OGH 6Ob196/22z

OGH6Ob196/22z28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin G* Sch*, vertreten durch Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Antragsgegner 1. Mag. F* S*, 2. Dr. M* G*, beide vertreten durch SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. D* Privatstiftung, FN *, vertreten durch Gassauer‑Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsbeirats, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. August 2022, GZ 6 R 92/22a‑13, mit dem der Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 5. April 2022, GZ 73 Fr 10367/22y‑4, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00196.22Z.0628.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin sowie der Erst‑ und der Zweitantragsgegner haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Im Firmenbuch ist zu FN * die D* Privatstiftung (Drittantragsgegnerin, idF: Privatstiftung) eingetragen. Die Stifter KR K* F* sen und KR H* F* sind bereits vor mehreren Jahren verstorben. Aktuell Begünstigte der Privatstiftung sind – gemäß § 2 Abs 3 der Stiftungszusatzurkunde – gleichteilig G* Sch* (Antragstellerin) sowie ihr Bruder KR K* F* jun. Sie haben gemäß § 4 Abs 2 der Stiftungsurkunde keinen klagbaren Anspruch auf die Begünstigung.

[2] Gemäß § 7 der Stiftungsurkunde ist ein aus drei Mitgliedern bestehender Beirat eingerichtet und in dieser Bestimmung auch detailliert geregelt, wem das Recht zur Bestellung der Beiratsmitglieder zukommt. Der Vorstand hat nach Abs 9 dieser Regelung vor Beschlussfassung über die Ausschüttung von Erträgnissen sowie Art und Umfang von Zuwendungen an Begünstigte die Zustimmung des Beirats einzuholen.

[3] Im September 2015 unterfertigten die damaligen Beiratsmitglieder T* S*-F*, lic.oec HSG * Sch* und L* S* eine „Erklärung“, in der sie (unter anderem) Nominierungsrechte betreffend die künftige Bestellung der Beiratsmitglieder regelten, die auch auf alle künftigen Mitglieder des Beirats überbunden werden sollten.

[4] Nach Ablauf der Funktionsperiode der Beiratsmitglieder forderte lic.oec HSG P* Sch* T* S*‑F* auf, ihn entsprechend dieser „Erklärung“ (erneut) zum Beiratsmitglied zu bestellen. T* S*‑F* kündigte jedochimFebruar 2022 diese Vereinbarung und bestellte abweichend davon, aber gemäß den Regelungen des § 7 der Stiftungsurkunde sich selbst, den Erstantragsgegner und mit diesem gemeinsam den Zweitantragsgegner als neue Beiratsmitglieder.

[5] Die Antragstellerin begehrte bzw regte in eventu die Bestellung von lic.oec HSG P* Sch* zum Mitglied des Beirats der Privatstiftung gemäß § 27 PSG an, in eventu die Abberufung des Erst‑ und Zweitantragsgegners als Mitglieder des Beirats der Privatstiftung gemäß § 27 Abs 2 PSG und die Bestellung von lic.oec HSG P* Sch* zum Mitglied des Beirats der Privatstiftung. Sie habe ein rechtliches Interesse an der ordnungsgemäßen Besetzung der Organe und sonstigen Stellen und am Funktionieren der Privatstiftung. Die Erklärung aus 2015 habe bezweckt, endgültig eine umfassende Gleichberechtigung der beiden Familienstämme Sch* und F* zu schaffen. Mit der Erklärung hätten sich die Unterfertigenden unwiderruflich dauerhaft vertraglich binden wollen und sei T* S*-F* verpflichtet, die stiftungsrechtliche Bestellung entsprechend der Nominierung von lic.oec HSG P* Sch* durch Erklärung gegenüber dem Stiftungsvorstand vorzunehmen. Dem Stiftungsvorstand und den Antragsgegnern seien diese Erklärung sowie die Modalitäten der Beiratsbestellung bekannt gewesen, ebenso der Umstand, dass die Bestellung des Erst‑ und des Zweitantragsgegners durch T* S*‑F* entgegen dieser Erklärung erfolgt sei. Es liege daher eine missbräuchliche Vertretungshandlung von T* S*‑F* vor. Die Privatstiftung sei nicht schutzwürdig und müsse sich die Unwirksamkeit der Bestellungshandlungen entgegen halten lassen. Für den Fall, dass die Bestellung des Erst‑ und/oder Zweitantragsgegners wirksam sei, werde deren Abberufung aus wichtigem Grund gemäß § 27 Abs 2 PSG begehrt; der wichtige Grund liege in der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ihrer Bestellung.

[6] Das Erstgericht wies die Anträge ab; ein amtswegiges Verfahren werde nicht eingeleitet. Den Stiftungsbeirat betreffende Bestellungsmodalitäten seien in der Stiftungsurkunde selbst, daher nicht in der Stiftungszusatzurkunde und schon gar nicht in einer außerhalb der Stiftungserklärung geschlossenen Vereinbarung zu treffen. Das Verfahren nach § 27 PSG diene überdies nicht der Klärung der Wirksamkeit der Bestellung von Organmitgliedern. Diese Frage sei im streitigen Verfahren zu klären.

[7] Das Rekursgericht wies den dagegen gerichteten Rekurs der Antragstellerin zurück. Es führte aus, dass ihr die Stifter ausdrücklich keinen klagbaren Anspruch auf die Begünstigung eingeräumt hätten und ihr neben den Rechten als Begünstigte gemäß § 30 PSG auch keinerlei Bestellungs- oder besondere Rechte in Bezug auf die Tätigkeit der Privatstiftung zukämen. Ein rechtliches Interesse der Antragstellerin sei aus der Erklärung von 2015 nicht ableitbar. Diese sei überdies für die Beurteilung der Wirksamkeit der Bestellung der Beiratsmitglieder nicht verbindlich, weil sie die in der Stiftungsurkunde festgelegten Bestellungsrechte nicht ergänzen, sondern ändern wolle, was in dieser Form nicht wirksam erfolgen könne. Mangels rechtlichen Interesses komme der Antragstellerin weder ein Antrags- noch ein Rekursrecht im Hinblick auf § 27 PSG zu.

[8] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob einem Begünstigten ohne Bestellungsrecht ein rechtliches Interesse an der Be‑ bzw Zusammensetzung des Beirats zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

[10] 1. Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses im Außerstreitverfahren ist einseitig (RS0120614).

[11] 2. Der Antragstellerin kommt Rekurslegitimation zu:

[12] 2.1. Auch die gerichtliche Bestellung oder Abberufung von Mitgliedern eines in der Stiftungsurkunde eingerichteten Beirats richtet sich nach § 27 PSG und den Grundsätzen der zu Mitgliedern des Stiftungsvorstands ergangenen Rechtsprechung (vgl 6 Ob 93/21a [ErwGr 4.1.]).

[13] 2.2. Im Verfahren ist nicht strittig, dass die Antragstellerin aktuell Begünstigte der Privatstiftung ist.

[14] Die Einleitung eines Verfahrens nach § 27 PSG (sowohl auf Bestellung als auch auf Abberufung von Organmitgliedern) erfolgt auf Antrag oder von Amts wegen. Die Antragslegitimation ist im Privatstiftungsgesetz nicht gesondert geregelt, weshalb die Grundsätze des außerstreitigen Verfahrens gelten (§ 40 PSG). Antragslegitimiert sind somit nur Personen, denen ein rechtliches Interesse zukommt. Dazu zählen (unter anderem) aktuell Begünstigte, denen ein rechtliches Interesse (auch) am Vorhandensein vollständiger Stiftungsorgane zuzuerkennen ist (ErläutRV 1132 BlgNR 18. GP  30; 6 Ob 145/16s [ErwGr 1.1.]; Arnold, PSG4 § 27 Rz 29), ohne dass ihnen zusätzlich ein klagbarer Anspruch auf Zuwendungen oder sonstige Einfluss‑ oder Gestaltungsrechte auf die Privatstiftung zukommen müsste.

[15] Daher war die Antragstellerin zur gegenständlichen Antragstellung ebenso legitimiert wie zur Bekämpfung des abweislichen Beschlusses des Erstgerichts (vgl 6 Ob 145/16s [ErwGr 1.1.]).

[16] 3. Dies begründet jedoch nicht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses:

[17] 3.1. Hat das Rekursgericht zu Unrecht einen Rekurs aus formellen Gründen zurückgewiesen, kann der Oberste Gerichtshof zwar grundsätzlich nicht in der Sache selbst entscheiden. Anderes gilt aber unter anderem dann, wenn das Rekursgericht trotz formeller Ablehnung einer Entscheidung die Sache in den Gründen meritorisch behandelt hat (2 Ob 56/18a; RS0007037 [T10]; vgl RS0007060 [T1, T5]; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 70 Rz 3).

[18] Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht den Rekurs der Rechtsmittelwerberin auch meritorisch behandelt und begründet, weshalb die gegenständliche Vereinbarung für die Beurteilung der Wirksamkeit der Bestellung der Beiratsmitglieder nicht verbindlich sei. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zeigen die im Revisionsrekurs dagegen vorgetragenen Argumente aber nicht auf.

[19] 3.2. Nach § 10 Abs 2 erster Satz PSG müssen nicht nur die zwingenden Angaben des § 9 Abs 1 PSG, sondern auch die bloß fakultativen Angaben dessen § 9 Abs 2 Z 1 bis 8 PSG in der Stiftungsurkunde angeführt werden. Wenn Regelungsgegenstände des § 9 Abs 1 und dessen Abs 2 Z 1 bis 8 PSG in die Stiftungszusatzurkunde aufgenommen werden, sind sie grundsätzlich unwirksam und unbeachtlich, jedenfalls muss dies für Regelungen der Stiftungszusatzurkunde gelten, die im Widerspruch zu denjenigen der Stiftungsurkunde stehen (3 Ob 177/10s [ErwGr 2]; 6 Ob 228/17y [ErwGr 4.3.]).

[20] Der Revisionsrekurs wendet sich nicht gegen die Auffassung des Rekursgerichts, die näheren Regelungen der Bestellung und/oder Abberufung von Organmitgliedern, wie hier jenen des Beirats, seien in die Stiftungsurkunde aufzunehmen, sondern vertritt vielmehr selbst diese Ansicht.

[21] 3.3. Das Rekursgericht führte aus, nach der Stiftungsurkunde sei das Bestellungsrecht für die Beiratsmitglieder ausschließlich dem Familienstamm des KR K* F* jun eingeräumt, nicht aber jenem der Antragstellerin. Eine Paritiät der beiden Familienstämme innerhalb dieser Bestellungsrechte ergebe sich aus der Stiftungsurkunde nicht. Von einem „Anknüpfen“ der Vereinbarungaus 2015 an § 7 der Stiftungsurkunde könne keine Rede sein, vielmehr seien abweichende und diesem widersprechende Regelungen über die Bestellung von Beiratsmitgliedern getroffen worden. Da schon in die Stiftungszusatzurkunde aufgenommene, im Widerspruch zu denjenigen der Stiftungsurkunde stehende derartige Regelungen unwirksam seien, sei auch von der fehlenden Verbindlichkeit dieser Vereinbarungen für die Beurteilung der Bestellung der derzeitigen Beiratsmitglieder auszugehen. Eine Anpassung der Regelungen der Stiftungsurkunde über die Bestellung der Beiratsmitglieder käme nur nach Maßgabe des § 33 PSG in Betracht. Da § 7 der Stiftungsurkunde keine Änderung der Bestellungsbestimmungen durch die Beiratsmitglieder selbst oder einen Begünstigten vorsehe, komme auch deshalb den beiden Vereinbarungen keine Verbindlichkeit im Rahmen der Stiftungserklärung zu.

[22] Der Revisionsrekurs räumt selbst ein, dass die gegenständliche Erklärung von 2015 die Stiftungsurkunde nicht ändern könnte. Mit seinem inhaltlich nicht näher ausgeführten bloßen Hinweis, diese Vereinbarung stellte keine Änderung, sondern eine Ergänzung der Stiftungsurkunde dar, versäumt es der Revisionsrekurs, eine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts oder sonst eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

[23] Ausgehend von dieser Rechtsansicht des Rekursgerichts gehen aber die weiteren Rechtsmittelausführungen ins Leere.

[24] 3.4. Es kann damit auch offen bleiben, ob die Ansicht des Rekursgerichts, das Verfahren nach § 27 PSG diene nicht der Klärung der Wirksamkeit der Bestellung oder Abberufung von Organmitgliedern, zutreffend ist, wogegen der Revisionsrekurs ebenfalls keine inhaltlichen Argumente vorbringt.

[25] 4. Die Entscheidung über die Kosten des (einseitigen [dazu Pkt 1.]) Revisionsrekursverfahrens gründet auf § 78 AußStrG. Der Antrag auf Zustellung des Revisionsrekurses und die unaufgefordert eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung der Erst‑ und Zweitantragsgegner waren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig und daher nicht zu honorieren.

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