European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00099.23Z.0627.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses lautet:
„Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller eine Ausgleichszahlung von 10.000 EUR binnen 14 Tagen zu leisten.“
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin 763 EUR an anteiliger Pauschalgebühr des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.
Begründung:
[1] Die am 16. 8. 2007 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 14. 11. 2016 aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes rechtskräftig geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 14. 8. 2014 aufgehoben.
[2] Beide Ehegatten beantragten die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, wobei sie jeweils auch eine Ausgleichszahlung anstrebten.
[3] In dritter Instanz ist nur mehr strittig, ob die Frau dem Mann dafür, dass ihre bereits vor Eheschließung eingegangenen Kreditschulden (wofür der Kredit aufgenommen wurde, steht nicht fest) von rund 20.000 EUR aus ehelichen Mitteln getilgt wurden, eine Ausgleichszahlung zu leisten hat.
[4] Das Erstgericht sprach aus, dass jeder Teil „das behält, was er bereits in seiner Gewahrsame hat“, und wies die Anträge beider Parteien auf Leistung einer Ausgleichszahlung ab. Es stellte – soweit für das Revisionsrekursverfahren maßgeblich – fest, dass ein von der Frau aufgenommener Bankkredit bei Eheschließung mit rund 20.000 EUR aushaftete. Die Frau habe während der Ehe rund 5.000 EUR zurückgezahlt. Der Restbetrag sei 2009 durch einen von den Ehegatten während der Ehe aufgenommenen (neuen) Kredit getilgt (umgeschuldet) worden. Diesen neuen Kredit hätten die Ehegatten 2017 aus dem Erlös des nach Aufhebung der Ehegemeinschaft erfolgten Verkaufs des gemeinsamen Einfamilienhauses zurückgezahlt. Der verbleibende Verkaufserlös sei nach Abzug der konnexen Schulden den Parteien zu gleichen Teilen zugekommen.
[5] Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass zwischen den Parteien bereits eine abschließende außergerichtliche Aufteilung der ehelichen Errungenschaft erfolgt sei. Beide Ehegatten hätten eheliche Vermögenswerte mit annähernd gleichem Wert erhalten bzw an sich genommen, weshalb es dabei zu bleiben habe und keiner Partei eine Ausgleichszahlung zustehe. Da die vorehelichen Schulden der Frau durch Rückzahlungen während der Ehegemeinschaft sowie danach (insoweit aus dem Erlös des Einfamilienhauses) getilgt worden seien, seien diese „im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft aufgegangen“. Sie könnten „nicht mehr sinnvoll nachverfolgt“ und der Frau zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehegemeinschaft „nicht mehr zugeordnet“ werden. Diese sei daher zu keiner Ausgleichszahlung verpflichtet.
[6] Das Rekursgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung insoweit ab, als es die Frau zur Leistung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 20.000 EUR verpflichtete. Den Revisionsrekurs ließ es nachträglich zu.
[7] Es begründete seine Entscheidung damit, dass die vorehelichen Schulden der Frau zur Gänze aus ehelichen Mitteln getilgt worden seien. Damit sei gemeinsames Einkommen der Ehegatten einseitig zu ihren Gunsten verwendet worden. Da ihr der voreheliche Kredit alleine zuzuordnen sei, habe sie für dessen Tilgung aus ehelichen Mitteln einen Ausgleich an den Mann in Höhe der ihr zugute gekommenen Schuldenreduktion von 20.000 EUR zu leisten.
[8] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil es „durchaus nachvollziehbar“ sein könnte, dass die Frau nur eine Ausgleichszahlung in Höhe der Hälfte der aus ehelichen Mitteln erfolgten Tilgung ihres in die Ehe eingebrachten Kredits zu leisten habe.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Revisionsrekurs der Frau ist aus diesem Grund zulässig und berechtigt:
[10] 1. Dass das Rekursgericht bei seiner Entscheidung über die Ausgleichszahlung den in der Tilgung vorehelicher Schulden der Frau gelegenen Vorteil berücksichtigte, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung:
[11] 1.1. Werden während der ehelichen Lebensgemeinschaft Schulden eines Ehegatten getilgt, die von ihm bereits vor Eheschließung eingegangen wurden, ist dies bei der Bemessung einer Ausgleichszahlung im Rahmen der Billigkeit auch dann zu berücksichtigen, wenn die Schulden nicht mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen oder der Ehewohnung im Zusammenhang standen oder der Anschaffung einer Sache dienten. Dies wird damit begründet, dass eheliche Mittel, die zur Tilgung der von einem Ehegatten in die Ehe „mitgebrachten“ Schulden und damit einseitig zu dessen Gunsten verwendet werden, nicht angespart (und später aufgeteilt) werden konnten. Auch wenn den Schulden kein Wert in Form einer Sache gegenüberstehe, verbleibe diesem Ehegatten der mit ehelichen Mitteln geschaffene Vorteil, dass er nun nicht mehr mit seinen Schulden belastet sei (1 Ob 227/16p, iFamZ 2017/https://rdb.manz.at/document/rdb.tso.ENifamz20170237?execution=e1s2&source=726462233230323330363035237269732e6a7573742e4a4a545f32303139303632355f4f4748303030325f303031304f4230303039375f31395a303030305f30303023534c2331363631383738303835, 101 [zustimmend Deixler‑Hübner]; vgl auch 1 Ob 145/16d; 1 Ob 97/19z; 1 Ob 96/20d; 1 Ob 505/92; zur Tilgung von Unternehmensschulden eines Ehegatten aus ehelichen Mitteln siehe RS0058268 [T10]).
[12] 1.2. Das Rekursgericht legte der angefochtenen Entscheidung diese Rechtsprechung zugrunde. Es ging zutreffend davon aus, dass der 2009 umgeschuldete Teil (rund 15.000 EUR) des vorehelichen Kredits der Frau im Jahr 2017 (somit nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft) mit ehelichen Mitteln – nämlich aus dem Erlös des Verkaufs des gemeinsamen Hauses und somit aus aufzuteilendem Vermögen – getilgt wurde. Für die laufenden Kreditrückzahlungen während aufrechter Ehegemeinschaft kann ebenfalls nicht zweifelhaft sein, dass es sich dabei um eheliche Beiträge handelte. Darauf, dass diese bis 2009 ausschließlich aus dem Einkommen der Frau stammten, kommt es entgegen ihrem Standpunkt im Rechtsmittel nicht an (RS0057486 [insb T3]).
[13] 2. Die Revisionsrekurswerberin weist aber zutreffend darauf hin, dass es nicht dem Grundsatz der Billigkeit entspräche, sie zum Ausgleich der gesamten bei ihr eingetretenen Schuldbefreiung zu verpflichten. Durch die Tilgung ihrer in die Ehe eingebrachten Schulden kamen ihr eheliche Mittel von insgesamt rund 20.000 EUR allein zugute. Diese Mittel wären sonst Teil der ehelichen Errungenschaft gewesen und dem Ehegatten nach dem von den Vorinstanzen zugrunde gelegten Aufteilungsschlüssel je zur Hälfte zugestanden. Dass sie zur Rückzahlung des Kredits der Frau verwendet wurden, kann daran nichts ändern. Dem Mann ist daher nur die Hälfte des allein bei der Frau eingetretenen Vermögensvorteils als Ausgleichszahlung zuzuweisen. Da die nacheheliche Vermögensauseinandersetzung zwischen den Ehegatten im Übrigen außergerichtlich erfolgte, ist diese mit insgesamt 10.000 EUR festzulegen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in diesem Sinn abgeändert.
[14] 3. Weitere nachvollziehbare Argumente enthält das Rechtsmittel der Frau nicht. Warum das Rekursgericht einen angeblich von ihr an den Mann überwiesenen Betrag von 9.724,18 EUR „berücksichtigen“ hätte sollen und „auch aus diesem Grund keine Ausgleichszahlung zustehe“, ist nicht ersichtlich. Die gänzlich unsubstanziierte Behauptung, es sei der (im Revisionsrekurs wörtlich wiedergegebenen) Rechtsansicht des Erstgerichts zu folgen, ist keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge (RS0043603).
4. Zur Kostenentscheidung:
[15] 4.1. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Da die Antragstellerin mit ihrem Revisionsrekursbegehren zur Hälfte durchdrang, hat sie Anspruch auf Ersatz der Hälfte der von ihr entrichteten Pauschalgebühr.
[16] 4.2. Die Aufhebung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen beruht auf einem Größenschluss aus § 70 Abs 3 letzter Satz AußStrG (RS0124588 [T6]). Demnach kann ein Beschluss des Rekursgerichts aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückverwiesen werden, wenn sich bei einem Revisionsrekurs aus der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage zur abschließenden Entscheidung über den Anspruch die Notwendigkeit einer näheren Prüfung einzelner Anspruchsgrundlagen oder eingehender Berechnungen ergibt. Dies muss umso mehr für die Kostenfrage gelten, zumal der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nicht mit Kostenfragen belastet werden soll (RS0124588 [T4]). Den Aufteilungsanträgen beider Parteien liegen unterschiedliche Streitwerte zugrunde, die außerdem während des erstinstanzlichen Verfahrens geändert wurden, wobei konkrete Aufteilungsbegehren der Parteien in erster Instanz teilweise nur schwer auszumachen sind. Die Antragsgegnerin strebte – neben der Zuweisung bestimmter Vermögenswerte – ursprünglich eine Ausgleichszahlung von rund 20.000 EUR an, der Antragsteller begehrte – soweit ersichtlich – ebenfalls (auch) eine Ausgleichszahlung, bezifferte diese aber erst in der Tagsatzung vom 16. 6. 2021 mit rund 52.000 EUR. Die Antragsgegnerin erhob umfangreiche Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis des Antragstellers. Eine komplette Neuberechnung der zahlreiche Positionen umfassenden Kostennote ist jedenfalls erforderlich. Der Oberste Gerichtshof geht davon aus, dass in solchen Fällen auch eine Aufhebung in die erste Instanz möglich ist (RS0124588 [T13]). Dafür spricht auch die Überlegung, dass dadurch die Überprüfung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung im Rekursweg ermöglicht wird (umfassend dazu 1 Ob 66/22w mwN).
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