OGH 5Ob107/23f

OGH5Ob107/23f23.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in derRechtssache der klagenden Partei M* GmbH, *, vertreten durch die Spiessberger Traxler Bart‑Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Altmünster, gegen die beklagte Partei L* eGen, *, vertreten durch die Anwälte Mandl & Mitterbauer GmbH in Altheim, wegen 89.261,13 EUR sA (Revisionsinteresse 69.677,85 EUR) und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. April 2023, GZ 3 R 24/23d‑50, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00107.23F.1123.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten für ihre Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

 

Begründung:

Zu I.

[1] Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer Genossenschaft, die mit Kaufvertrag vom 25. 3. 2019 drei Grundstücke an eine GmbH veräußerte. Auf einem der Grundstücke befand sich eine Tankstelle. In Punkt V. dieses Kaufvertrags garantierte die Verkäuferin, dass der Kaufgegenstand, insbesondere im Bereich der auf der Liegenschaft vorhandenen Tankstelle, frei von jeglichen Kontaminationen ist, und verpflichtete sich für den Fall, dass weitere kontaminierte Materialien im Sinn von Abfällen, Sonderabfällen, gefährlichen Abfällen, Altöle oder sonstige Kontaminationen und/oder Altlasten im Sinne des Altlastensanierungsgesetzes vorhanden sind, die im Zug der Bebauung des Grundstücks zu entfernen sind, dies auf eigene Kosten durchzuführen.

[2] Mit Kaufvertrag vom 13. 11. 2019 erwarb die Klägerin die Grundstücke. Die verkaufende GmbH und ursprüngliche Käuferintrat ihr sämtliche Ansprüche aus dem Kaufvertrag mit der Beklagten vom 25. 3. 2019 ab.

[3] Die Klägerin begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes und der Gewährleistung die Zahlung von 89.261,13 EUR sA und die Feststellung, dass die Beklagte „für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Bodenverunreinigungen dieser Grundstücke […] und die damit verbundenen, kausalen Kosten und Entsorgungskosten dieser Bodenverunreinigungen“ hafte. Vertragswille der Parteien des Kaufvertrags vom 25. 3. 2019 sei es gewesen, dass die Beklagte als Verkäuferin für Abfälle im weitesten Sinn, daher auch für Bauschutt und Baureste hafte und dafür die Entsorgungspflicht übernehme.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die keine erheblichen Rechtsfragen anspricht und daher zurückzuweisen ist.

[6] 1. Die Abweisung ihres Feststellungsbegehrens greift die Klägerin in dritter Instanz ausdrücklich nicht mehr an.

[7] 2. Ob eine Vereinbarung im Einzelfall – insbesondere unter Erforschung der im konkreten Fall verfolgten Parteiabsicht – richtig ausgelegt wurde, bildet nach ständiger Rechtsprechung nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn in krasser Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein unvertretbares, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042776 [T31]). Ist das – wie hier – nicht der Fall, begründet selbst der Umstand, dass nach den Feststellungen allenfalls auch eine andere Auslegung vertretbar gewesen wäre, noch keine im Interesse der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung (RS0112106; RS0042776 [T2]; RS0044298 [T39]).

[8] 3. Die Klägerin argumentiert, dass Punkt V. des Kaufvertrags vom 25. 3. 2019 auch die im Verfahren gegenständlichen Baurestemassen (Inertabfälle) erfasse, weil sie „kontaminierte Materialien“ seien; allein aus der Verwendung des Worts „Abfälle“ ergebe sich, dass die Beklagte – ohne Einschränkung – für jegliche Art von Abfällen einzustehen habe. Mit seinem gegenteiligen Auslegungsergebnis soll das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und jener des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sein.

[9] 3.1. Wird eine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vertrags von dessen Wortlaut auszugehen. Die Bedeutung eines Worts ist dabei im Gesamtzusammenhang zu betrachten (RS0017831). Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin mit ihrer isolierten Betrachtung des Worts „Abfälle“ nicht nachvollziehbar darstellen, dass die Beklagte nach der Vereinbarung ohne Bezug zu einer möglichen Kontamination des Bodens die Haftung für alle Arten von Abfall übernommen hätte. Unerheblich ist daher, dass es sich bei Bauschutt bzw Baurestmassen um „Abfälle“ (dazu § 2 Abs 4 Z 6 Abfallwirtschaftsgesetz – AWG) handelt. Mit ihrem Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann die Klägerin daher keine im Einzelfall allenfalls aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzeigen.

[10] 3.2. Nach den Tatsachenfeststellungen hatten die Parteien des Vertrags vom 25. 3. 2019 eine unterschiedliche Auffassung davon, was unter dem Begriff „Kontamination“ zu verstehen sei. Soweit die Klägerin daher meint, es sei klar (im Sinn von ausdrücklich) vereinbart worden, dass die Beklagte als Verkäuferin auch für die Entfernung von Inertabfällen (Baurestemassen) hafte, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab (RS0043312 [T4]).

[11] 3.3. In der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung zu 3 Ob 200/13b hat sich der Oberste Gerichtshof mit der Auslegung des Begriffs „Kontamination“ bei ähnlicher Sachlage auseinandergesetzt. Auch in dem dort entschiedenen Fall ging es um eine Haftungsklausel in einem Kaufvertrag über ein Grundstück, auf dem sich ein Öltank befand. Im vorliegenden Fall haben die Parteien im Zuge der Vertragsverhandlungen ausdrücklich besprochen, dass sich auf einem der Grundstücke eine Tankstelle befindet, von der „naturgemäß Gefahren im Sinn einer Verunreinigung oder Kontaminierung des Bodens ausgehen können“. Warum es bei dieser Sachlage unvertretbar sein soll, dass sich das Berufungsgericht an der genannten Vorentscheidung orientierte, und ausgehend davon zum Ergebnis gelangte, dass der Begriff „Kontaminierung“ – wie in der Vorentscheidung – einschränkend zu verstehen sei und nur Verunreinigungen mit Öl sowie all jene Verunreinigungen erfassen sollte, die vergleichbare Auswirkungen haben, also die Umwelt und/oder Gesundheit von Menschen gefährden, ist nicht zu erkennen. Mit ihrer Behauptung, der hier gegenständliche Betonabfall sei umweltgefährdend, entfernt sich die Klägerin von den Tatsachenfeststellungen. Soweit sie sich auf die Entscheidung zu 9 Ob 56/08p stützt, lässt sie die bereits vom Berufungsgericht herausgearbeiteten Unterschiede zum vorliegenden Fall außer Acht.

[12] 3.4. Auf die von der Revisionswerberin ebenfalls bekämpfte Alternativbegründung des Berufungsgerichts, dass auch bei Anwendung des § 915 ABGB zum Nachteil der Klägerin ein in diesem Sinn eingeschränktes Verständnis des Begriffs „Kontamination“ zugrunde zu legen wäre, kommt es mangels Entscheidungsrelevanz nicht mehr an.

[13] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu II.:

[14] Der Oberste Gerichtshof hat die Beantwortung der Revision nicht freigestellt, sodass die Revisionsbeantwortung der Beklagten gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Für diese steht daher kein Kostenersatz zu (vgl RS0043690 [T6, T7]).

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