OGH 3Ob168/23m

OGH3Ob168/23m28.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Poduschka Anwalts GmbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. FC*, Italien, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. FP*, Italien, vertreten durch Thurnher, Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen 14.610 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Juni 2023, GZ 11 R 16/22k‑40, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 13. Mai 2022, GZ 5 Cg 63/21w‑34, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00168.23M.0228.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 980,15 EUR und der zweitbeklagten Partei die mit 1.175,75 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin kaufte am 8. Juli 2017 ein Wohnmobil („Sunlight T58“) von einer österreichischen Händlerin, in dem das von der Erstbeklagten hergestellte Fahrzeug Fiat Ducato 2,3 DS 130 verbaut ist. Die Zweitbeklagte lieferte mechanische Komponenten des Motors an die Erstbeklagte bzw an deren Konzerngesellschaften.

[2] Mitte des Jahres 2021 wurde die Klägerin durch Medienberichte darauf aufmerksam, dass etwas mit dem Motor ihres Wohnmobils nicht stimmen könnte. Tatsächlich ist dieser Motor mit einer Abschalteinrichtung versehen, die allerdings von der zuständigen italienischen Behörde als zulässig angesehen wird, weshalb kein Entzug der Typengenehmigung droht. Darüber hinaus ist das Wohnmobil aber auch mit einer temperaturabhängig gesteuerten Abgasrückführung (Thermofenster) ausgestattet, die im Sinn des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a der Verordnung 715/2007/EG unzulässig ist.

[3] Das Erstgericht wies die auf Schadenersatz in der Höhe von 30 % des Kaufpreises gerichtete Klage ab.

[4] Allein aufgrund der Abgasrückführung sei den Beklagten kein vorsätzliches, listiges oder sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Bis zum Schluss der Verhandlung sei der Klägerin außerdem kein Schaden entstanden.

[5] Das Berufungsgericht hob die Entscheidung zur Verfahrensergänzung auf. Die Erstbeklagte habe durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gegen unionsrechtliche Vorschriften verstoßen und damit rechtswidrig gehandelt. Die Bestimmungen der RL 2007/46 iVm Art 5 der VO 715/2007/EG bezweckten auch den Schutz des Vertrauens eines Käufers eines Fahrzeugs auf die Richtigkeit der vom Hersteller ausgestellten Übereinstimmungsbescheinigung. Infolge der Verletzung eines Schutzgesetzes sei der Schädiger dafür beweispflichtig, dass ihn an dieser Übertretung kein Verschulden treffe. Ob die Erstbeklagte, die eine vorsätzliche Täuschung bestritten habe, diesen Entlastungsbeweis erbringen könne, sei bisher nicht geklärt. Die Klägerin habe außerdem vorgebracht, dass für sie entscheidend gewesen sei, dass das Fahrzeug keine illegale Abschalteinrichtung aufweise; dazu fehlten ebenfalls Feststellungen. Zunächst sei daher zu klären, ob die Klägerin das Wohnmobil auch bei Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung gekauft hätte. Hinsichtlich der Zweitbeklagten habe die Klägerin ein zurechenbares vorsätzliches Fehlverhalten von deren Organen oder Repräsentanten behauptet; auch dazu fehlten jegliche Festellungen.

[6] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zu, weil Rechtsprechung zur Abschalteinrichtung sowie „zur Haftung eines Komponentenzulieferers, der keine Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hat, aber als Hersteller der Antriebsmaschine aufscheint“, fehle.

[7] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluss zu beheben und in der Sache selbst zu entscheiden, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und die Zurückweisung an das Berufungsgericht zur Sachscheidung begehrt.

[8] Die beiden Beklagten beantragen in ihren Rekursbeantwortungen jeweils, den Rekurs der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Dies ist kurz zu begründen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RS0043691):

[10] 1.1 Selbst wenn das Berufungsgericht zutreffend ausgesprochen hatte, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, das Rechtsmittel dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Rekurs trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059).

[11] 1.2 Ob die vom Berufungsgericht als notwendig erachtete Ergänzung des Verfahrens und der Feststellungen auf der Grundlage seiner gar nicht bekämpften Rechtsauffassung notwendig ist, hat der Oberste Gerichtshof nicht zu prüfen (RS0042179). Zweck des Rekurses ist die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof; ist diese richtig (oder wird sie nicht bekämpft), kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RS0042179). Das Berufungsgericht darf nur nicht eine Verfahrensergänzung auftragen, die durch das Prozessvorbringen der klagenden Partei nicht gedeckt ist (RS0042430).

[12] 2.1 Die Klägerin wendet sich in ihrem Rekurs nicht gegen die vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH C‑145/20 vertretene Rechtsauffassung. Zu der vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung aufgeworfenen Rechtsfrage nimmt sie nicht konkret Stellung. Im Wesentlichen lassen sich ihre nur kursorisch ausgeführten Argumente dahin zusammenfassen, das Verfahren sei gegen beide Beklagten im Sinn der Klagsstattgebung spruchreif; das Berufungsgericht hätte in der Sache selbst entscheiden müssen. Es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die erstgerichtlichen Festellungen nicht ausreichend seien. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt sie damit nicht auf.

[13] 2.2 Über die mögliche Ersatzpflicht des Herstellers für einen Verstoß gegen Art 5 der VO 715/2007/EG hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach entschieden; ebenso entspricht es der Rechtsprechung zu Ansprüchen wegen Fahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen, dass ein Schadenseintritt nur dann zu verneinen wäre, wenn das Fahrzeug zwar objektiven Verkehrserwartungen nicht genügt, aber konkret den Vorstellungen des Käufers entsprach (5 Ob 159/23b mwN). Inwiefern und aus welchem Grund diese Frage hier bereits auf Basis der erstgerichtlichen Festellungen beurteilt werden könnte, zeigt der Rekurs nicht aus.

[14] 2.3 Es wurde auch bereits entschieden, dass eine Haftung des Motorenherstellers nach § 1295 Abs 2 ABGB und wegen arglistiger Irreführung im Zusammenhang mit dem Kauf eines abgasmanipulierten Fahrzeugs denkbar ist (3 Ob 40/23p [Rz 5.3]). Zur geltend gemachten Haftung auch der Zweitbeklagten als (bloße) Herstellerin mechanischer Komponenten hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend auf die unzureichende Tatsachengrundlage hingewiesen. Auch hier vermag die Klägerin in ihrem Rekurs, in dem sie auf die Rechtsprechung zur Verletzung von Schutzgesetzen Bezug nimmt, nicht aufzuzeigen, aufgrund welcher Feststellungen eine Haftung der Zweitbeklagten für den geltend gemachten Schaden anzunehmen sein soll.

[15] 3. Erhebliche Rechtsfragen werden damit im Rekurs insgesamt nicht aufgeworfen.

[16] 4.1 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die (mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte) Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gibt es keinen Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO (RS0123222 [T4]). Die Beklagten haben in ihren Rekursbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RS0123222 [T14]).

[17] 4.2 Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Die ausländische Umsatzsteuer kann nur dann zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (§ 54 Abs 1 ZPO) oder die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes allgemein bekannt ist (RS0114955). Beide Beklagten haben ihren Sitz in Italien und ihre Rechtsanwälte haben jeweils kommentarlos 22 % verzeichnet. Ein Zuspruch von Umsatzsteuer kam daher nicht in Betracht.

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