OGH 10ObS122/23y

OGH10ObS122/23y21.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Mag. Franjo Schruiff, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr.in Simone Metz, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 18. September 2023, GZ 9 Rs 78/23 s‑48, mit dem aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 3. Mai 2023, GZ 33 Cgs 36/22h‑42, teilweise als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00122.23Y.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Arbeitsrecht, Sozialrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und die beklagte Partei haben die Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die 1936 geborene Klägerin ist rumänische Staatsbürgerin. Sie bezieht eine rumänische Rente und seit 1. 4. 2010 eine Ausgleichszulage von der Beklagten.

[2] Mit Bescheid vom 1. 12. 2021 wurde die Ausgleichszulage ab 1. 9. 2020 neu festgestellt. Die Beklagte sprach aus, dass die Ausgleichszulage ab 1. 9. 2020 monatlich 395,37 EUR, ab 1. 1. 2021 monatlich 426,68 EUR und ab 1. 12. 2021 monatlich 421,68 EUR betrage und verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung eines Überbezugs an Ausgleichszulage von 582,15 EUR. Darüber hinaus heißt es im Spruch des Bescheids: „Ab 1. Dezember 2021 wird die Ausgleichszulage als Vorschuss ausgezahlt. Über die gebührende Ausgleichszulage ab 1. Dezember 2021 wird zu einem späteren Zeitpunkt bescheidmäßig entschieden.“

[3] Mit ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt die Klägerin

1. die Bezahlung der Ausgleichszulage ab 1. 9. 2020 im gesetzlichen Ausmaß unter Abstandnahme einer Bevorschussung;

2. die Feststellung, dass ein Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von 582,15 EUR nicht bestehe und die Beklagte schuldig sei, den bereits einbehaltenen Teil des behaupteten Überbezugs an die klagende Partei zurückzubezahlen;

3. die Bezahlung der Ausgleichszulage auch hinsichtlich der im bekämpften Bescheid ab 1. 12. 2021 festgelegten Höhe von 421,68 EUR ab 1. 12. 2021 auf die tatsächlich zustehende Höhe zu korrigieren;

4. die Bezahlung der bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung angelaufenen Differenzbeträge.

[4] Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin

1. unter Abstandnahme von der Rückforderung eines Überbezugs an Ausgleichszulage im Ausmaß von 582,15 EUR von 1. 9. 2020 bis 31. 12. 2020 eine Ausgleichszulage von 695,32 EUR monatlich zuzüglich einer Sonderzahlung in derselben Höhe und von 1. 1. 2021 bis 30. 11. 2021 eine Ausgleichszulage von 731,13 EUR monatlich zuzüglich zweier Sonderzahlungen in derselben Höhe zu bezahlen;

2. ab 1. 12. 2021 einen monatlichen Vorschuss von 421,68 EUR auf die Ausgleichszulage zu leisten.

[5] Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies das Erstgericht ab.

[6] Das nur von der Klägerin im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens angerufene Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung das Urteil des Erstgerichts im Umfang der bekämpften Abweisung des Mehrbegehrens (Zuerkennung einer Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 12. 2021) und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Der bekämpfte Bescheid spreche ausdrücklich über die Ausgleichszulage von 1. 9. 2020 bis 30. 11. 2021 ab und erkläre, über die ab 1. 12. 2021 gebührende Ausgleichszulage zu einem späteren Zeitpunkt bescheidmäßig zu entscheiden. Damit habe die Beklagte hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, nur über die Ausgleichszulage im genannten Zeitraum zu entscheiden und die Entscheidung über die Zuerkennung einer Ausgleichszulage ab dem 1. 12. 2021 einer weiteren – gesonderten – Entscheidung vorzubehalten. Die im Bescheid enthaltene Mitteilung über die Gewährung eines Vorschusses sei als bloße Verständigung nicht mit Klage beim Sozialgericht anfechtbar. Da die Beklagte gemäß § 368 Abs 2 ASVG nur zur tatsächlichen Gewährung eines Vorschusses verpflichtet sei, nicht aber zur Erlassung eines Bescheids, liege auch kein Säumnisfall vor.

[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt beantwortete Rekurs der Klägerin, mit dem sie die inhaltliche Entscheidung des Berufungsgerichts über ihre Berufung anstrebt.

[8] Im Verfahren erster Instanz ist der Vorsitzende gemäß § 11a Abs 1 Z 3 ASGG auch befugt, eine Klage mangels Zulässigkeit des Rechtswegs mit Beschluss ohne Beiziehung fachkundiger Laienrichter zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat daher über eine Angelegenheit nach § 11a Abs 1 Z 3 ASGG entschieden, sodass sein (im Senat nach § 11 Abs 1 ASGG mit zwei fachkundigen Laienrichtern gefasster) Beschluss gemäß § 11a Abs 2 Z 1 ASGG durch einen Dreiersenat zu fassen gewesen wäre. Dieser Umstand der unrichtigen Gerichtsbesetzung bewirkt gemäß § 11a Abs 4 ASGG keine Nichtigkeit und ändert nichts daran, dass sich die Besetzung des erkennenden Senats nach § 11a Abs 3 Z 2 ASGG zu richten hat, weil ein Rechtsmittel gegen einen nach § 11a Abs 2 Z 1 ASGG gefassten Beschluss vorliegt (10 ObS 78/16t mwN; Dreiersenate auch in 8 ObA 7/16m; 8 ObA 12/22f; 8 ObA 19/23m; 9 ObA 11/23t; aA Neumayr in ZellKomm3 § 11a ASGG Rz 2 unter Hinweis auf 10 ObS 48/17g und 10 ObS 53/17t; referierend Kegelreiter in Köck/Sonntag, ASGG § 11a Rz 3).

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekurs der Klägerin ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig (RIS‑Justiz RS0043882 [T11]). Er ist aber nicht berechtigt.

[10] 1.1 Gegen den Ausspruch in einem Bescheid, dass für eine in Zukunft zu leistende Ausgleichszulage ein Vorschuss gewährt wird und die Entscheidung über den Ausgleichszulagenanspruch ausdrücklich vorbehalten wird, ist eine Klage nicht zulässig (10 ObS 264/97i SSV‑NF 11/150; 10 ObS 109/11v SSV‑NF 25/93; 10 ObS 5/12a; 10 ObS 111/21b).

[11] 1.2 Zu Unrecht beruft sich die Rekurswerberin für ihren Standpunkt auf die Entscheidung 10 ObS 264/97i. Zutreffend weist die Beklagte in der Rekursbeantwortung darauf hin, dass der vorliegende Sachverhalt mit dem zu 10 ObS 264/97i entschiedenen vergleichbar ist. § 368 Abs 2 ASVG trägt dem Versicherungsträger nur die (tatsächliche) Zahlung eines Vorschusses, nicht aber die Erlassung eines diesbezüglichen Bescheids auf (RS0085514). Etwas anderes könnte lediglich in jenen Fällen gelten, in denen eine bereits bescheidmäßig zuerkannte Ausgleichszulage in der Folge mangels ausreichender Einkommensnachweise zunächst nicht neu festgestellt werden kann (10 ObS 264/97i mwH). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor, weil die Beklagte im angefochtenen Bescheid nicht ausgesprochen hat, dass eine früher bereits rechtskräftig zuerkannte Ausgleichszulage ab einem bestimmten Zeitpunkt nur mehr als Vorschuss gewährt würde, sondern – entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin – ihren klaren Bescheidwillen dargelegt hat, über die erst in Zukunft (10 ObS 109/11v) ab 1. 12. 2021 gebührende Ausgleichszulage gesondert zu entscheiden (vgl auch 10 ObS 5/12a).

[12] 1.3 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass für den Zeitraum ab 1. 12. 2021 kein Bescheid der Beklagten vorliege, weshalb eine Bescheidklage nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG nicht mehr erhoben werden könne, steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass im vorliegenden Fall auch keine Säumnisklage erhoben werden könnte, stellt die Rekurswerberin nicht in Frage, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[13] 2. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage. Die Beklagte hat die Kosten der Rekursbeantwortung gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG selbst zu tragen.

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