OGH 24Ds10/23i

OGH24Ds10/23i22.11.2023

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 22. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann als weitere Richterin und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Niederleitner als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, AZ D 5/20, D 2/21, über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 7. Juni 2023, GZ D 5/20, D 2/21‑40, nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0240DS00010.23I.1122.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass die vom Beschuldigten zu ersetzenden Pauschalkosten auf 1.000 Euro herabgesetzt werden.

 

Gründe:

[1] Mit dem auch Teilfreisprüche von ähnlichen Vorwürfen enthaltenden Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 14. Juli 2022 wurde * der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt für schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.

[2] Danach hat er namens der W* GmbH als Verteidigerin von * A* im Verfahren AZ 17 Hv 101/18v des Landesgerichts Feldkirch in der Berufung und Gegenausführung zur Strafberufung der Staatsanwaltschaft vom 2. Dezember 2019 ausgeführt,

a./ auf Seite 2:

„In 60 Jahren als Strafverteidiger (40 Jahre der Erstverteidiger, 20 Jahre der Zweitverteidiger) haben diese noch nie erlebt, was sich der Erstrichter in diesem Verfahren herausgenommen hat. Offenbar stammt [gemeint: stand] seine Entscheidung unter dem Eindruck der Tatsache, dass er wusste, dass er die Justiz verlassen wird und hat deshalb seine offenkundig pflichtwidrige Entscheidung aus Leichtfertigkeit getroffen.“

b./ auf Seite 4:

„Anstatt nur das zu tun, was das Obergericht dem Erstgericht aufgetragen hat, stümperte der Erstrichter zur inneren Tatseite mit folgenden Aussagen [...].“

c./ auf Seite 5:

„Mit anderen Worten, der Erstrichter verschweigt mala fide den ersten Rechtsgang und seinen nach § 293 Abs 2 StPO bindenden Auftrag und ignoriert die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 1. Oktober 2018, AZ 11 Bs 98/18a, völlig.“

[3] Der dagegen erhobenen Berufung hat der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 26. April 2023, AZ 24 Ds 20/22h, keine Folge gegeben.

[4] Mit dem angefochtenen Beschluss vom 7. Juni 2023 setzte der Vorsitzende des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer die vom Beschuldigten zu ersetzenden Pauschalkosten (§ 41 Abs 2 DSt) mit 1.400 Euro fest.

[5] Der Vorsitzende ging von einem „mittelschweren Vorverfahren“, der Dauer des Verfahrens in erster Instanz von drei Stunden und der Dauer des Berufungsverfahrens von 22 Minuten aus. Neben verschiedenen Stundensätzen berücksichtigte er in Form eines Abschlags auch die Freisprüche des Beschuldigten.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten, mit der er in erster Linie die Nichtfestsetzung von Pauschalkosten, in eventu deren Herabsetzung begehrt. Begründend meinte er, dass allein die teilweisen Freisprüche im Verfahren erster Instanz – wie in einem Zivilprozess – die Kostenaufhebung rechtfertigen würden, auch wären verschiedene Einzelaufwendungen, etwa die Anfahrt des Kammeranwalts zur Berufungsverhandlung, entbehrlich gewesen, was ebenfalls eine Kostenreduzierung rechtfertigen würde. Letztlich stünde der Kostenersatz in keinem angemessenen Verhältnis zur verhängten Strafe.

[7] Die Beschwerde erweist sich als teilweise berechtigt.

[8] Gemäß § 41 Abs 2 DSt sind die Pauschalkosten nach Maßgabe des Umfangs und des Ausgangs des Verfahrens unter Vermeidung unbilliger Härten zu bemessen; sie dürfen 5 % des in § 16 Abs 1 Z 2 DSt genannten Betrags, das sind derzeit 2.250 Euro, nicht übersteigen. Bei der Kostenermittlung ist zwar von der tatsächlich vorgelegenen Belastung für die im Verfahren tätigen Organe in Bezug auf den die Kostenersatzpflicht auslösenden Schuldspruch auszugehen (§ 381 Abs 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt), die Kosten sind jedoch nicht für die einzelnen in Anspruch genommenen Leistungen, sondern insgesamt für das gesamte Verfahren zu berechnen und zu bestimmen (RIS‑Justiz RS0078291 [T5 und T6]). Der Kritik des Beschwerdeführers, einzelne Leistungen der am Verfahren beteiligten Organe wären entbehrlich gewesen, kann schon deshalb keine Bedeutung zukommen.

[9] Zur Vermeidung unbilliger Härten sind darüber hinaus die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Sorgepflichten des Disziplinarbeschuldigten zu berücksichtigen (Lehner in Engelhart et al RAO11 § 41 DSt, Rz 2 ff; König in Murko/Nunner-Krautgasser, Anwaltliches und notarielles Berufsrecht § 41 DSt Rz 3; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 41 DSt, 948 f), ohne dass die anderen Komponenten für die Kostenermittlung, wie insbesondere der Verfahrensumfang, außer Acht gelassen werden dürfen (RIS‑Justiz RS0057112). In dieser Hinsicht enthält die Beschwerde allerdings keinerlei Hinweise, die unter diesem Gesichtspunkt eine Verringerung der Kosten rechtfertigen würde.

[10] Soweit der Beschwerdeführer die teilweise Kostenaufhebung wegen der Freisprüche in I. Instanz verlangt, ist ihm entgegen zu halten, dass es sich beim Disziplinarverfahren nicht um die kontradiktorische Durchsetzung privater Ansprüche der Parteien, sondern um die Wahrung der standesrechtlichen Vorschriften handelt, sodass schon allein deshalb die Grundsätze der §§ 40 ff ZPO nicht analog herangezogen werden können. Selbst die analoge Anwendung von Bestimmungen der Strafprozessordnung (§ 77 DSt) rechtfertigt bei Teilfreisprüchen keinen Kostenersatz (König in Murko/Nunner-Krautgasser, Anwaltliches und notarielles Berufsrecht § 41 DSt Rz 10 f mwN), sodass sich auch unter diesem Gesichtspunkt eine Aufrechnung oder Kostenaufhebung verbietet. Berücksichtigt werden, wie im angefochtenen Beschluss geschehen, Freisprüche durch entsprechende Reduzierung des Kostenbeitrags (RIS‑Justiz RS0057035). Unzutreffend ist schließlich auch der Einwand, die festgesetzten Pauschalkosten stünden in einem Missverhältnis zu der über den Beschuldigten verhängten Geldstrafe; das Gesetz sieht nämlich – innerhalb der Grenzen des § 41 Abs 2 DSt iVm § 16 Abs 1 Z 2 DSt – keine bestimmte Relation zur konkreten Geldstrafe vor (20 Ds 10/14t; 20 Ds 9/20h).

[11] Angesichts des sowohl im tatsächlichen als auch im rechtlichen Bereich nicht besonders komplexen Verfahrens war aber die Ausmessung der Pauschalkosten mit etwas mehr als 60 % der Höchstsumme überhöht, sodass mit der spruchgemäßen Reduktion des Pauschalkostenbeitrags vorzugehen war.

[12] Soweit der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zum Croquis der Generalprokuratur die Unzuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung über die Kostenbeschwerde geltend macht und deren Vorlage an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg beantragt, genügt der Verweis auf § 46 DSt.

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