OGH 4Ob157/23a

OGH4Ob157/23a21.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Tarmann‑Prentner, MMag. Matzka und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. H*, vertreten durch Forsthuber & Partner Rechtsanwälte in Baden bei Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH & Co * KG, *, vertreten durch die Lederer Hoff & Apfelbacher Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.000 EUR und Unterlassung (Gesamtstreitwert 3.500 EUR), über die „(ao.) Revision“ der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 7. Juli 2023, GZ 18 R 81/23z‑3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00157.23A.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass die Revision gegen sein das – auf § 9 Abs 2 BGStG gestützte, auf Zahlung von 1.000 EUR sowie vom Kläger mit 2.500 EUR (nach „JN/GGG/RATG“) bewertete Unterlassung gerichtete – Klagebegehren abweisende Urteil jedenfalls unzulässig ist. Es hat dies im Rahmen der Entscheidungsgründe mit § 502 Abs 2 ZPO begründet.

[2] Nach dieser Bestimmung ist eine Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt.

[3] Der durch die ZVN 2022, BGBl I 2022/61, eingeführte § 502 Abs 6 ZPO, wonach für Streitigkeiten nach dem BGStG unter anderem § 502 Abs 2 ZPO nicht gilt, ist gemäß § 619 Abs 2 Z 13 ZPO nur auf nach dem 1. 5. 2022 eingebrachte Klagen anzuwenden; die vorliegende Klage wurde jedoch am 7. 7. 2021 eingebracht.

[4] Das Berufungsgericht hat ungeachtet des Umstands, dass ein gesonderter Ausspruch im Spruch unterblieben ist, unmissverständlich im Sinne des § 500 Abs 2 lit a ZPO zum Ausdruck gebracht, dass es den Entscheidungsgegenstand als 5.000 EUR nicht übersteigend bewertete.

[5] 2. Ein solcher Ausspruch ist auch notwendig und beachtlich, weil eine Bewertung zu erfolgen hat, wenn der Streitgegenstand – wie hier – Geldeswert besitzt (RS0042418).

[6] 2.1. Zwar hat ein Bewertungsausspruch bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechte, die einer Bewertung durch Geld nicht zugänglich sind, zu unterbleiben (RS0042418 [T7 und T9]; vgl etwa 3 Ob 110/88 zur exekutiven Durchsetzung eines Besuchsrechts; 6 Ob 148/00h zu Unterlassungsansprüchen nach dem DSG [ RS0042418 {T12 und insb T17}, anders jedoch noch 6 Ob 2/10b und 3 Ob 100/14y = RS0042418 {T16}]; unlängst 6 Ob 180/21w zum Auskunftsanspruch nach § 18 Abs 4 ECG; oder 6 Ob 221/06b und 2 Ob 82/08k zum Anspruch auf Unterlassung des persönlichen Verkehrs).

[7] Nicht als höchstpersönlich und daher einer Bewertung zugänglich werden demgegenüber Ansprüche nach § 97 ABGB (3 Ob 689/82), nach § 1330 ABGB (RS0042418 [T8]), auf Nennung als Erfinder (4 Ob 119/80) oder nach § 78 UrhG (4 Ob 43/10t = RS0125855 mwN) angesehen.

[8] 2.2. Die Bestimmungen des BGStG gelten nach seinem § 2 Abs 2 unter anderem für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung sowie für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses, soweit es jeweils um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht. Der vermögensrechtliche und damit geldwerte Charakter der hier geltend gemachten Ansprüche ergibt sich bei diesem Geltungsbereich daraus, dass der Gesetzgeber einer in ihrem Recht, nicht aufgrund einer Behinderung diskriminiert zu werden (§ 4 BGStG), verletzten Person die Möglichkeit einräumt, für die Diskriminierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen einen Ausgleich in Geld zu verlangen: So haben nach § 9 Abs 1 BGStG eine von einer Verletzung des Diskriminierungsverbots nach § 4 Abs 1 BGStG betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung sowie nach § 9 Abs 2 BGStG eine von einer als Diskriminierung bildenden Belästigung gemäß § 5 Abs 4 BGStG betroffene Person – wie hier nach seinen Behauptungen der Kläger – gegenüber dem Belästiger Anspruch auf Ersatz des durch die Diskriminierung bei Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen erlittenen Schadens und auf Unterlassung der Belästigung. Das Gesetz schreibt sogar eine Mindesthöhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung vor und enthält weitere Vorschriften für die Bemessung der Entschädigung (§ 9 Abs 2 und 4 BGStG). Die Ansprüche nach dem BGStG können, wenn die Belästigung in Vollziehung der Gesetze erfolgt, auch als – geldwerte – Amtshaftungsansprüche gegen den zuständigen Rechtsträger geltend gemacht werden (§ 9 Abs 3, § 10 Abs 1 BGStG; vgl 1 Ob 189/09i).

[9] Damit sind die Ansprüche nach dem BGStG nicht von vornherein einer in Geld ausgedrückten Bewertung entzogen, zumal auch der Umstand, dass das Gesetz einen Anspruch auf Unterlassung des schadensverursachenden Verhaltens einräumt (vgl RS0042418 [T8]), hier nichts daran ändert, dass auch jenem Anspruch im Vordergrund stehende in Geld bewertbare Interessen zugrunde liegen (vgl Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 502 ZPO Rz 145 und Musger in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 528 ZPO Rz 24), nämlich nach dem klaren Gesetzeswortlaut der Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen und die diesbezüglichen (Privat-)Rechtsverhältnisse.

[10] 2.3. Dies entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers der ZVN 2022, BGBl I 2022/61, der die – zeitlich begrenzte (§ 619 Abs 2 Z 13 ZPO) – Einführung des (hier nicht anwendbaren) § 502 Abs 6 ZPO gerade damit begründete, dass aufgrund typischerweise eher geringer Streitwerte in Verfahren nach dem BGStG eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs häufig ausgeschlossen ist (vgl ErläutRV 1291 BlgNR 27. GP  14). Im Übrigen hat der Kläger selbst in der Klage das Unterlassungsbegehren mit 2.500 EUR („nach JN/GGG/RATG“) bewertet und führt diese Bewertung auch in der Revision an.

[11] 3. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht eine Bewertung vorgenommen. Das Rechtsmittel ist zufolge der Bewertung unter 5.000 EUR nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig und folglich zurückzuweisen, ohne dass auf die sonstigen Argumente der Revision einzugehen ist.

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