OGH 13Os111/22f

OGH13Os111/22f28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Mair in der Verbandsverantwortlichkeitssache der K* GmbH (nunmehr Ka* GmbH) wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des belangten Verbandes sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. September 2021, GZ 4 Hv 18/18h‑529, und über die Beschwerde des belangten Verbandes gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokurator in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00111.22F.0628.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Finanzstrafsachen

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Verantwortlichkeit des belangten Verbandes für die § 33 Abs 2 lit b FinStrG unterstellten Taten seiner Entscheidungsträger K* K* und R* K* (IV), soweit sich diese auf die Verkürzung von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag betreffend die Kalendermonate Jänner 2006 bis November 2010 beziehen, für die § 33 Abs 1 FinStrG unterstellten Taten seiner Entscheidungsträgerin R* K* (III), soweit sich diese auf im Jahr 2006 bewirkte Verkürzungen an Kapitalertragsteuer beziehen, und für die § 33 Abs 2 lit b FinStrG unterstellten Taten seiner Entscheidungsträgerin R* K* (IV), soweit sich diese auf die Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen betreffend die Kalendermonate des Jahres 2006 beziehen, demzufolge auch im Ausspruch der Verbandsgeldbuße, sowie der zugleich ergangene Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Der belangte Verband und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen, Ersterer überdies mit seiner Beschwerde werden auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem belangten Verband fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die K* GmbH (nunmehr Ka* GmbH) gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und 2 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG für jeweils mehrere Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie nach § 33 Abs 2 lit a und b FinStrG verantwortlich erkannt, die Entscheidungsträger dieser Gesellschaft, nämlich deren geschäftsführende oder faktisch geschäftsführende Gesellschafter K* K* und R* K*, als solche rechtswidrig und schuldhaft zu ihrem Gunsten begangen und dadurch die Gesellschaft treffende Pflichten verletzt haben.

[2] Dabei ging das Erstgericht davon aus, dass K* K* und R* K* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter (§ 11 erster Fall FinStrG) im Zuständigkeitsbereich des (damaligen) Finanzamts Oststeiermark vorsätzlich eine Verkürzung nachstehender Abgaben mit einem strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) von insgesamt 3.357.308,97 Euro teils bewirkt, teils zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG) haben, und zwar

I) vom Jänner 2006 „(R* K* ab 2. Juni 2006)“ bis zum 14. September 2012 unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten durch Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen, nämlich

an Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2010 jeweils um 133.333,33 Euro und für das Jahr 2011 um 132.571,98 Euro sowie

an Körperschaftsteuer für die Jahre 2006 bis 2010 jeweils um etwa 166.667 Euro und für das Jahr 2011 um 147.143 Euro, wobei es in Bezug auf das Jahr 2011 beim Versuch blieb,

II) vom Jänner 2012 bis zum 15. Februar 2013 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen an Umsatzsteuer um insgesamt 133.443,75 Euro und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem sie in den Voranmeldungen für die Monate Jänner 2012 bis Dezember 2012 jeweils Umsätze und Erlöse verschwiegen,

III) vom Jänner 2006 „(R* K* ab 2. Juni 2006)“ bis zum Dezember 2012 unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten an Kapitalertragsteuer um insgesamt 1.400.000 Euro, indem sie deren Anmeldung und Abfuhr im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen von insgesamt 5.600.000 Euro an den Gesellschafter K* K* jeweils binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge (US 29) unterließen, sowie

IV) vom 1. Jänner 2006 „(R* K* ab 2. Juni 2006)“ bis zum Mai 2013 monatlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG 1988 sowie dazu ergangener Verordnungen entsprechenden Lohnkonten an Lohnsteuer um insgesamt 37.293,80 Euro, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um insgesamt 6.298,62 Euro sowie Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen um insgesamt 557,50 Euro und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes geht fehl.

[4] K* K* und R* K* wurden mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. September 2021 (ON 528) wegen der vom Ausspruch der Verbandsverantwortlichkeit umfassten Taten jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie nach § 33 Abs 2 lit a und b FinStrG schuldig erkannt. Da diese Schuldsprüche noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind, ist die rechtswidrige und schuldhafte Begehung der in Rede stehenden mit Strafe bedrohten Handlungen durch die Entscheidungsträger Gegenstand sowohl der Nichtigkeitsbeschwerde als auch der Prüfung im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO (vgl RIS‑Justiz RS0131120 und RS0133675).

[5] Die Hauptverhandlung fand am 11. April 2019 (ON 418), am 28. August 2019 (ON 434), am 17. Oktober 2019 (ON 444), am 24. Juli 2020 (ON 462a) und am 9. September 2021 (ON 527) statt.

[6] Soweit sich die Beschwerde auf einen „Beweisantrag vom 21. 07. 2020“ stützt, bezieht sie sich demzufolge schon nach ihrem eigenen Vorbringen – entgegen den gesetzlichen Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes – nicht auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder einen dort erhobenen Widerspruch.

[7] Indem sich die Beschwerde gegen die angebliche Abweisung „mehrmals gestellte[r]“ Anträge auf Beiziehung eines „Buchsachverständigen“ richtet, es aber verabsäumt, die genaue Fundstelle der behaupteten Antragstellung innerhalb des – umfangreichen (insgesamt weit mehr als 100 Seiten umfassenden und fünf Verhandlungstage dokumentierenden) – Protokolls über die Hauptverhandlung zu nennen, bringt sie den angesprochenen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0124172).

[8] Nach den Feststellungen des Erstgerichts firmierte der belangte Verband während des gesamten Tatzeitraums als Ka* GmbH. Nach am 17. Mai 2013 erfolgter Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das mit Zustimmung der Gläubiger (nach deren vollständiger Befriedigung) am 2. Dezember 2014 aufgehoben wurde, setzten die bisherigen Gesellschafter (K* K* und R* K*) die – weiterhin zu FN * protokollierte – Gesellschaft am 16. Februar 2015 unter der Firma Ka* GmbH fort (US 5 f).

[9] Da die Beschwerde mit dem Einwand fehlender Rechtsnachfolge (§ 10 VbVG) nicht auf der Basis dieses Sachverhalts argumentiert, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des damit der Sache nach angesprochenen Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (RIS‑Justiz RS0099810).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[11] Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des belangten Verbandes das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[12] Nach den Feststellungen des Erstgerichts war R* K* ab 2. Juni 2006 Geschäftsführerin der K* GmbH (US 5). Zur Vertretung des belangten Verbandes berufen war sie somit vor diesem Zeitpunkt nicht, aus welchem Grund insoweit unmittelbare Täterschaft (§ 11 erster Fall FinStrG) kraft organschaftlicher Vertretung (§ 80 Abs 1 BAO) ausscheidet. Konstatierungen zu unmittelbarer Täterschaft infolge sogenannter faktischer Geschäftsführung (zum Begriff RIS‑Justiz RS0119794) oder zu einer Bestimmungs‑ oder Beitragstäterschaft im Sinn des § 11 zweiter oder dritter Fall FinStrG (dazu Lässig in WK2 FinStrG § 11 Rz 4 ff) finden sich im angefochtenen Urteil nicht.

[13] Ungeachtet dessen beziehen sich aber Teile des Ausspruchs der Verbandsverantwortlichkeit – ohne Differenzierung zwischen den Entscheidungsträgern – auf ab Jänner 2006 bewirkte Verkürzungen von Kapitalertragsteuer (III) sowie Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag (IV), in den Entscheidungsgründen werden dazu bloß die im Jahr jeweils insgesamt bewirkten Verkürzungsbeträge festgestellt (US 27 bis 31).

[14] Im Bereich der Kapitalertragsteuer (§ 93 Abs 1 EStG) ist selbständige Tat das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuerabfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (RIS‑Justiz RS0124712 [T1, T3 und T4]).

[15] Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten bezogen auf Entrichtungszeiträume verwirklicht, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Abgabenart unabhängig von der Höhe der Hinterziehungsbeträge eine selbständige Tat und damit jeweils ein Finanzvergehen verwirklicht wird (RIS‑Justiz RS0118311 [T2] und RS0124712, Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 10). Durch § 33 Abs 2 lit b FinStrG sind die Lohnsteuer (§§ 47 bis 92 EStG), der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (§§ 39 Abs 2 lit a und 41 bis 43 FLAG) und seit 1. Jänner 2011 auch die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 Abs 7 und 8 WKG) finanzstrafrechtlich geschützt.

[16] Mit Blick auf die dargestellten Tatbegriffe lassen die Konstatierungen des Erstgerichts im Bezug auf im Jahr 2006 bewirkte Verkürzungen an Kapitalertragsteuer (III) nicht erkennen, ob – gegebenenfalls in welchem Umfang – das Unterlassen der Kapitalertragsteuerabfuhr unter Verletzung der korrespondierenden Anmeldungspflicht in den Verantwortungsbereich der R* K* gefallen ist.

[17] Gleiches gilt für den Ausspruch der Verbandsverantwortlichkeit für die § 33 Abs 2 lit b FinStrG unterstellten Taten der R* K* (IV) in Bezug auf die Kalendermonate Jänner 2006 bis April 2006.

[18] In Ansehung der R* K* tragen die Urteilskonstatierungen den Ausspruch der Verbandsverantwortlichkeit, soweit er sich auf im Jahr 2006 bewirkte Verkürzungen bezieht, somit insgesamt nicht.

[19] Rechtlich verfehlt ist der Ausspruch der Verbandsverantwortlichkeit generell in Bezug auf die bis einschließlich November 2010 angefallenen und solcherart bis spätestens 15. Dezember 2010 abzuführenden Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (IV), weil diese Zuschläge in der vor dem 1. Jänner 2011 in Geltung gestandenen Fassung des § 33 Abs 2 lit b FinStrG BGBl I 1999/28 noch nicht von dieser Norm geschützt waren.

[20] Die aufzeigten Rechtsfehler erforderten die Aufhebung des Ausspruchs der Verbandsverantwortlichkeit wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[21] Hinzugefügt sei, dass der von der Aufhebung unberührt gebliebene Ausspruch der Verbandsverantwortlichkeit für die § 33 Abs 1 FinStrG (III) und § 33 Abs 2 lit b FinStrG (IV) unterstellten Taten des Entscheidungsträgers K* K*, soweit sich diese auf im Jahr 2006 bewirkte Verkürzungen an Kapitalertragsteuer sowie an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen beziehen, an der Fehlerhaftigkeit des Ausspruchs der Verbandsverantwortlichkeit für die korrespondierenden Taten der R* K* nichts zu ändern vermag, weil nach dem § 11 FinStrG (ebenso wie § 12 StGB) zugrundeliegenden Einheitstätersystem jeder von mehreren strafbaren Beteiligten das gesamte Tatbild verwirklicht (eingehend mwN Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 10 bis 17), also eine eigene Tat begeht (14 Ns 78/20m). Ausgehend davon, dass ein Verband gemäß § 3 Abs 2 VbVG unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs 1 VbVG für Straftaten (§ 1 Abs 1 zweiter Satz VbVG, der § 1 Abs 1 zweiter Satz StPO fast wortgleich nachgebildet ist) eines Entscheidungsträgers verantwortlich ist, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (siehe auch § 1 Abs 1 erster Satz FinStrG, der „Finanzvergehen“ als [soweit hier relevant] „mit Strafe bedrohte Taten [Handlungen oder Unterlassungen] natürlicher Personen“ definiert, iVm § 1 Abs 2 FinStrG, wonach Verbände im Sinn des VbVG – nach Maßgabe des § 28a FinStrG – „für Finanzvergehen verantwortlich“ sind), folgt daraus nämlich, dass bei Vorliegen jeweils sämtlicher Verantwortlichkeitsvoraussetzungen in Bezug auf (wie hier) mehrere Beteiligte der Verband für mehrere Straftaten verantwortlich ist (zum Begriff der „Straftat“ im gegebenen Zusammenhang 13 Os 45/22z [Rz 13 f]; näher Oberressl, Besonderheiten des Haupt‑ und des Rechtsmittelverfahrens nach dem VbVG, ÖJZ 2020, 815 [815 f, insbesondere bei FN 2 und 10] mwN; vgl auch Riffel, Einige Praxiserfahrungen mit der Anwendung des VbVG, 20. ÖJT Band III/2, 40 [41 und 61 f] sowie Schumann, Vertretung des Verbandes im [Verbandsverantwortlichkeits‑ und Individualstraf‑]Verfahren, in Lehmkuhl/Meyer, Das Unternehmen im Brennpunkt nationaler und internationaler Strafverfahren [2020] 71 [74]; aA offenbar unter Zugrundelegung eines davon abweichenden Tatbegriffs in Bezug auf strafbare Beteiligung [§§ 12 f StGB, §§ 11 f FinStrG] mehrerer Lehmkuhl/Zeder in WK2 VbVG § 3 Rz 32 und 48 f sowie Soyer/Pollak in Soyer, Handbuch Unternehmensstrafrecht Rz 3.151 ff, die insoweit – unter Vermengung des Begriffs der [hier als Anknüpfungstat für Verbandsverantwortlichkeit verstandenen] Tat im materiellen Sinn mit dem prozessualen Tatbegriff, der den Prozessgegenstand meint [siehe zur Unterscheidung RIS‑Justiz RS0113754 {insbesondere T1} und Ratz, Verfahrensführung und Rechtsschutz nach der StPO2 Rz 467 f] – von einem „einzige[n] prozessuale[n] Lebenssachverhalt“ und „Identität der Tat“ sprechen; zur [davon abermals verschiedenen] Identität des Täters einer Anknüpfungstat, die unter dem Aspekt der Verbandsverantwortlichkeit nicht zwingend feststehen muss, siehe 13 Os 9/21d [Rz 9] und RIS‑Justiz RS0133814).

[22] Tragen die Feststellungen des Erstgerichts den Ausspruch der Verantwortlichkeit des belangten Verbandes – wie hier – in Bezug auf einen Teil der davon umfassten (Anknüpfungs‑)Taten nicht, so ist dieser Ausspruch insoweit mit materieller Nichtigkeit (Z 9 oder 10 iVm § 24 VbVG) behaftet, was – nicht anders als ein gleichartiger Fehler im Schuldspruch einer natürlichen Person – die entsprechende Aufhebung des Ausspruchs der Verbandsverantwortlichkeit nach sich zieht (vgl Oberressl, ÖJZ 2020, 815 [820]).

[23] Die Aufhebung eines Teils des Ausspruchs der Verbandsverantwortlichkeit hatte jene des Ausspruchs der Verbandsgeldbuße sowie des zugleich mit dem angefochtenen Urteil ergangenen Beschlusses auf Erteilung einer Weisung zur Folge.

[24] Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass der Ausspruch der Verbandsverantwortlichkeit für auf deckungsgleiche Verkürzungen bezogene Finanzvergehen mehrerer Beteiligter den diesbezüglichen strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) und solcherart den Rahmen der Verbandsgeldbuße unberührt lässt. § 28a FinStrG spricht nämlich von „Finanzvergehen von Verbänden“ und erklärt diese zum Bezugspunkt der Verbandsgeldbuße. Hieraus folgt in Verbindung mit den Bestimmungen über die Sanktionierung von Finanzvergehen, dass bei der Bildung des Geldbußrahmens in Ansehung des belangten Verbandes nicht die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aller strafbaren Beteiligten, sondern nur der einfache Verkürzungsbetrag zugrunde zu legen ist (so auch schon 13 Os 24/21k [Rz 2 und 29]; vgl auch ErläutRV 1187 BlgNR 22. GP  26, wonach § 28a Abs 1 FinStrG „im Rahmen der wertbetragsabhängigen Sanktionen unmittelbar an den Vorteil an[‑knüpft], der dem Verband auf illegale Weise zugekommen ist“).

[25] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (RIS‑Justiz RS0101558), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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