OGH 8Ob5/24d

OGH8Ob5/24d15.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei S* K*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei W* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Beurle Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Linz, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Oktober 2023, GZ 1 R 214/23a‑15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 26. Juni 2023, GZ 14 C 496/22a‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00005.24D.0215.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 751,92 EUR (darin 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist ein Stromvertriebsunternehmen. Der Kläger zählte aufgrund eines bestehenden Energielieferungsvertrags zu ihren Kunden. Im August 2022 richtete die Beklagte ein Schreiben an den Kläger, in dem sie mitteilte, per 15. 8. 2022 eine Anpassung der Allgemeinen Bedingungen für die Lieferung (ALB) von Strom und Erdgas vorzunehmen. An Stelle von bisher einmal jährlich könnten Verbrauchs- und Grundpreis nunmehr zweimal jährlich angepasst werden. Die erste Anpassung erfolge zum 1. 9. 2022 und es könne dadurch zu einer (auch erheblichen) Preiserhöhung kommen. Wenn der Kunde einverstanden sei, brauche er nichts weiter zu tun. Andernfalls könne er binnen vier Wochen ab Zugang des Schreibens den geänderten Vertragsbedingungen widersprechen oder den Stromliefervertrag schriftlich kündigen. In diesem Fall ende der bisherige Stromliefervertrag spätestens am 30. 11. 2022.

[2] Der Kläger widersprach dem Schreiben und den geänderten ALB nicht.

[3] Mit einem weiteren Schreiben der Beklagten im August 2022 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass sich sein Strompreis mit 1. 9. 2022 ändere. Die Beklagte habe für ihn aber errechnet, dass der von ihr angebotene Strompreis „Optima entspannt“ für ihn günstiger sei und die Beklagte ihn bei Einverständnis ab 1. 9. 2022 zu diesem Tarif mit 12 Monaten Preisgarantie versorge. Im „Aktionszeitraum“ bis 30. 9. 2022 gewähre sie für den Umstieg per Antwortkarte oder online auf den Tarif „Optima entspannt“ Gratisstromtage. Natürlich könne der Kläger auch der Umstellung widersprechen und im bisherigen Stromtarif bleiben.

[4] Der Kläger stimmte dem Umstiegsanbot per ausgefüllter Antwortkarte, mit der er auch 80 Gratisstromtage beanspruchte, zu.

[5] Aufgrund des vereinbarten neuen Tarifs „Optima entspannt“ war der Kläger bzw sein klagsgegenständlicher Stromlieferungsvertrag letztlich nicht von der Preiserhöhung ab 1. 9. 2022 durch die Änderung der V.3 der ALB der Beklagten per 15. 8. 2022 betroffen. Eine Kündigung des Stromlieferungsvertrags erfolgte von keiner der Parteien.

[6] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm die Beklagte für jeden Schaden hafte, der ihm aus den Preiserhöhungen des Grund‑ und Arbeitspreises für Strom ab 1. 9. 2022 entstehe.

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei unbestimmt und unzulässig. Die Preiserhöhung aufgrund der ab 15. 8. 2022 geänderten ALB habe den Kläger nicht betroffen. Ein allfälliger Nachteil aus dem freiwilligen Tarifumstieg sei in seiner Disposition gelegen.

[8] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage, ob bei der gegenständlichen Konstellation und Wahl eines neuen Tarifs abstrakt ein Verstoß gegen § 80 Abs 2a ElWOG vorliegen kann, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

[9] In seiner Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung strebt der Kläger eine Klagsstattgebung an, außerdem regt er die Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens an. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel mangels der gesetzlichen Voraussetzungen zurückzuweisen, jedenfalls ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist ungeachtet des Zulassungsausspruchs des Erstgerichts, der den Obersten Gerichtshof nicht bindet, mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

[11] 1. Die Revision macht geltend, die Beklagte habe den neuen Tarif „Optima entspannt“ nach dem Inhalt ihres Schreibens automatisch angewendet. Einer Zustimmung des Klägers hätte es dazu nicht bedurft, sondern die Einsendung der Antwortkarte sei lediglich zur Inanspruchnahme der Gratisstromtage erforderlich gewesen. Die Möglichkeit, im alten Tarif zu bleiben und dem neuen zu „widersprechen“ sei nach dem Schreiben völlig unklar geblieben. Die Beklagte habe die Schutzbestimmungen des § 80 ElWOG durch die automatische Tariferhöhung umgangen. Die angekündigte Preiserhöhung sei nicht nachvollziehbar gewesen.

[12] 2. Soweit der Revisionwerber davon ausgeht, dass die Beklagte den Tarif „Optima entspannt“ automatisch beim Kläger angewandt habe, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Ob es zu einer automatischen Anwendung dann gekommen wäre, wenn sich der Kläger nicht ohnedies zur Annahme des Anbots aktiv entschlossen hätte, kann als hypothetische Annahme dahingestellt bleiben.

[13] Der Kläger hat sich auch nicht darauf berufen, dass die geänderte Tarifvereinbarung allenfalls mangels wirksamer Einwilligung nicht gelten würde.

[14] 3. Materielle Voraussetzung eines jeden Feststellungsbegehrens ist ein rechtliches Interesse (RIS‑Justiz RS0039177; Frauenberger‑Pfeiler in Fasching/Konecny³ ZPO III/1 § 228 Rz 75). Ein Feststellungsbegehren, das keine konkrete streitverhindernde oder sonstige Rechtswirkung zwischen den Parteien, sondern nur die Klärung abstrakter Rechtsfragen bezweckt, ist nicht zulässig (RS0039080; Frauenberger‑Pfeiler aaO Rz 65 ff). Voraussetzung für das Feststellungsinteresse ist eine unmittelbare Wirkung des festzustellenden Rechts auf die Rechtsposition der die Feststellung beantragenden Partei (RS0039080 [T3]).

[15] Die Frage, ob ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, denen – außer im Fall grober Fehlbeurteilung – keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0039177 [T1]).

[16] 4. Der Kläger strebt die Feststellung an, dass die Beklagte ihm für Nachteile aus den Preiserhöhungen des Grund‑ und Arbeitspreises für Strom ab 1. 9. 2022 hafte. Tatsächlich haben ihn diese einseitig von der Beklagten angekündigten Preiserhöhungen jedoch nicht betroffen, weil er ab 1. 9. 2022 aufgrund einer neu abgeschlossenen Vereinbarung zu einem anderen Tarif beliefert wurde.

[17] In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass dem Kläger hier allenfalls nur ein theoretisch-abstraktes Interesse an der Frage verblieb, ob und unter welchen Voraussetzngen die Beklagte zur einseitigen Änderung der ALB und zu Preiserhöhungen im früheren Tarif berechtigt war, liegt keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[18] 5. Auf einen Schaden aus der Anwendung des im August 2022 vereinbarten neuen Tarifs (mit einjähriger Preisgarantie und 80 Gratisstromtagen) wurde das Klagebegehren nicht gestützt. Es kommt für die Entscheidung über das Feststellungsbegehren daher nicht darauf an, ob das Angebotsschreiben der Beklagten allenfalls missverständlich formuliert war oder Überlegungsfristen verkürzt wurden.

[19] Auf die von den Vorinstanzen ebenfalls angesprochene mangelnde Bestimmtheit des Klagebegehrens, das sich nicht auf Feststellung der Unzulässigkeit der Preiserhöhung, sondern auf einen nicht definierten „Schaden“ bezieht, muss bei diesem Ergebnis nicht weiter eingegangen werden.

[20] 6. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass deren Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten (RS0035979 [T16]).

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