OGH 6Ob215/22v

OGH6Ob215/22v28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen dasUrteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Juni 2020, GZ 4 R 18/20a-13, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. November 2019, GZ 43 Cg 11/19v-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00215.22V.0628.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Datenschutzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Das mit Beschluss vom 15. 3. 2021, AZ 6 Ob 215/20s, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

Der Antrag der beklagten Partei vom 2. 5. 2023 auf neuerliche Unterbrechung des Verfahrens wird abgewiesen.

Der Schriftsatz der beklagten Partei vom 27. 12. 2021 sowie die von der beklagten Partei mit Schriftsatz vom 2. 5. 2023 vorgelegten Urkunden und das dazu erstattete Vorbringen werden zurückgewiesen.

II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Zu I.:

[1] I.1. Mit Beschluss vom 15. 3. 2021, AZ 6 Ob 215/20s, wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof am 25. 11. 2020 zu AZ 6 Ob 77/20x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen. Mit Beschluss vom 18. 5. 2022 (AZ 6 Ob 77/20x) zog der Oberste Gerichtshof diesen Antrag auf Vorabentscheidung, der beim EuGH zu C-701/20 anhängig war, zurück. Die Zurückziehung erfolgte, weil der EuGH im Verfahren C-319/20 mit Urteil vom 28. 4. 2022 die ident gestellte Frage beantwortet hatte. Das Verfahren über die Revision der Beklagten ist daher fortzusetzen.

[2] I.2.1. Mit Schriftsatz vom 2. 5. 2023 stellte die Beklagte den Antrag, das Verfahren neuerlich zu unterbrechen, bis der EuGH über das vom deutschen Bundesgerichtshof im Ausgangsverfahren I ZR 186/17, in dem auch die Vorabentscheidung zu C-319/20 ergangen ist, mit Beschluss vom 10. 11. 2022 ergänzend gestellte und beim EuGH zur Zahl C-575/22 anhängige Vorabentscheidungsersuchen entschieden habe. Dessen Ausgang sei für den vorliegenden Rechtsstreit wesentlich, weil gegebenenfalls der Kläger zur Geltendmachung der hier behaupteten Verstöße gegen die Informationspflicht gemäß Art 12 Abs 1 iVm Art 13 Abs 1 lit c DSGVO sowie von Verstößen gegen Art 7 Abs 4 und Art 25 Abs 2 DSGVO nicht aktiv legitimiert sei.

[3] I.2.2. Der Kläger sprach sich gegen den Unterbrechungsantrag aus.

[4] I.2.3. Der Unterbrechungsantrag ist nicht berechtigt.

[5] I.2.4. Der EuGH hat zu C-757/22 über folgende Vorlagefrage zu entscheiden:

„Wird eine Rechtsverletzung 'infolge einer Verarbeitung' im Sinne von Art 80 Abs 2 DSGVO geltend gemacht, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art 12 Abs 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art 13 Abs 1 Buchstabe c und d DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt seien?“

[6] I.2.5. Diese Frage wäre für den vorliegenden Fall nur dann präjudiziell, wenn es auf die auf Datenschutzverstöße gestützte Klagebefugnis des Klägers nach Art 80 Abs 2 DSGVO ankäme. Wie im Folgenden gezeigt wird, erweist sich die beanstandete Klausel 4 in ihrer Gesamtheit aber schon allein aus Gründen, die nicht auf Verstößen gegen die genannten Bestimmungen der DSGVO beruhen, als unzulässig, weshalb es auf die Beantwortung der vom Bundesgerichtshof gestellten Frage hier nicht ankommt. Einer Unterbrechung des Verfahrens wegen des genannten Vorabentscheidungsersuchens oder einer gleichartigen Anfrage beim EuGH war daher nicht näherzutreten (vgl 6 Ob 222/22y [Rz 18]).

[7] I.3. Der Schriftsatz vom 27. 12. 2021 sowie das im Antrag vom 2. 5. 2023 auf neuerliche Verfahrensunterbrechung erstattete, über den Unterbrechungsantrag hinausgehende Vorbringen samt Urkundenvorlage verstoßen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, nach dem auch Nachträge oder Ergänzungen unzulässig sind (RS0041666).

 

Zu II.:

[8] Der Kläger ist ein klageberechtigter Verband nach § 29 KSchG. Die Beklagte bietet österreichweit Postdienstleistungen nach dem PostG, Paket- und Gelddienste, die Beförderung von Gütern, den Vertrieb von Waren an und betreibt auch Kommunikations- und Informationstechnologie. Sie verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB).

[9] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Zulässigkeit folgender Klausel (Klausel 4):

„Ich bin für allenfalls angeführte Mitumzieher zum Abschluss des Nachsendeauftrags beauftragt und bevollmächtigt.

Es gelten die AGB Nachsendeauftrag Ö* AG in der jeweils gültigen Fassung, verfügbar u.a. unter www.*.at/agb.

Information über Datennutzung: Ihre personenbezogenen Daten (Anrede, Titel, Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Adresse) können von der Ö* AG an Dritte gem. § 151 Gewerbeordnung zu Marketingzwecken übermittelt werden.

Sie sind jederzeit und ohne Angabe von Gründen berechtigt, die Übermittlung an Dritte zu Marketingzwecken zu untersagen. In diesem Fall kreuzen Sie das nachfolgende Kästchen an oder richten Sie Ihren Widerspruch an www.*.at/kontaktformular, 0800 * oder mittels Schreiben an das *kundenservice, *.

□ Ich bin mit einer Datenweitergabe nicht einverstanden.“

[10] Der Kläger stellte ein Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren. Er brachte zusammengefasst vor, die beanstandeten Klauseln – von denen nur die Klausel 4 revisionsgegenständlich ist – verstießen gegen §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB, Art 6 Abs 1 lit a iVm Art 7 Abs 1 iVm Art 4 Z 11 und Art 7 Abs 4 DSGVO, Art 5 DSGVO, Art 5 Abs 1 lit a iVm Art 12 Abs 1 DSGVO, Art 13 Abs 1 lit c DSGVO, Art 25 Abs 2 DSGVO sowie § 6 Abs 1 Z 5, Z 11, § 6 Abs 2 Z 3 und § 6 Abs 3 KSchG. Konkret brachte er, soweit für das Revisionsverfahren relevant, vor:

[11] Die Regelung des Abs 1 der Klausel widerspreche § 6 Abs 1 Z 11 KSchG.

[12] Absatz 2 der Klausel normiere ein einseitiges Vertragsänderungsrecht und widerspreche daher § 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 5 und § 6 Abs 2 Z 3 KSchG.

[13] In ihren Absätzen 3 und 4 erlaube die Klausel die Datenübermittlung an Dritte, wobei die Notwendigkeit des Widerspruchs eine unzulässige Opt-out-Lösung sei. Es fehle ein Verweis auf die Datenschutzhinweise und Begleitzettel der Beklagten, die ihrerseits unzulässige Formulierungen enthielten. Die Datenweitergabe an Dritte bedürfe gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO einer Interessenabwägung, die zu Lasten der Beklagten ausschlage. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kunde für einen Nachsendeauftrag zahle und nicht auf andere Unternehmen ausweichen könne, den der Konsument bei der Beauftragung eines Nachsendeauftrags nicht mit einer darüber hinausgehenden Datenverarbeitung rechnen müsse und dass die Beklagte mit „angereicherten Adressdaten“ handle. Es fehle die transparente Angabe der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung. Der Verweis auf § 151 GewO – dessen Opt-out-Lösung nicht unionsrechtskonform sei – suggeriere irreführend die Gesetzmäßigkeit der Datenübermittlung; § 151 GewO sei aber kein eigenständiger Erlaubnistatbestand. Der Kunde werde unrichtig darüber informiert, dass die Datenweitergabe ohne seine Einwilligung zulässig sei. Es fehle auch an der Angabe der (Kategorien von) Empfänger(n).

[14] Die Beklagte wandte die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein und bestritt die Aktivlegitimation des klagenden Vereins. Sie hielt dem Klagebegehren entgegen, die „Mitbewohner-Regel“ des Abs 1 der Klausel verstoße nicht gegen das datenschutzrechtliche Rechenschaftsprinzip und erlege dem Verbraucher keine ihn nicht ohnehin treffende Beweislast auf. Das Rechenschaftsprinzip verlange vielmehr von jener Person, die für alle Mitbewohner einen Nachsendeauftrag abschließe, für die Berechtigung der Datenverarbeitung aller Mitbewohner zu sorgen. Dazu diene – zulässiger Weise – das Opt-out-Verfahren.

[15] Sie benötige keine Zustimmung zur Datenübermittlung, weil sie als Adressverlag und Direktmarketingunternehmen iSd § 151 GewO agiere. Diese Bestimmung erlaube Opt-out-Lösungen. Die Einhaltung der Vorgaben des § 151 GewO durch ein zum Adress- und Direktmarketing befugtes Unternehmen begründe die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung und lasse die Interessenabwägung gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO zugunsten der Beklagten ausfallen.

[16] Das Veröffentlichungsbegehren sei mangels rechtlichen Interesses nicht berechtigt.

[17] Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und gab der Klage statt. Es behandelte die gesamte Klausel 4 als einheitliche Regelung, die insgesamt zu untersagen sei, weil der darin enthaltene dynamische Verweis auf die jeweils geltenden AGB unzulässig sei und die Gestaltung der Klausel dahin, dass der Verbraucher der Datenweitergabe aktiv widersprechen müsse, dem Grundsatz „privacy by default“ gemäß Art 25 Abs 2 DSGVO entgegen laufe.

[18] Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es ließ die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu derartigen Klauseln vorliege. Rechtlich beurteile es die gesamte Klausel 4 als unzulässig.

[19] Absatz 1 der Klausel verpflichte den Verbraucher, im „Bedarfsfall“ nachzuweisen, dass er für angeführte Mitbewohner zum Abschluss eines Nachsendeauftrags bevollmächtigt sei, obwohl er gar keine Daten verarbeite und daher kein Verantwortlicher nach der DSGVO sei.

[20] Absatz 2 der Klausel normiere ein einseitiges Vertragsänderungsrecht der Beklagten, das auch nicht nach § 20 Abs 2 Postmarktgesetz (PMG) zulässig sei.

[21] Absätze 3 und 4 seien unzulässig, schlage doch die Interessenabwägung gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO schon deshalb zu Lasten der Beklagten aus, weil sie die Voraussetzungen des § 151 Abs 3 und 5 GewO nicht einhalte. Die Daten stammten nämlich nicht aus den in § 151 Abs 3 GewO genannten Quellen; § 151 Abs 5 GewO regle auch nur die Ermittlung von Daten aus einem Kunden- und Interessentendateisystem Dritter, nicht aber die eigene Ermittlung durch die Beklagte.

[22] Das Veröffentlichungsbegehren sei zur Aufklärung der Verbraucher angesichts der drohenden Wiederholungsgefahr berechtigt.

[23] Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

II.1. Zur Aktivlegitimation des klagenden Vereins

[24] In dem vom Bundesgerichtshof angestrengten Vorabentscheidungsersuchen entschied der EuGH mit Urteil vom 28. 4. 2022 (C-319/20 ) und sprach aus:

„Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.“

[25] Damit ist geklärt, dass hier das Unionsrecht in Gestalt der DSGVO der Klagebefugnis des klagenden Vereins nicht entgegensteht (vgl 6 Ob 106/22i).

II.2. Zur Trennbarkeit der Klausel

[26] II.2.1. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG sind Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn auszulegen (RS0016590; RS0038205 [T11]).

[27] Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen ist nicht Rücksicht zu nehmen; für eine geltungserhaltende Reduktion ist kein Raum (RS0038205 [T1]). Damit ist die Aufgliederung einer (einzelnen) eigenständigen Klausel, die teils Verbotenes, teils Erlaubtes enthält, gemeint (RS0038205 [T7]). Für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig iSd § 28 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks maßgeblich. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [T1]). Dabei kommt auch der sprachlichen Unselbständigkeit ein gewisses Gewicht zu (RS0121187 [T11]; zu allem jüngst 5 Ob 169/22x [Rz 17 f]).

II.3. Zu Absatz 1 der Klausel

„Ich bin für allenfalls angeführte Mitumzieher zum Abschluss des Nachsendeauftrags beauftragt und bevollmächtigt.“

[28] II.3.1. Die Beklagte bringt in ihrer Revision vor, sie wolle ihren Kunden ermöglichen, dass beim Umzug einer ganzen Familie ein Familienmitglied einen Nachsendeauftrag für alle erteilen könne, ohne Vollmachten vorlegen zu müssen. Die Klausel habe mit Datenschutz nichts zu tun.

[29] Die Klägerin rügt in der Revisionsbeantwortung, dem Verbraucher werde zu Unrecht die Beweislast für „die Einhaltung der DSGVO“ aufgebürdet. Nach allgemeinen Grundsätzen und nach dem datenschutzrechtlichen Accountability-Prinzip treffe aber den datenschutzrechtlich Verantwortlichen die Beweislast für „die Rechtmäßigkeit“ der Datenverarbeitung. Dazu wurde erwogen:

[30] II.3.2. Eine sogenannte Tatsachenbestätigung sieht eine widerlegbare Erklärung des Verbrauchers über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Tatsache vor. Erschwert eine solche Tatsachenbestätigung die Rechtsdurchsetzung des Verbrauchers, indem sie ihn mit einem Beweis belastet, den er sonst nicht erbringen müsste, ist die Klausel nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG (analog) nichtig (RS0121955; 6 Ob 44/22x [Rz 29]). Es kommt dabei darauf an, ob durch die in den AGB enthaltene Tatsachenbestätigung eine Erschwerung der Beweissituation für den Kunden denkbar ist (RS0121955 [T6]; 6 Ob 44/22x [Rz 29]).

[31] II.3.3. Dass im vorliegenden Fall eine Tatsachenbestätigung vorliegt, ist nicht zweifelhaft. Bestätigt wird hier eine Rechtstatsache, nämlich das Vorliegen einer Beauftragung und Bevollmächtigung zum Abschluss eines Nachsendeauftrags für einen Dritten.

[32] II.3.4. Nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG sind Vertragsbestimmungen iSd § 879 ABGB für den Verbraucher jedenfalls nicht verbindlich, nach denen dem Verbraucher eine Beweislast auferlegt wird, die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft.

[33] II.3.5. Der sogenannte datenschutzrechtliche Rechenschaftsgrundsatz oder Accountability-Grundsatz wird aus Art 5 Abs 2 DSGVO abgeleitet. Nach Art 5 Abs 2 DSGVO ist der Verantwortliche (im Sinn der Legaldefinition des Art 4 Z 7 DSGVO) für die Einhaltung der Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten, wie sie in Art 5 Abs 1 DSGVO festgelegt sind, verantwortlich.

[34] II.3.6. Art 5 Abs 2 DSGVO normiert zwei Verpflichtungen. Die Bestimmung legt (erstens) die Verpflichtung des Verantwortlichen fest, Art 5 Abs 1 DSGVO einzuhalten, also die dort normierten Grundsätze der Datenverarbeitung. Es sind dies der Grundsatz der Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung und Richtigkeit. Art 5 Abs 2 DSGVO normiert darüber hinaus (zweitens) eine Nachweispflicht betreffend die Einhaltung der in Art 5 Abs 1 DSGVO angeführten Grundsätze. Diese beiden Bestandteile des Art 5 Abs 2 DSGVO werden zusammen als Rechenschaftspflicht oder Accountability‑Grundsatz bezeichnet (Hötzendorfer/Tschohl/Kastelitz in Knyrim, Der DatKomm, [39. Lfg 2020] Art 5 DSGVO Rz 57).

[35] II.3.7. Rechenschaftspflichten ergeben sich darüber hinaus aus Art 24 Abs 1 DSGVO, der vorschreibt, dass der Verantwortliche unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen setzt, um sicherzustellen und den Nachweis dafür erbringen zu können, dass die Verarbeitung gemäß der DSGVO erfolgt.

[36] II.3.8. Ausgehend von diesen Bestimmungen wird in der Literatur diskutiert, ob die Rechenschaftspflicht ausschließlich als öffentlich-rechtliche Pflicht gegenüber den Aufsichtsbehörden besteht oder ob sie auch die prozessuale Behauptungs- und Beweislast regelt (Bergt in Kühling/Buchner, Datenschutz-Grundverordnung – BDSG³ [2020] Art 82 DS-GVO Rz 46; Hoeren, Fake News? – Art. 5 DS-GVO und die Umkehr der Beweislast, MMR 2018, 637 [638]; Wytibul, Schadenersatz bei Datenschutzverstößen, NJW 2019, 3265 [3268]; Hötzendorfer/Tschohl/Kastelitz in Knyrim, Der DatKomm [39. Lfg 2020], Art 5 DSGVO Rz 58). Auf die Frage, ob aus Art 5 Abs 2 und Art 24 Abs 1 DSGVO eine zivilverfahrensrechtliche Regelung der Beweislast abgeleitet werden kann und diese durch Absatz 1 der Klausel 4 dem Verbraucher überbunden wird, muss im vorliegenden Fall aber nicht näher eingegangen werden, weil die Klausel im vorliegenden Regelungsgefüge der Klausel 4 dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG nicht genügt:

[37] II.3.9. Absatz 1 der Klausel 4 kann nicht isoliert betrachtet werden. Die Klausel 4 ist bereits grafisch als Einheit gestaltet, deren Absatz 1 über den folgenden, jeweils eingerückten weiteren Absätzen steht. Auch inhaltlich ist klar, dass sich sämtliche Absätze auf die Einrichtung eines Nachsendeauftrags beziehen und nicht ohne Bedeutungswandel aus diesem Kontext herausgelöst werden können.

[38] II.3.10. Die Klausel 4 enthält in ihren Absätzen 3 und 4 eine Regelung der Datenübermittlung an Dritte, die über die Notwendigkeit einer Datenverarbeitung zum Zweck der Einrichtung eines Nachsendeauftrags hinausgeht, aber trotzdem im Zusammenhang mit der Einrichtung eines solchen Auftrags getroffen wird. Bei Betrachtung der gesamten Klausel 4 ist bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl RS0016590) davon auszugehen, dass dem Verbraucher mit Absatz 1 der Klausel die Beweislast nicht nur für die Bevollmächtigung zum Abschluss des Nachsendeauftrags, sondern auch für die Vertretungsbefugnis bei der Abgabe von Willenserklärungen im Zusammenhang mit der Regelung der Datenweitergabe an Dritte aufgebürdet wird.

[39] II.3.11. Da die Absätze 3 und 4 der Klausel 4 aber als unzulässig zu beurteilen sind (dazu unten), ist auch die Erklärung über die Beweislast des Verbrauchers in diesem Zusammenhang geeignet, diesem ein unklares Bild seiner vertraglichen Rechte und Pflichten zu vermitteln, kann er doch die Wirkungen der von ihm abgegebenen Erklärungen zu Lasten seiner Mitbewohner aus dem Inhalt der Klausel heraus nicht verlässlich beurteilen.

[40] Der Absatz 1 der Klausel 4 widerspricht daher § 6 Abs 3 KSchG.

II.4. Zu Absatz 2 der Klausel

„Es gelten die AGB Nachsendeauftrag Ö* AG in der jeweils gültigen Fassung, verfügbar u.a. unter www.*.at/agb.“

[41] II.4.1. Die Beklagte bringt in ihrer Revision vor, sie sei nach § 20 Abs 2 PMG zur einseitigen Vertragsänderung berechtigt. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung zum im Wesentlichen gleichlautenden § 25 Abs 2 TKG 2003.

[42] II.4.2. Die Klägerin tritt dem in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen.

[43] II.4.3. Der Oberste Gerichtshof legte § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003 (vgl nunmehr den seit 1. 11. 2021 geltenden § 133 TKG 2021, BGBl I 2021/190) dahin aus, dass § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003 grundsätzlich als gesetzliche Ermächtigung zu einer einseitigen Vertragsänderung verstanden wurde, wobei dem Kunden als Ausgleich dafür ein kostenloses außerordentliches Kündigungsrecht zustand (4 Ob 113/18y MR 2018, 194 [Görg/Sokol] = EvBl 2019/4, 31 [kritisch Legath]; 1 Ob 123/09h).

[44] II.4.4. In der Rechtsprechung zu § 25 TKG 2003 wurde allerdings klargestellt, dass bei der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen zwischen dem gesetzlichen Änderungsrecht und vertraglich vereinbarten Änderungsrechten zu unterscheiden ist (4 Ob 113/18y [ErwGr 3.1.]). Beim gesetzlichen Änderungsrecht kommt es für die Frage, ob eine Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Entgeltbestimmungen zulässig ist und wirksam zustande kommt (Änderungsmodus), nur auf die formellen Vorgaben (das Prozedere) nach § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003, aber nicht auf die Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG an, zumal diese Regelung nur für vertragliche Änderungsrechte gilt (4 Ob 113/18y [ErwGr 3.1.]). Vertraglich vereinbarte Änderungsrechte sind also an § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und den sonstigen Bestimmungen über die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu messen.

[45] II.4.5. Soweit eine grundsätzliche gesetzliche Ermächtigung zur einseitigen Vertragsänderung besteht, ändert dies darüber hinaus nichts daran, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die vollständige und richtige Darstellung der Rechtslage zu verlangen ist und dem Verbraucher kein unklares Bild seiner vertraglichen Situation vermittelt werden darf (5 Ob 118/13h zu § 25 TKG [Klausel 4]). Auch eine auf das gesetzliche Änderungsrecht nach § 25 TKG 2003 bezugnehmende Vertragsklausel darf daher (abgesehen vom gesetzlich geregelten Änderungsmodus) nicht gegen das KSchG verstoßen (4 Ob 113/18y [ErwGr 3.3.] mwN).

[46] II.4.6. So beurteilte der Oberste Gerichtshof eine Klausel in einem Mobilfunkvertrag, nach der die „jeweils gültigen“ Tarife gelten sollten, als unwirksam, weil an der gleichen Stelle nicht vollständig über das nach § 25 TKG 2003 für Entgeltänderungen vorgesehene Prozedere, die Änderungszeitpunkte und das Kündigungsrecht des Kunden informiert wurde (5 Ob 118/13h [Klausel 2]).

[47] II.4.7. § 20 Abs 2 PMG lautet:

„Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind vom Betreiber in geeigneter Form zu veröffentlichen. Sie haben auch zu regeln, wann sie in Kraft treten. Die Nutzerinnen und Nutzer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und neu erlassene Allgemeine Geschäftsbedingungen treten frühestens zwei Monate nach Veröffentlichung in Kraft.“

[48] II.4.8. § 20 Abs 2 PMG ähnelt dem (mit dem TKG 2021 außer Kraft getretenen; vgl nunmehr § 133 TKG 2021) § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003; die Bestimmungen sind aber nicht deckungsgleich. Im vorliegenden Fall muss die Frage, ob § 20 PMG ein – § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003 vergleichbares – einseitiges Vertragsänderungsrecht des Universaldienstbetreibers normiert, allerdings nicht abschließend beantwortet werden, weil der zu beurteilende Absatz 2 der beanstandeten Klausel selbst unter Zugrundelegung einer derartigen Auslegung des § 20 Abs 2 PMG unwirksam ist:

[49] II.4.9. § 20 Abs 2 PMG sieht ein Inkrafttreten von nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen frühestens zwei Monate nach Veröffentlichung vor. Der Verweis auf die Geltung der „AGB Nachsendeauftrag Ö* AG in der jeweils gültigen Fassung“ kann aber bei der im Verbandsprozess gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl RS0016590) als ein vom Prozedere des § 20 Abs 2 PMG (Inkrafttreten frühestens zwei Monate nach Veröffentlichung) unabhängiges, einseitiges vertragliches Änderungsrecht nach Art eines dynamischen Verweises verstanden werden, das auch auf bereits abgeschlossene Nachsendeaufträge und unabhängig von der Zeit, die seit der Veröffentlichung nicht ausschließlich begünstigender Änderungen verstrichenen ist, zur Anwendung kommt. Ein einseitiges Preisänderungsrecht im Weg eines dynamischen Verweises widerspricht aber § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (vgl 1 Ob 201/20w [Rz 75] mwN).

II.5. Zu den Absätzen 3 und 4 der Klausel

„Information über Datennutzung: Ihre personenbezogenen Daten (Anrede, Titel, Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Adresse) können von der Ö* AG an Dritte gem. § 151 Gewerbeordnung zu Marketingzwecken übermittelt werden.

Sie sind jederzeit und ohne Angabe von Gründen berechtigt, die Übermittlung an Dritte zu Marketingzwecken zu untersagen. In diesem Fall kreuzen Sie das nachfolgende Kästchen an oder richten Sie Ihren Widerspruch an www.*.at/kontaktformular, 0800 * oder mittels Schreiben an das *kundenservice, *.“

[50] II.5.1. Die Beklagte vertritt in ihrer Revision, es handle sich um bloße „datenschutzrechtliche Pflichtinformationen“, die nicht der Klauselkontrolle unterlägen. Die in Absatz 3 und 4 der angefochtenen Klausel 4 geregelte Übermittlung der dort angeführten Kategorien von Daten an Dritte zu Marketingzwecken sei auch ohne das Vorliegen einer Einwilligung der Betroffenen (iSd Art 6 Abs 1 lit a DSGVO) zulässig. Die Zulässigkeit leitet sie einerseits direkt aus § 151 GewO ab, andererseits aus einer durch § 151 GewO zugunsten der Adressverlage und Direktmarketingunternehmen typisiert vorgenommenen Interessenabwägung iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO.

[51] II.5.2. Die Klägerin tritt diesen Argumenten in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen.

[52] II.5.3. Gegenstand einer Unterlassungsklage nach § 28 KSchG sind nach ständiger Rechtsprechung Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss eines Vertrags stellt und die seinen Inhalt determinieren. Betrifft ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltener Satz keine Vertragsbedingung, sondern nur eine Aufklärung des Verbrauchers, dann ist er grundsätzlich unbedenklich (8 Ob 24/17p [ErwGr I.4.] ZFR 2018/112, 230 [Ruhm]; RS0131601). Das gilt aber nur, soweit die Rechtslage durch die Klausel nicht verschleiert wird (RS0131601 [T2]).

[53] Dies folgt daraus, dass das „Transparenzgebot“ es dem Verbraucher ermöglichen soll, sich zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Insbesondere darf er durch die Formulierung einer Klausel nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden. Es soll verhindert werden, dass er über Rechtsfolgen getäuscht oder dass ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird (RS0115219).

[54] II.5.4. Wenn daher augenscheinlich reine Informationsklauseln – bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – über eine bloße Aufklärung des Verbrauchers hinausgehen und den Vertragsinhalt gestalten, können diese Regelungen Gegenstand der Verbandsklage nach § 28 Abs 1 KSchG sein (vgl 2 Ob 11/23s [Rz 7]; 6 Ob 106/22i [Rz 14]).

[55] Daher werden Klauseln, die der Aufklärung des Verbrauchers dienen sollen, diesem aber ein unrichtiges Bild der Rechtslage vermitteln und geeignet sind, den Vertragspartner des Verwenders von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten, regelmäßig der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterzogen und als intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG beurteilt (RS0121951 [T4]; vgl RS0115219 [T55]; RS0131601 [T2]).

[56] II.5.5. Im vorliegenden Fall behandelte das Berufungsgericht Absätze 3 und 4 der beanstandeten Klausel 4 zutreffend gemeinsam, weil sie keine materiell eigenständigen Regelungsinhalte enthalten, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind (vgl RS0121187). Sie regeln vielmehr erst in ihrer Zusammenschau die Zulässigkeit der Übermittlung von personenbezogenen Daten jener Personen, für die ein Nachsendeauftrag eingerichtet werden soll.

[57] II.5.6. Zutreffend erkannte das Berufungsgericht darüber hinaus, dass die beanstandeten Bestimmungen (zumal bei kundenfeindlichster Auslegung) über eine bloße, die Rechtsposition des Verbrauchers nicht berührende zutreffende Wiedergabe der objektiven Rechtslage im Sinn einer „Datenschutzinformation“ hinausgehen. Daraus folgt einerseits, dass sie der gerichtlichen Inhaltskontrolle im Weg der Verbandsklage nach § 29 KSchG nicht entzogen sind. Des Weiteren ergibt sich daraus, dass es auf die in der Revision vertretene Rechtsansicht, die Transparenz datenschutzrechtlicher (bloßer) Informationen sei ausschließlich an Art 12, 13, 14 und 15 DSGVO zu messen, hier nicht ankommt, weil die beanstandeten Absätze 3 und 4 in ihrer Zusammenschau über bloße Informationen hinausgehen.

[58] II.5.7. Nach § 151 Abs 1 GewO (idF BGBl I 2018/32, Materien-Datenschutz-AnpassungsG 2018) sind auf die Verwendung von personenbezogenen Daten für Marketingzwecke durch die zur Ausübung des Gewerbes der Adressverlage und Direktmarketingunternehmen berechtigten Gewerbetreibenden die Bestimmungen der DSGVO und des DSG anzuwenden, sofern im Folgenden (in § 151 GewO) nichts Besonderes angeordnet ist.

[59] II.5.8. § 151 GewO enthält unter anderem Regelungen zur Ermittlung von Daten durch Adressverlage und Direktmarketingunternehmen. Gegenstand der im vorliegenden Fall beanstandeten Regelung ist aber nicht die Ermittlung von Daten durch die Beklagte, sondern deren Weitergabe an dritte, also von der Beklagten verschiedene und in der Klausel in keiner Weise eingeschränkte Rechtssubjekte („an Dritte“).

[60] II.5.9. Dafür bietet die von der Beklagten in der Revision in Anspruch genommene Bestimmung des § 151 Abs 5 GewO schon nach ihrem Wortlaut keine Rechtsgrundlage: Geregelt ist dort nur, unter welchen Voraussetzungen die in § 151 Abs 1 GewO genannten Gewerbetreibenden ohne Einwilligung der betroffenen Personen zur Ermittlung bestimmter Kategorien von Daten berechtigt sind (vgl Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 [2018] § 151 Anm 20). § 151 Abs 5 GewO enthält eine – an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte – Ermittlungsermächtigung, jedoch keine gesetzliche Ermächtigung zur Übermittlung der Marketingdaten an die in § 151 Abs 1 GewO genannten Personen bzw Unternehmen (Riesz in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO [2015] § 151 Rz 36 zum – insofern nicht geänderten – § 151 GewO idF vor BGBl I 32/2018).

[61] Auch § 151 Abs 3 GewO regelt nur die Ermittlung, nicht aber die in den Absätzen 3 und 4 der beanstandeten Klausel 4 geregelte Datenübermittlung an Dritte.

[62] II.5.10. Auf die vom Berufungsgericht erörterte und nach Ansicht der Beklagten unrichtig gelöste Frage, ob die in § 151 Abs 5 Satz 2 GewO normierten Voraussetzungen der Ermittlung der in § 151 Abs 5 Satz 1 GewO genannten Datenkategorien erfüllt sind oder nicht, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an. Aus diesem Grund gehen auch die in der Revision ausgeführten verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten, die sich sämtlich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Datenermittlung beziehen, ins Leere.

[63] II.5.11. § 151 GewO enthält zwar in seinen Absätzen 6 und 8 Regelungen zur Datenübermittlung. Auf diese stützt sich die Beklagte jedoch gar nicht. In diesem Zusammenhang ist zudem klarzustellen, dass die beanstandeten Absätze 3 und 4 der Klausel 4 die dort jeweils normierten gesetzlichen Voraussetzungen nicht abbilden: Nach § 151 Abs 6 GewO, der für bestimmte Marketinginformationen und -klassifikationen gilt, ist eine unbedenkliche Erklärung des dritten Datenempfängers über die Verwendung ausschließlich für Marketingzwecke erforderlich, worauf in der beanstandeten AGB-Bestimmung nicht Bezug genommen wird; § 151 Abs 10 GewO gestattet die Übermittlung nur an Gewerbetreibende iSd § 151 Abs 1 GewO und nicht, wie in der beanstandeten Klausel angeführt, an jeden Dritten.

[64] II.5.12. Die Rechtsansicht der Beklagten, die beanstandeten Bestimmungen informierten die Verbraucher zutreffend über die von § 151 GewO gestaltete Rechtslage, trifft daher nicht zu. Die beanstandeten Klauseln sind vielmehr geeignet, den betroffenen Verbrauchern ein unzutreffendes oder unklares Bild ihrer vertraglichen Position zu vermitteln (vgl RS0115219).

[65] II.5.13. Die Beklagte leitet die Erlaubtheit der Datenübermittlung ohne Einwilligung der Betroffenen darüber hinaus aus Art 6 Abs 1 lit f DSGVO in Verbindung mit einer gesetzlich zugunsten der Direktmarketingunternehmen vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 151 GewO ab.

[66] Auch daraus kann die Zulässigkeit der beanstandeten Klausel aber nicht abgeleitet werden.

[67] II.5.14. Zwar kann nach ErwGr 47 Satz 7 DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.

[68] Der Erlaubnistatbestand des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO erfordert aber eine dreigliedrige Interessenabwägung (Vorliegen eines berechtigten Interesses, Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person; RS0133890; 6 Ob 214/21w [Rz 32], GesRZ 2022, 148 [Knyrim/Urban] = jusIT 2022/96, 237 [Thiele]).

[69] Die beanstandeten Absätze 3 und 4 der Klausel 4 lassen hingegen eine Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen in keiner Weise erkennen.

[70] II.5.15. Auf die Rechtsansicht der Beklagten, § 151 GewO enthalte eine gesetzliche Interessenabwägung zugunsten der Direktmarketingunternehmen muss schon deshalb nicht eingegangen werden, weil die beanstandeten Absätze 3 und 4 der Klausel 4 nicht einmal die in § 151 GewO für die Übermittlung personenbezogener Daten normierten Voraussetzungen zutreffend wiedergeben.

[71] Die Revision ist daher auch im Hinblick auf Absätze 3 und 4 der Klausel 4 nicht berechtigt.

II.6. Zur Urteilsveröffentlichung

[72] II.6.1. Die Urteilsveröffentlichung gemäß § 30 Abs 1 KSchG, der auf § 25 Abs 3 UWG verweist, dient der Sicherung des Unterlassungsanspruchs und soll nicht nur eine schon bestehende unrichtige Meinung stören, sondern auch deren weiteres Umsichgreifen hindern, also der Aufklärung des Publikums dienen (RS0079764). Sie soll im Interesse der Öffentlichkeit den Verstoß aufdecken und die beteiligten Verkehrskreise über die wahre Sachlage aufklären (RS0079820). Voraussetzung für die Urteilsveröffentlichung ist das „berechtigte Interesse“ an der Urteilsveröffentlichung (§ 25 Abs 3 UWG iVm § 30 Abs 1 KSchG). Dieses liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz- bzw sittenwidrig sind. Durch die Aufklärung wird die Aufmerksamkeit der Verbraucher für die Unzulässigkeit von Vertragsbestandteilen geschärft und es wird ihnen damit erleichtert, ihre Rechte gegenüber dem Unternehmer wahrzunehmen (RS0121963). Dies gilt nach der Rechtsprechung insbesondere, aber nicht nur für jene Verbraucher, deren Verträgen mit der beklagten Partei noch die klagsgegenständlichen Klauseln zugrunde gelegt worden sind (6 Ob 81/09v [ErwGr 7.2.]).

[73] II.6.2. Aus den dargestellten Grundsätzen ergibt sich, dass der durch die Urteilsveröffentlichung angestrebte Aufklärungseffekt über die Information jener Kunden hinausgeht, die in einem aufrechten Vertragsverhältnis zum AGB-Verwender unter Zugrundelegung der unzulässigen AGB stehen. Darüber hinaus liegt auf der Hand, dass im vorliegenden Fall die im Hinblick auf die Beweislast beanstandete Regelung, der dynamische Verweis auf die jeweils geltenden AGB sowie insbesondere die Regelung über die zeitlich unbeschränkte Datenübermittlung auch noch nach Ablauf eines Vertrags über einen Nachsendeauftrag Rechtswirkungen entfalten können.

[74] II.7. Der Revision der Beklagten ist daher insgesamt nicht Folge zu geben.

[75] II.8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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