OGH 17Ob1/24g

OGH17Ob1/24g22.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda, die Hofrätin Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. U*, vertreten durch die Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Dr. Matthias Cernusca, Rechtsanwalt in Klosterneuburg-Kritzendorf, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei N*, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung (Streitwert: 31.218 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. November 2023, GZ 15 R 143/23v-89, den

 

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0170OB00001.24G.0222.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Anfechtungsrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Ehe der Klägerin mit dem Vater des Nebenintervenienten wurde 2010 geschieden. Zwischen den Eheleuten kam es immer wieder zu Gerichtsverfahren, wobei die Klägerin über vollstreckbare Titel aus April 2020 und August 2021 verfügt. Der (im Jänner 2020 verstorbene) frühere Ehemann der Klägerin verkaufte im Oktober 2019 eine Liegenschaft an den Beklagten.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das auf Duldung der Exekutionsführung in die verkaufte Liegenschaft gerichtete Klagebegehren übereinstimmend ab. Dem Beklagten sei keine fahrlässige Unkenntnis einer (allfälligen) Benachteiligungsabsicht des früheren Ehemanns der Klägerin zur Last zu legen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt das Vorliegen einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht auf:

[4] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Obersten Gerichtshof geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[5] 2. Ob dem Anfechtungsgegner Fahrlässigkeit zur Last fällt, bestimmt sich nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, dem Maß ihrer ihm vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung. Maßgeblich sind nicht nur die äußeren Umstände, unter denen die Rechtshandlung vorgenommen wurde (Inhalt, auffällige Zeit oder Heimlichkeit der Vornahme), sondern es ist auch auf Elemente in der Person des „anderen Teils“ (zB Branchenkollege, Hausbank, Rechtsanwalt) abzustellen (3 Ob 92/11t Punkt 2. mwN).

[6] Die Frage, ob dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht des Schuldners bekannt sein hätte müssen, hängt im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0101976). Ebenso ist die Frage, wie weit die Nachforschungspflicht des Anfechtungsgegners reicht, eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frage (RS0101976 [T2]).

[7] 3. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht seinen insofern bestehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Einerseits lag der Preisfindung im Rahmen der Verhandlungen über den Kaufvertrag ein (wenn auch älteres) Sachverständigengutachten zum Verkehrswert zu Grunde, andererseits hatte der Beklage nach den Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Benachteiligungsabsicht des Verkäufers. Dass der Nebenintervenient als dessen Vertreter auftrat, musste den Beklagten im Hinblick auf die Verwandtschaftsbeziehung zwischen Vertreter und Vertretenem und den „nicht ganz fitten“ Gesundheitszustand des Vertretenen nicht zu weiteren Nachforschungen veranlassen. Indizien für wirtschaftliche Probleme des Verkäufers oder (drohende) Forderungen von Gläubigern, die Nachforschungen als geboten erscheinen hätten lassen, waren dem Beklagten nicht bekannt.

[8] 4. Soweit die Klägerin in der Revision eine analoge Anwendung des – hier noch relevanten (§ 502 Abs 8 EO) – § 2 Z 3 AnfO (iVm § 4 AnfO) mit der Argumentation anstrebt, dass der Beklagte Geschäftspartner des Nebenintervenienten gewesen sei, zeigt sie nicht einmal im Ansatz eine tragfähige Grundlage für die von ihr als geboten erachtete Analogie auf.

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