OGH 11Os42/23w

OGH11Os42/23w13.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juni 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * J* und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGBüber die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten * Z* sowie über die Berufung des J* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Dezember 2022, GZ 114 Hv 109/22t‑138, weiters über die Beschwerde des J* gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00042.23W.0613.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten Z* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde * Z* mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie am 26. April 2022 in W* – gekürzt wiedergegeben – im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern * B* und * K* mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, nämlich 100 Gramm Suchtgift „(Crystal Meth)“, Bargeld und diverse weitere Gegenstände mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem Z* die Genannten in eine Wohnung lockte, dort Pistolen gegen die Opfer gerichtet, diese zu Boden gestoßen, ihnen Fußtritte versetzt, sie in Bauchlage fixiert und gefesselt wurden, wobei Z* auch Übersetzerdienste leistete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Angeklagte Z* bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützten, (nur) gegen die Annahme der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) unterlässt die zur prozessordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes unerlässliche Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0116504, RS0119370), indem der Einwand der Undeutlichkeit der Feststellungen zum Einsatz der Waffen bloß auf eine isoliert herausgegriffene Passage des Urteils (US 8; s aber auchUS 3, 7) rekurriert. Dies trifft in gleicher Weise auf die behauptete, erneut aus einzelnen, dem eigenen Standpunkt vorteilhaften Aussageteilen entwickelten Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zu, zumal das Gericht unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit mit Blick auf das Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht dazu verhalten ist, sich mit jedem Aussagedetail auseinanderzusetzen (erneut RIS‑Justiz RS0116504, RS0106642).

[5] Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich unter Betrachtung einzelner – überdies aus dem Zusammenhang gerissener – Aussagepassagen eines Mitangeklagten, wonach „niemand an jemanden die Waffe gerichtet hat“ bzw es sei nicht „geplant gewesen, mit den Waffen in die Wohnung zu kommen“, nur gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung, ohne erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken. Nur über dieser Schwelle liegende Bedenken sind aber Maßstab des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes, will doch die Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden (also schuld- oder subsumtionserheblichen) Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung – im Übrigen durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen –verhindern (RIS‑Justiz RS0119583, RS0118780).

[6] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

[7] Soweit die gegen die rechtliche Annahme der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) das Fehlen von Konstatierungen zum auf Waffengebrauch gerichteten Vorsatz der Beschwerdeführerin behauptet, übergeht sie die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts (US 7 f) und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte