OGH 8Ob10/24i

OGH8Ob10/24i15.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R* G*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. P* GmbH & Co KG, *, und 2. V* AG, *, beide vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 23.108,18 EUR sA, über die Revision der zweitbeklagten Partei (Revisionsinteresse: 16.707,08 EUR) gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2023, GZ 4 R 151/22p‑78, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Juli 2022, GZ 62 Cg 17/21v‑61, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00010.24I.0215.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.410,90 EUR (darin enthalten 235,15 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht verurteilte die zweitbeklagte Fahrzeugherstellerin wegen im vom Kläger beim erstbeklagten Händler gekauften Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Schadenersatz in näher genannter Höhe. Über Antrag der Zweitbeklagten erklärte es gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision nachträglich mit der Begründung für zulässig, der Sachverhalt des Ersturteils könnte sich für die rechtliche Beurteilung als ergänzungsbedürftig erweisen, weil das Erstgericht „keine ausdrückliche Feststellung zum hypothetischen Alternativverhalten des Klägers getroffen [hat], nämlich dazu, ob er – wie er selbst behauptet, von den Beklagten aber bestritten – das Fahrzeug im Wissen um die Manipulationen nicht erworben hätte“.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die vom Kläger beantwortete Revision der Zweitbeklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts aufgrund der im Zeitpunkt der Fassung dieses Beschlusses bereits vorliegenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zulässig (vgl RIS‑Justiz RS0112769 [T9, T11, T12]).

[3] 1. Unionsrechtlich ist vorgegeben, dass der Schaden im Fall einer vom Hersteller im Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung bereits in der Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit liegen kann, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen. Dieser Schaden tritt bereits durch den Kaufvertrag ein, es sei denn, es wäre im konkreten Fall ein Schadenseintritt deshalb zu verneinen, weil das objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug dennoch konkret dem Willen des Klägers entsprochen hätte (10 Ob 27/23b [Rz 26]; 6 Ob 155/22w [Rz 52]; 6 Ob 197/23y [Rz 16] mwN), mit anderen Worten der Kläger das Fahrzeug auch in Kenntnis des Vorhandenseins eines verbotenen Konstruktionselements und unter Inkaufnahme der Unsicherheit über dessen Nutzungsmöglichkeiten gekauft hätte (10 Ob 16/23k [Rz 44 f]).

[4] Es steht fest, dass sich der Kläger beim Fahrzeugkauf „eine gewisse Umweltfreundlichkeit und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben [erwartete]“. Damit kann nicht gesagt werden, das wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen den objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug hätte dennoch konkret dem Willen des Klägers entsprochen, respektive ist klar, dass ein Kauf dieses Fahrzeugs unterblieben wäre. Vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts ist eine weitere (explizite) Feststellung des hypothetischen Kaufverhaltens des Klägers in Kenntnis des Vorliegens unzulässiger Abschalteinrichtungen entbehrlich.

[5] 2. In der Zulassungsbeschwerde wird auch im Übrigen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

[6] 2.1. Eine Prüfung, ob die Emissionsgrenzwerte trotz Aktivität der Abschalteinrichtung „im realen Straßenverkehr“ eingehalten werden, ist entgegen der Ansicht der Zweitbeklagten nicht durchzuführen. Die Emissionen dürfen nach der nunmehr gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die festgelegten Grenzwerte unter den in der Durchführungsverordnung angegebenen Prüfbedingungen nicht überschreiten. Für eine Prüfung im Realbetrieb besteht keine Rechtsgrundlage (10 Ob 31/23s [Rz 46]; 8 Ob 92/23x [Rz 12]; 8 Ob 118/23w [Rz 13] ua).

[7] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach unter Berufung auf die Entscheidung des EuGH zu C-128/20 , GSMB Invest, Rn 43, ausgesprochen, dass es auf die Bedingungen im Unionsgebiet, also überall innerhalb der Grenzen der EU ankommt, und daraus gefolgert, dass es sich bei dem (auch im Klagsfahrzeug verbauten) Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG handelt, weil es aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen jedenfalls in Österreich im überwiegenden Teil des Jahres aktiv ist und die Abgasrückführung reduziert (3 Ob 146/22z [Rz 19]; 9 Ob 10/23w [Rz 19 f] ua). Die angefochtene Entscheidung steht (auch) mit dieser Rechtsprechung im Einklang.

[8] 2.3. Soweit sich die Zweitbeklagte auf fehlendes Verschulden in Hinsicht auf das Vorhandensein eines Thermofensters beruft, ist sie darauf hinzuweisen, dass sie auch eine ebenso eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellende „Umschaltlogik“ zu verantworten hat. Bereits diese führte zum Schaden des Klägers im Zeitpunkt des Fahrzeugankaufs (siehe Pkt 1). Die Zweitbeklagte beziehungsweise deren Organe wussten nach den Feststellungen von der Unzulässigkeit der „Umschaltlogik“ und wollte(n), dass durch deren Einbau der Anschein eines gesetzeskonformen Motors hergestellt wird.

[9] Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[10] 3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Er stand in diesem Revisionsverfahren nur der Zweitbeklagten gegenüber, weshalb ihm kein Streitgenossenzuschlag zusteht.

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