OGH 4Ob184/23x

OGH4Ob184/23x21.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, Dr. Tarmann‑Prentner, MMag. Matzka und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*, 2. C*, vertreten durch die BREITENEDER Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. S*, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. E* GmbH *, Deutschland, vertreten durch die DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 22.482,55 EUR sA, über den Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 18. Juli 2023, GZ 4 R 68/23h‑32, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 27. März 2023, GZ 10 Cg 55/22a‑23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00184.23X.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien deren mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger machen Schäden aus einem Aktienerwerb geltend, für den die Beklagten als Aufsichtsrat bzw Abschlussprüferin der Emittentin wegen der Verletzung von Aufsichts- und Prüfpflichten hafteten.

[2] Das Erstgericht setzte das Verfahren gegen die Zweitbeklagte wegen eines präjudiziellen Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) in Deutschland gemäß Art 30 Abs 1 EuGVVO bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung aus, weil es ua den sachlichen Zusammenhang beider Verfahren bejahte.

[3] Das Rekursgericht behob diesen Beschluss ersatzlos, trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die Zweitbeklagte auf und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nach dem auf die Aussetzung nach Art 30 EuGVVO anzuwendenden § 192 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der dagegen erhobene – und von den Klägern beantwortete – Revisionsrekurs der Zweitbeklagten ist absolut unzulässig und somit zurückzuweisen.

[5] 1. Nach § 192 Abs 2 ZPO können die nach den §§ 187 bis 191 ZPO erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Die Abweisung eines Unterbrechungsantrags ist damit grundsätzlich unanfechtbar (RS0037071), was nach ständiger Rechtsprechung auch für die hier vorliegende Ablehnung der in erster Instanz bewilligten Unterbrechung durch das Rekursgericht gilt (RS0037074; RS0037003 [T2]). Der Rechtsmittelausschluss ist nur dann unanwendbar, wenn eine Unterbrechung zwingend vorgeschrieben ist (RS0037034; RS0037020; RS0037066).

[6] 2. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst zu 10 Ob 34/23g in einem Parallelfall – mit teilweiser Parteien- und gänzlicher Parteienvertreteridentität – ausführlich begründet, dass für die Aussetzung des Verfahrens nach Art 29 oder 30 EuGVVO gemäß ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sowie einhelliger Lehre die Bestimmungen über die Unterbrechung des Verfahrens nach §§ 190 ff ZPO (analog) heranzuziehen sind.

[7] 3. Die Frage, ob ein inländisches Verfahren aufgrund eines Sachzusammenhangs mit einem Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat auszusetzen ist, stellt eine Ermessensentscheidung dar (RS0128721; 4 Ob 118/06s; BGH VI ZR 45/12 [je zur Vorgängerbestimmung des Art 28 EuGVVO 2002]). Die Aussetzung bzw Unterbrechung ist nicht zwingend vorgesehen, sodass die Rechtsmittelbeschränkung des § 192 Abs 2 ZPO greift und eine die Unterbrechung ablehnende Entscheidung unanfechtbar ist (10 Ob 34/23g mwN).

[8] 4. Die von der Zweitbeklagten zitierten Entscheidungen, in denen der Oberste Gerichtshof die dort erhobenen Rechtsmittel jeweils inhaltlich behandelte, sind nicht einschlägig, weil jeweils kein Fall des § 192 Abs 2 ZPO vorlag.

[9] 5. Da das Gesetz nicht ausspricht, dass eine Rechtsmittelbeantwortung im Fall der absoluten Unzulässigkeit des Rechtsmittels unstatthaft wäre, ist die Rechtsmittelbeantwortung nicht wie das Rechtsmittel selbst zurückzuweisen. Kostenersatz gebührt aber nur, wenn auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen und zur Zulässigkeitsfrage inhaltlich Stellung genommen wird (vgl RS0124565). Die Revisionsrekursbeantwortung der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen, weshalb ihnen die dafür verzeichneten Kosten zuzusprechen sind.

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