OGH 1Ob138/23k

OGH1Ob138/23k20.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *versicherung auf *, FN *, vertreten durch die Dr. Bernhard Hundegger Rechtsanwalt GmbH in Villach, gegen die beklagte Partei S*, geboren am *, vertreten durch Dr. Hans Georg Mayer, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 105.796,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Juli 2023, GZ 4 R 94/23k‑87, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00138.23K.0920.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Am 10. 9. 2019 kam es in einem Wirtschaftsgebäude zu einem Brand. Der Beklagte nutzte einen Teil dieses Gebäudes als Werkstatt. Dort befanden sich neben verschiedenen elektrischen Geräten unter anderem auch drei Fahrzeuge.

[2] Die Klägerin zahlte als Feuerversicherer der Eigentümerin des Wirtschaftsgebäudes aufgrund des Brandgeschehens 105.796,30 EUR.

[3] Gestützt auf § 67 VersVG begehrt sie vom Beklagten den Ersatz der von ihr aus dem Versicherungsvertrag geleisteten Zahlungen. Der Beklagte habe an die Autobatterie eines der Fahrzeuge ein 12 Volt‑Ladegerät angeschlossen und die Werkstatt verlassen, ohne den Ladevorgang zu beenden, obwohl er bemerkt habe, dass die Batterie durch den Ladevorgang bereits heiß geworden sei. Dieser unsachgemäße Ladevorgang habe zum Brand geführt.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In tatsächlicher Hinsicht ging es davon aus, dass der Beklagte das Ladegerät zwar am Vortag des Brandes an die Batterie des Fahrzeugs angeschlossen, dieses dann aber wieder von der Batterie abgeklemmt sowie vom Stromnetz getrennt und am 10. 9. 2019 nicht wieder angeschlossen habe. Als mögliche Brandursachen seien weder die Batterie, das Ladegerät oder dessen unsachgemäße Handhabung noch andere elektrische Geräte, die sich im Gebäude befunden hätten, ausgeschlossen.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag.

[7] 1. Ihr Standpunkt, im Fall der Verletzung eines Schutzgesetzes müsse der Geschädigte nur dessen Übertretung und den Eintritt des Schadens beweisen, findet in der Rechtsprechung so nicht Deckung.

[8] 1.1. Zwar fordert die ständige Rechtsprechung bei Verletzung eines Schutzgesetzes keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhangs (RS0027640, RS0027462). Wohl aber muss der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde. Ist dass der Fall, obliegt es dem Beklagten, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit – durch Außerkraftsetzung des ihn belastenden Anscheinsbeweises – ernstlich zweifelhaft zu machen (RS0022599 [T3]). Eine Beweislastumkehr, wie die Klägerin offenbar meint, ist damit nicht verbunden (RS0027517). Gegenteiliges lässt sich auch der von ihr zitierten Entscheidung zu 1 Ob 2047/96b nicht entnehmen.

[9] 1.2. Welches konkrete Schutzgesetz der Beklagte verletzt haben soll, legt die Klägerin konkret gar nicht dar. Die von ihr (ohne nähere Begründung) genannten §§ 11 und 12 der Kärntner Gefahrenpolizei‑ und Feuerpolizeiordnung 2000 (K‑GFPO) mögen Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB sein. Einen Verstoß des Beklagten gegen die Bestimmung über die Lagerung brandgefährlicher (§ 11 K‑GFPO) oder die Vorschriften zur Lagerung sebstentzündlicher Stoffe (§ 12 K‑GFPO) führt sie in ihrer Revision jedoch nicht aus. Nach § 9 Abs 1 lit f K‑GFPO ist das Abstellen von zweispurigen Kraftfahrzeugen in Gebäuden oder Gebäudeteilen, die den Bestimmungen der Kärntner Bauvorschriften über Garagen nicht entsprechen, zwar verboten. Dass das Wirtschaftsgebäude diesen Bestimmungen nicht entsprochen hätte, behauptet sie aber gar nicht.

[10] 1.3. Abgesehen davon kann der Anscheinsbeweis vom Gegner damit entkräftet werden, dass er Tatsachen darlegt und unter Beweis stellt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als des typischen ergibt (RS0040196). Die dadurch nachgewiesene Möglichkeit muss nicht noch wahrscheinlicher sein als der erste Anschein (RS0040196 [T1; T3; T21]).

[11] Das Erstgericht hat mehrere mögliche Schadensursachen festgestellt, die vom Berufungsgericht als gleich wahrscheinlich für das Brandgeschehen beurteilt wurden, und nicht (nur) auf die Verletzung eines Schutzgesetzes durch den Beklagten zurückgeführt werden können. Selbst wenn man daher mit der Klägerin die Übertretung eines Schutzgesetzes annehmen wollte, wäre der erste Anschein entkräftet. Ob es dem Beklagten gelungen ist, einen anderen Geschehensablauf nachzuweisen, der als Schadensursache ernsthaft in Betracht gezogen werden kann, ist eine vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Frage der Beweiswürdigung (RS0022624 [T1]; RS0040196).

[12] 2. Die Klägerin unterstellt in ihrer Revision, dass der vom Beklagten am Vortag des Brandes (unsachgemäß) durchgeführte Ladevorgang zeitverzögert ursächlich für den Schaden war, und rügt dazu das Fehlen von Feststellungen. Es steht aber ohnedies fest, dass der Beklagte am Vortag des Brandes das Ladegerät von der Batterie abgeklemmt und vom Stromnetz getrennt hat. Da er das Ladegerät am Schadenstag selbst nicht mehr in Betrieb genommen hat, bleibt – geht man von einem nicht den Herstellerangaben entsprechenden Ladevorgang aus – ohnedies nur dieser („einmalige“) Ladevorgang als eine von mehreren möglichen Brandursachen. Da nach den Feststellungen aber auch noch andere Ursachen in Betracht kommen, sodass der Beweis des ersten Anscheins entkräftet ist, oblag ihr der Nachweis dafür, dass gerade dieser Ladevorgang (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) den Brand ausgelöst hat. Ob die Verursachung des Brandes durch den vom Beklagten durchgeführten Ladevorgang ausreichend bewiesen ist, betrifft aber ebenfalls ausschließlich Fragen der Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht überprüft werden können (RS0043371).

[13] 3. Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt unter anderem dann vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweiswürdigungsrüge nicht oder nur so mangelhaft befasst, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (RS0043150, RS0043371). Davon kann hier aber schon deshalb keine Rede sein, weil sich das Berufungsgericht ausführlich mit der Begründung des Erstgerichts und den von der Klägerin in ihrer Berufung dagegen vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt und dargelegt hat, warum der Zerstörungsgrad der Batterie nach den Beweisergebnissen nicht zwingend auf einen fachwidrigen Ladevorgang als einzige Brandursache schließen lässt.

[14] 4. Kostenersatz für die ohne Freistellung eingebrachte Revisionsbeantwortung steht dem Beklagten nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zu.

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