OGH 8Ob43/23s

OGH8Ob43/23s27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. J* K*, vertreten durch Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei H* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in Wien, wegen zuletzt 2.577,75 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 7. Februar 2023, GZ 22 R 4/22a‑69, womit der Antrag der klagenden Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO und die damit verbundene Revision zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00043.23S.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrte aus dem zwischen ihm als Käufer und der Beklagten als Verkäuferin abgeschlossenen Vertrag über einen Gebrauchtwagen mit seiner Klage – für voraussichtliche Reparaturkosten und mehrere weitere kleinere Anspruchspositionen – anfänglich 4.185,46 EUR sA und zuletzt – nach Vorliegen des mehrfach ergänzten Sachverständigengutachtens – 2.577,75 EUR sA. Das bereits in der Klage erhobene und dort mit 2.000 EUR bewertete Begehren, es werde festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger für alle künftigen Schäden haftet, die ihm dadurch entstehen, dass das verkaufte Fahrzeug nicht der vereinbarten Zustandsklasse 2 entspricht, insbesondere dafür, dass es einen früheren und nicht vollständig behobenen Unfallschaden aufweist, blieb unverändert.

[2] Das Erstgericht wies die Klage in einem Teilbetrag von 150 EUR wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück, gab dem Zahlungsbegehren in einem Teilbetrag von 160 EUR sowie dem Feststellungsbegehren statt und wies das Zahlungsmehrbegehren (= 2.417,75 EUR) ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in Hinsicht auf das Zahlungsbegehren und hob es in Hinsicht auf das Feststellungsbegehren unter Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht auf. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO unter Hinweis auf die Bewertung des Feststellungsbegehrens in der Klage, von der abzugehen es keinen Anlass sah, mit nicht über 5.000 EUR und sprach aus, dass die Revision jedenfalls unzulässig sei; letzteres begründete es mit einem Hinweis auf § 502 Abs 2 ZPO.

[4] Der Kläger brachte daraufhin einen Abänderungsantrag nach § 508 Abs 1 ZPO samt Revision ein.

[5] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht diesen Antrag samt der Revision mit der Begründung zurück, der Entscheidungsgegenstand übersteige nicht – wie von § 508 Abs 1 ZPO vorausgesetzt – 5.000 EUR.

[6] Hiergegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Zulassung der Revision abzielenden Abänderungsantrag.

[7] Die Beklagte erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Rekurs ist zulässig. Der in § 508 Abs 4 ZPO normierte Rechtsmittelausschluss erfasst nicht die mit Beschluss ausgesprochene Verneinung der Voraussetzungen des Zwischenverfahrens nach § 508 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0112034 ua).

[9] Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

[10] Bei einem nicht ausschließlich in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstand ist der Wertausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO grundsätzlich unanfechtbar (§ 500 Abs 4 ZPO) und bindend, was auch für den Obersten Gerichtshof gilt, es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, überhaupt keine Bewertung vorzunehmen gehabt oder sonst seinen vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten (vgl RS0042385 ua).

[11] Der Rekurswerber stützt sich auf den zuletzt genannten Fall. Es liege eine offenbare Unterbewertung vor. Er sei bei der in der Klage vorgenommenen Bewertung des Feststellungsbegehrens mit 2.000 EUR davon ausgegangen, der Beklagten keinen Verbesserungsversuch mehr einräumen zu müssen und deshalb den Schaden am Fahrzeug durch eine Werkstätte seines Vertrauens beheben lassen zu können, sodass eine neuerlich mangelhafte Reparatur nicht zu erwarten gewesen sei. Habe er aber wie nunmehr vom Berufungsgericht vertreten nur das Recht, dass die Beklagte das Fahrzeug repariere, so seien zusätzliche, durch eine mangelhafte Ausführung dieser Reparatur verursachte Schäden um ein Vielfaches wahrscheinlicher, weshalb das Feststellungsbegehren deutlich an Bedeutung gewinne.

[12] Richtig ist, dass im Fall einer offenkundigen Unterbewertung keine Bindung des Obersten Gerichtshofs an die Bewertung des Berufungsgerichts besteht (RS0109332). Eine Unterbewertung ist aber nur „offenkundig“, wenn sie eindeutig erkennbar ist (2 Ob 55/11v; 3 Ob 114/17m [Pkt 4]; 6 Ob 124/22m [Rz 9] ua). Solches ist hier entgegen der Ansicht des Klägers zu verneinen. Dem Rekurs muss deshalb der Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte