OGH 4Ob100/23v

OGH4Ob100/23v17.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * Rechtsanwaltskammer, *, vertreten durch Dr. Walter Müller und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei M*, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 40.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 13. April 2023, GZ 1 R 48/23v‑13, womit der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 28. Februar 2023, GZ 4 Cg 72/22s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00100.23V.1017.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist die gesetzliche Interessenvertretung der * Rechtsanwälte. Der Beklagte ist Einzelunternehmer mit Sitz in Deutschland und tritt (auch) in Österreich mit der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei *“ auf. Er ist weder in Deutschland noch in Österreich als Rechtsanwalt zugelassen, tritt aber im Geschäftsverkehr derart auf, dass er etwa einen Stromkonzern mit Klagen im Namen einer Vielzahl von Haushalten bedroht und auf seiner Website im Zusammenhang mit einer Sammelklage von „weiteren Anwaltskollegen“ spricht. Dazu verwendet er zumeist auch die folgende Graphik:

 

[2] Das Erstgericht trug dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung auf, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

1) a) in Österreich wohnhafte Verbraucher in Österreich rechtlich zu beraten oder diese gegenüber dritten Personen zu vertreten;

b) in Österreich in Verbindung mit einer bildlichen Darstellung der Justitia mit Waagschale und Augenbinde unter der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ geschäftlich aufzutreten, obwohl der Beklagte keine Rechtsanwaltskanzlei betreibt.

 

Der über 1) a) hinausgehende Antrag (2), es werde dem Beklagten weiters geboten,

es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, in Österreich unter der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ geschäftlich aufzutreten, obwohl der Beklagte keine Rechtsanwaltskanzlei betreibt,

 

wurde abgewiesen.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs wegen der häufigen Verwendung der Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ zulässig sei.

[4] Die klagende Rechtsanwaltskammer beantragt mit ihrem Revisionsrekurs, dass ihrem Sicherungsantrag zur Gänze stattgegeben werde. Der Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren (wie schon am Rekursverfahren) nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig und somit zurückzuweisen.

[6] 1. Ob eine Ankündigung im Einzelfall zur Irreführung geeignet ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0053112), soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0107771; vgl auch 4 Ob 171/13w, „Kompetenzcenter“; 4 Ob 221/13y, „Unabhängige Opferschutzanwaltschaft“; in beiden Fällen wurde die Verneinung der Irreführung als vertretbar erkannt).

[7] 2. Die Vorinstanzen sind zum Schluss gekommen, dass die Bezeichnung „Wirtschaftskanzlei“ durch einen Unternehmensberater bei den angesprochenen Verkehrskreisen keine Fehlvorstellung iSd § 2 UWG hervorruft, zumal der Begriff „Wirtschaftskanzlei“ nicht den Rechtsanwälten vorbehalten sei. Der durchschnittliche Marktteilnehmer versteht darunter auch andere – nicht juristische – Berufszweige.

[8] 3. Das nunmehr von der Revisionsrekurswerberin vorgetragene Argument, dass die Bezeichnung nur für klassisch freiberufliche Tätigkeiten und nicht für gewerbliche Tätigkeiten branchenüblich sei, zeigt keine krasse Fehlentscheidung der Vorinstanzen auf, die der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Mit „Kanzlei“ werden im Allgemeinen nicht ausschließlich freiberufliche Tätigkeiten verbunden (vgl etwa „Realitätenkanzlei“ für Immobilienmakler). Auch der Begriff „Wirtschaft“ führt (auch im Zusammenhang mit „Kanzlei“) nicht zwingend zur Anwaltstätigkeit, zumal es sich dabei um einen sehr weiten Begriff handelt.

[9] 4. Da der Begriff „Wirtschaftskanzlei“ somit keiner bestimmten Berufsgruppe vorbehalten ist, haben die Vorinstanzen auch vertretbar keine „Mehrdeutigkeit“ erkannt, die dem Beklagten anzulasten wäre (vgl RS0078428).

[10] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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