Für einen solchen Schriftsatz besteht kein Ersatzanspruch, auch nicht ein solcher als „sonstiger Schriftsatz“ nach TP 2 RATG (10 Ob 13/20i [Punkt II.3.] mwN).

[9] 2.2. Dass mehrere Schriftsätze innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 257 Abs 3 ZPO eingebracht werden, sagt noch nichts über deren Zweckmäßigkeit aus. Diese ist in diesem Fall streng zu prüfen (Kodek in Fasching/Konecny 3 III/1 § 257 ZPO Rz 23).

[10] Der Schriftsatz vom 14. 6. 2018 im Verfahren zu AZ 2 Cg 34/18d (Duplik) enthielt lediglich Ergänzungen, zu denen der Kläger bereits im vorangegangenen vorbereitenden Schriftsatz Vorbringen erstattet hatte. Neue Beweisanträge enthielt er nicht. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Kosten für diesen Schriftsatz mangels zweckentsprechender Rechtsverfolgung von der Beklagten nicht abzudecken sind, weil der Kläger dieses Vorbringen bereits im vorangegangenen Schriftsatz erstatten hätte können und die Ergänzungen auch erst in der darauffolgenden Verhandlung vorgetragen hätten werden können (vgl 4 Ob 36/04d), ist nicht zu beanstanden.

[11] 2.3. Der Schriftsatz vom 30. 4. 2019, für den er Kosten nach TP 3A RATG von der Beklagten begehrt, enthielt eine Klageeinschränkung um 760,13 EUR aufgrund der Ergebnisse des Sachverständigengutachtens. Etwa eine Woche nach Einbringung dieses Schriftsatzes war die Tagsatzung anberaumt. Warum der Kläger diese (geringfügige) Klageeinschränkung nicht in dieser Tagsatzung vornehmen hätte können, legt er nicht dar. Dadurch hätten diese Kosten leicht vermieden werden können, sodass dieser Aufwand – entsprechend der Beurteilung der Vorinstanzen – nicht notwendig im Sinn des Art 6.3. ARB 2003 war.

[12] 2.4. Der Schriftsatz vom 8. 10. 2019 wurde nur fünf Tage nach der vorangegangenen (fünften) Tagsatzung eingebracht. In dieser wäre es möglich gewesen, ergänzendes Vorbringen zu erstatten und die Urkunde vorzulegen. Dass die Vorinstanzen die Kosten für diesen Schriftsatz auf der Grundlage von Art 6.3. ARB 2003 mangels zweckentsprechender Rechtsverfolgung nicht als notwendig ansahen, ist nicht korrekturbedürftig (vgl zur fehlenden Honorierung bei Erstattung von Vorbringen außerhalb einer Tagsatzung, obwohl dazu die Möglichkeit bestand: 2 Ob 155/05s; [21. 2. 2023] 10 Ob 2/23a [Rz 132]; 2 Ob 82/23g [Rz 24]).

[13] 2.5. Dass die Vorinstanzen die weiters vom Kläger von der Beklagten begehrten Kosten für die Replik vom 17. 9. 2020, seinen erfolglosen Kostenrekurs und die Kostenrekursbeantwortung (des Prozessgegners) jeweils im Prozess zu AZ 36 Cg 55/20w nicht als notwendig im Sinn des Art 6.3. ARB 2003 qualifizierten, ist ebenfalls vertretbar.

[14] Sein kurzes (einseitiges) Vorbringen in der Replik hätte er entweder bereits im vorangegangenen Schriftsatz oder in der Tagsatzung, die eine Woche nach Einbringung anberaumt war, samt der Urkundenvorlage erstatten können. Mit dem vorherigen vorbereitenden Schriftsatz hat der Kläger keine Urkunden vorgelegt, obwohl dies leicht möglich war. Welche „guten Gründe“ er hatte, die Urkunden nicht sogleich vorzulegen, führt er in der Revision nicht aus.

[15] Die Beklagte hat vorab die Kostendeckung für den vom Kläger beabsichtigten Kostenrekurs abgelehnt. Der Kläger erhob ihn dennoch, wobei er den Zuspruch der Kosten für seine Replik begehrte. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kostenrekurs bei ex‑ante‑Betrachtung keine hinreichenden Erfolgsaussichten gehabt hatte, ist nicht zu beanstanden. Dies behauptet der Kläger auch nicht. Wenn er mit prozesstaktischen Überlegungen argumentiert, zeigt er nicht die Notwendigkeit des Kostenrekurses auf.

[16] 3. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

[17] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RS0112296). Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T3]).

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