OGH 5Ob79/23p

OGH5Ob79/23p31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin V*I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christian Frühwirt, öffentlicher Notar in Bad Radkersburg, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit in der EZ * KG *, infolge des „außerordentlichen“ Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 23. Jänner 2023, AZ 70 R 72/22f, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 28. Oktober 2022, TZ 15726/2022, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00079.23P.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft vereinbarten in dem am 2. 2. 2021 geschlossenen Wohnungseigentumsvertrag, dass der jeweilige Eigentümer eines bestimmten Wohnungseigentumsobjekts berechtigt sei, an einer planlich konkret beschriebenen Dachfläche eine Werbetafel oder sonstige Werbeeinrichtung zu errichten und zu erhalten.

[2] Die Antragstellerin ist die Eigentümerin jener Mindestanteile, mit denen das Recht zur ausschließlichen Nutzung dieses Objekts verbunden ist. Sie beantragte die Einverleibung der Dienstbarkeit der Unterlassung der Errichtung einer Werbetafel oder sonstigen Werbeeinrichtung zugunsten bestimmter Mindestanteile anderer Wohnungseigentümer.

[3] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit dem dieses den Antrag abgewiesen hatte, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteigt, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Dagegen erhob die Antragstellerin primär einen außerordentlichen Revisionsrekurs, in dem sie geltend macht, dass eine offenkundige Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht vorliege, und beantragte in eventu die Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses durch das Gericht zweiter Instanz.

Rechtliche Beurteilung

[5] Das Erstgericht legte den außerordentlichen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor. Dieser ist derzeit nicht zur Entscheidung in der Sache berufen:

[6] 1. In Grundbuchsachen gilt für die Entscheidung des Rekursgerichts § 59 AußStrG (§ 126 Abs 1 GBG).

[7] 1.1 Nach § 126 Abs 2 GBG kann der Beschluss des Rekursgerichts nach Maßgabe der §§ 62, 63 und 66 AußStrG angefochten werden, wobei die Bestimmungen der §§ 122 bis 125 GBG – hinsichtlich des § 63 Abs 2 AußStrG sinngemäß – zu beachten sind.

[8] 1.2 Der Entscheidungsgegenstand in Grundbuchsachen ist grundsätzlich vermögensrechtlicher Natur (RIS‑Justiz RS0117829). Das trifft auch für den vorliegenden Fall zu. In einem solchen Fall hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt.

[9] 1.3 Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist – auch im Verfahren außer Streitsachen – unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unter‑ oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]; vgl auch RS0042410). Einer durch die Entscheidung der zweiten Instanz beschwerten Partei steht die Möglichkeit offen, ungeachtet der Bewertung durch das Gericht zweiter Instanz ein außerordentliches Rechtsmittel zu erheben und in diesem geltend zu machen, dass eine den Obersten Gerichtshof nicht bindende unzulässige Bewertung oder offenkundige Unterbewertung vorgenommen worden sei. Schließt sich der Oberste Gerichtshof dieser Beurteilung an, steht der abweichende Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels nicht entgegen (5 Ob 146/21p; 5 Ob 206/21m).

[10] 2. Eine offenkundige Fehlbeurteilung des Werts des Entscheidungsgegenstands, an die der Oberste Gerichtshof nicht gebunden wäre, zeigt die Antragstellerin nicht auf:

[11] 2.1 Ist der Wert – wie hier – nicht zwingend vorgegeben, kann das Gericht zweiter Instanz den Wert des Entscheidungsgegenstands zwar nicht willkürlich festsetzen, es steht ihm aber ein Ermessensspielraum offen. Sein Ermessen ist ein gebundenes Ermessen, die Bewertung hat sich am objektiven Wert der Streitsache zu orientieren (RS0118748 [T1]). Das Gericht zweiter Instanz darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands – bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache – weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen.

[12] 2.2 Das Rekursgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt. Darin soll nach Ansicht der Antragstellerin eine offenkundige Unterbewertung liegen, was sie mit der Höhe möglicher Einnahmen aus der Zurverfügungstellung von (hier:) Dachflächen für Werbezwecke begründet. Nach dem Inhalt ihres Begehrens geht es aber gerade nicht um eine Nutzung der Dachfläche zur Errichtung einer Werbetafel oder sonstigen Werbeeinrichtung (und damit möglicherweise verbundene Einnahmen), sondern um die Unterlassung eines ihr als Eigentümerin bestimmter Mindestanteile im Wohnungseigentumsvertrag eingeräumten Rechts. Inwieweit aus der Nichtnutzung ein monatliches Entgelt zu veranschlagen sein soll, ist nicht zu erkennen. Jedenfalls ist vor diesem Hintergrund keine offenkundige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts gegeben.

[13] 2.3 Der Oberste Gerichtshof ist daher an die Bewertung des Rekursgerichts gebunden.

[14] 3. Da das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt, und den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zuließ, ist der Revisionsrekurs ohne Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG jedenfalls unzulässig. Erhebt eine Partei dennoch ein Rechtsmittel, ist dieses, auch wenn es als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Der Oberste Gerichtshof darf darüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 63 Abs 3 AußStrG ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RS0109623).

[15] 4. Entsprechend dem im Rechtsmittel der Antragstellerin enthaltenen Eventualantrag ist der Rechtsmittelschriftsatz daher grundsätzlich dem Rekursgericht vorzulegen. Ob dieser Schriftsatz den Erfordernissen an eine Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T14]).

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