OGH 6Ob116/23m

OGH6Ob116/23m23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Martin Moser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei P* KG, *, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 15.544,65 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. April 2023, GZ 1 R 198/22k‑22, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. September 2022, GZ 18 Cg 72/21v‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00116.23M.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.316,40 EUR (darin 219,40 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin kaufte bei der beklagten Händlerin am 17. 1. 2013 einen ihr am 22. 1. 2013 übergebenen Gebrauchtwagen der Marke VW Touran 1,6 TDI. Darin war bei Übergabe des Fahrzeugs ein mit der „Umschaltlogik“ versehener Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut.

[2] Die Beklagte wusste bei Verkauf des Fahrzeugs an die Klägerin nichts über die Software‑Einstellungen zur Abschaltlogik auf dem Prüfstand. Ihr war dies auch nicht erkennbar. Sie hatte weder das Emissionsverhalten des Fahrzeugs noch dessen Software eingestellt oder manipuliert. Sie hatte nicht die Absicht, die Klägerin „mit dem Kaufvertrag zu schädigen“.

[3] In Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung hätte die Klägerin das Fahrzeug nicht gekauft. Die Klägerin wusste seit zirka Herbst 2015 vom „Abgasskandal“ und „hat das auch medial verfolgt“, sich aber nicht erkundigt, ob ihr Auto betroffen ist. Im Oktober 2015 informierte die Generalimporteurin (auch) die Klägerin darüber, dass ihr Fahrzeug vom sogenannten Dieselskandal betroffen ist und nun als technische Maßnahme ein Update zur Verfügung steht. Die Klägerin informierte sich daraufhin und wusste von der vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtung, entschied sich aber dazu, dass Software-Update nicht durchführen zu lassen.

[4] Dennoch wurde das Software-Update ohne Auftrag und ohne ihr Wissen am 19. 12. 2016 im Zuge eines Service bei ihrer Werkstätte (nicht der Beklagten) durchgeführt. Sie erfuhr davon erst später und führte die wenige Wochen nach dem Software-Update von ihr wahrgenommenen nachteiligen Veränderungen beim Drehmoment und bei der Beschleunigung auf das Software‑Update zurück. Im Jahr 2017 wurde ihr anlässlich des Defekts des AGR‑Ventils bei ihrer Werkstätte mitgeteilt, dass dieses Problem aufgrund des Software‑Updates „da sei“. Die Klägerin überlegte damals rechtliche Schritte, entschied sich aber nach Informationseinholung „dagegen“. Nachdem es im Jahr 2021 erneut zu technischen Problemen mit dem Fahrzeug gekommen war, begab sie sich zu einem Rechtsanwalt und brachte in der Folge (am 7. 7. 2021) die Klage ein.

[5] Die Klägerin nutzt das Fahrzeug, dessen Zulassung aufrecht ist, nach wie vor.

[6] Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Verjährung ab.

Rechtliche Beurteilung

[7] In ihrer Revision, die – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig ist, wirft die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[8] 1. Zur von den Vorinstanzen zutreffend als bereits abgelaufen beurteilten Gewährleistungsfrist für den Sachmangel (siehe zu einem gleichgelagerten Fall 3 Ob 40/23p [ErwGr 2.]) ist festzuhalten, dass Kaufvertragsabschluss und Übergabe des Fahrzeugs im Jänner 2013 lagen sowie dass feststeht, dass die Beklagte der Klägerin „auch nicht ausdrücklich die Freiheit des Kaufgegenstandes von Mängeln im Zusammenhang mit der Abgasreinigung zugesagt hat“.

[9] Damit kommt auf den vorliegenden Fall § 933 ABGB idF vor dem Gewährleistungs-RL-Umsetzungsgesetz BGBl I 2021/175 zur Anwendung. Sogar dann, wenn man der – nicht im Einklang mit der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung stehenden (RS0018982; RS0018937) – Ansicht der Klägerin folgte, es beginne die Gewährleistungspflicht bei verdeckten Mängeln erst ab Erkennbarkeit zu laufen, wäre für sie nichts gewonnen. Es steht nämlich fest, dass sie (schon) im Herbst 2015 (und damit mehr als fünf Jahre vor Klagseinbringung) von der vorhandenen unzulässigen Abschalteinrichtung wusste. An der (mehr als vier Jahre vor Einbringung der Klage erfolgten) Aufspielung des Software-Updates war die Beklagte nicht beteiligt.

[10] 2. Zur Behauptung, es liege (wegen der „Gefahr der mangelnden Rechtsbeständigkeit der EG-Zulassung“) ein Rechtsmangel vor, kann die Klägerin auf die Entscheidung zu 3 Ob 40/23p (kein Rechtsmangel solange die Typengenehmigung aufrecht ist [ErwGr 3]; siehe auch 3 Ob 146/22z [ErwGr 5.3.]) verwiesen werden.

[11] 3. Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf Schadenersatzansprüche und den Wissensstand der Klägerin „als fachunkundige Geschädigte darüber, dass es einen haftpflichtigen Schädiger gäbe“. Insoweit legt die Klägerin – mit der Sachverhaltsbasis nicht in Einklang stehende – Unterstellungen zugrunde, wonach die Beklagte die schadhaften Auswirkungen der Manipulation verharmlost und geheim gehalten haben soll. Dies trifft nach dem tatsächlich festgestellten Sachverhalt nicht zu. Legt die Klägerin aber ihren Überlegungen im Rechtsmittel einen nicht festgestellten Wunschsachverhalt zugrunde, führt sie das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig aus, sodass ihre daran anknüpfenden Überlegungen keiner weiteren Behandlung zuzuführen sind (vgl RS0043312 [insb T4, T12, T14]; RS0043603 [insb T2, T8]).

[12] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

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